Kanzlerin Merkel, die große Koalition im Wahlkampf, Opel, Obama und der Amoklauf in Winnenden

Anders als erwartet, verzichtete Merkel auf Machtworte und klare Positionen. Erkennbar ging es der Kanzlerin darum, ihrem Millionenpublikum näherzutreten, indem sie sich aus dem oft kleinkrämerischen Streit der Parteien in präsidialer Manier heraushob. WAZ

Der Wähler, so viel ist gewiss, dürfte schon sehr bald unter Ermüdungserscheinungen leiden. Immerhin ist es bis zur Bundestagswahl noch ein halbes Jahr hin. Auch in der Sache darf man an dem einen oder anderen Winkelzug ja seine Zweifel haben, so die Mitteldeutsche Zeitung

Schäuble hat jetzt SPD-Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier – über den immer tiefer werdenden Graben zwischen den Koalitionspartnern hinweg – zur Ordnung gerufen. Er verbreite „Unsinn“, wenn er der Opel-Belegschaft substanzlose Rettungsversprechen mache. Das passt zum Ton zwischen den Koalitionspartnern, die sich mittlerweile im offenen Schlagabtausch des Wahlkampfs befinden, findet Die Welt.

Die Taktik ist leicht zu durchschauen: Es ist klar, dass die FDP angesichts des Hochs bei den Umfragen für vorgezogene Neuwahlen plädiert, und in der CSU muss sich die neue Führung profilieren. Warum sonst sollten die Bundestagswahlen, die ohnehin in einem halben Jahr stattfinden, vorgezogen werden?
Reutlinger Generalanzeiger

Kasperletheater in der Politik ist jetzt das Letzte, was die Opel-Mitarbeiter brauchen. Ihnen geht es nicht um das Überleben der Koalition in Berlin ein paar Monate vor den Wahlen, sondern um den Bestand ihrer Arbeitsplätze. Den Kapriolen der kleineren Unionsschwester ist anzumerken, dass es in Bayern keinen Opel-Standort gibt, findet die Thüringer Allgemeine

Einstieg des Staates bei Opel? Der Staat hilft diversen Banken mit Milliardenbürgschaften, macht stille Einlagen, ja denkt sogar an Verstaatlichung durch Enteignung im Fall Hypo Real Estate. Da mag man sich die Frage stellen, warum nicht auch bei der Traditionsmarke mit dem Blitz staatliches Engagement den Verlust von Zehntausenden Arbeitsplätzen verhüten soll. Doch sinnvoll ist diese Debatte nicht, befindet die Schweriner Volkszeitung.

Am besten sollten Kinder schon mit acht Jahren schießen lernen. Als der Präsident des Deutschen Schützenbundes, Ambacher, dies äußerte, war er selbst für seine Verhältnisse bemerkenswert schlecht beraten, urteilt die Süddeutsche Zeitung (Print).

Amokläufe sind nicht zu verhindern, sie können allenfalls erschwert werden. Wir leben trotz Kriminalität und trotz Amokläufen in einem der sichersten Länder der Welt. Dies verleitet zu der Illusion, die Unwägbarkeiten des Lebens und die Irrwege von Menschen seien grundsätzlich abwendbar. Dass dem nicht so ist, ist eine wichtige und zugleich bittere Erkenntnis, meint die Berliner Zeitung.

Die Hinterbliebenen haben eine unmissverständliche Botschaft formuliert: Wir alle müssen unseren Umgang mit medial vermittelter Gewalt überprüfen, weil das genussvolle Spiel mit Mord und Totschlag keine akzeptable Beschäftigung für eine zivilisierte Gesellschaft sein kann, so der Münchner Merkur (Print).

Erleben Amerika und die restliche Welt gerade, wie eine Präsidentschaft, auf die sich große Hoffnungen richteten, früh entgleist? Der Tagesspiegel

President Obama missed a huge teaching opportunity with A.I.G. Those bonuses were an outrage. The public’s anger was justified. But rather than fanning those flames and letting Congress run riot, the president should have said: „I’ll handle this.“ He should have gone on national TV and had the fireside chat with the country that is long overdue. New York Times

The zombie ideas have won. The Obama administration is now completely wedded to the idea that there’s nothing fundamentally wrong with the financial system — that what we’re facing is the equivalent of a run on an essentially sound bank. This plan will produce big gains for banks that didn’t actually need any help; it will, however, do little to reassure the public about banks that are seriously undercapitalized. And I fear that when the plan fails, as it almost surely will, the administration will have shot its bolt: it won’t be able to come back to Congress for a plan that might actually work. What an awful mess. Nobelpreisträger Krugman schimpft ebenfalls in der New York Times

Leitartikel

Die CDU-Chefin versucht, ihre Partei zu modernisieren. Das geht vielen Konservativen zu weit. Und vom Bonus ihrer Kanzlerin profitieren die Christdemokraten auch nicht. Frankfurter Rundschau

Dass eine amtierende Politikerin eine Steuererhöhung für eine „interessante Aktivität“ hält, ist nicht überraschend – dass sie es öffentlich sagt, schon eher. Damit betritt Angela Merkel kompliziertes Gebiet. Financial Times Deutschland

Die Schwäche der SPD bringt die Grünen in eine strategische Zwickmühle: Wieder an die Regierung kommt die Öko-Alternativtruppe realistischerweise nur in einer Dreierkoalition – im Bund wie im Land. WAZ

Wenn sich zwei Partner nichts mehr zu sagen haben, wenn sie sich in aller Öffentlichkeit ankeifen, dann gibt es nur eines: die Scheidung – und zwar schnell. In der Großen Koalition ist dieser Zustand erreicht. BILD

Die SPD schießt sich auf die Kanzlerin ein. Doch noch haben Müntefering und Steinmeier keinen Weg gefunden, wie sie Merkel zu Fehlern zwingen können. Süddeutsche Zeitung

Der Amoklauf in Winnenden hat die finsterste Seite der menschlichen Phantasie durchbrechen lassen und uns die nahezu unbegrenzte Zerstörungskraft des Individuums gezeigt. Das Erschrecken darüber ist groß. FAZ

Kleben Sie das Schild „Finanzkrise“ auf die Leiche, und die Kripo drückt Ihnen ihr Beileid aus, statt Sie zu verhaften. Wirtschaftswoche

The Netherlands typifies a European fear that any big fiscal stimulus might just benefit others. They keep their fingers in the dyke. Economist