Netzanonymität, Schuldenkrise, Großbritannien, Israel, Syrien, RWE & Mauergedenken

So nutzlos wie das Vermummungsverbot Innenminister Friedrich möchte eine Demokratie, die mit „offenem Visier“ streitet. Mit dem gleichen Argument führten Sicherheitspolitiker vor 25 Jahren das Vermummungsverbot bei Demonstrationen ein. Es entpuppte sich als Schnapsidee. Auch ein Generalverbot von Pseudonymen im Netz wäre sinnlos – an einigen Stellen sind Klarnamen jedoch angebracht. Süddeutsche Zeitung

Die dunkle Seele der netten Nachbarn Was die Anonymität im Netz zum Vorschein bringt, tut weh, ist aber vielleicht heilsam. Es lohnt sich, gelegentlich genauer hinzuschauen – um zu verstehen. Tagesspiegel

Shitstorm im Netz Reden will der Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nun also, und das – selbstredend – ganz grundsätzlich und klar: national und international. Also mit allen. Berliner Zeitung

Anonymität ist ein Schutz, keine Gefahr Manche Meinungen sind schwer erträglich, trotzdem müssen wir sie sagen dürfen – im Netz wie auf der Straße. Sie beschränken zu wollen, ist falsch ZEIT

Schulden-Krise

Tod auf Raten Der Dax stürzt zwar ein – aber der „Schwarze Montag“ bleibt aus. Für die Anleger ist das nicht unbedingt eine gute Nachricht. Denn diese vielen kleinen, schmerzhaften Abwärtsschritte sind viel gefährlicher als ein großer Tages-Crash. Süddeutsche Zeitung

Bärenmarkt Nach einer nicht offiziellen, aber weithin anerkannten Definition liegt ein Bärenmarkt vor, sobald ein Aktienindex um 20 % und mehr gefallen ist. Mit dem gestrigen Sturz des Dax bis auf 5 911 Punkte hat der deutsche Aktienmarkt diesen Status erreicht. Denn gegenüber dem am 8. Juli erreichten Hoch von 7 524 Zählern hat der Index rund 21,5 % eingebüßt. Börsen-Zeitung

Selbstaufgabe Als sich die Kanzlerin vor gut zwei Wochen in den Urlaub verabschiedete, war sie noch gefragt worden, ob sie ein paar Tage in Belgien verbringen wolle. Belgien? Ja klar, da liegt Brüssel, dort schlägt das Herz der Europäischen Union. Bonner General-Anzeiger

Ruhige Hand gegen nervöses Markttreiben Berlin hält die Entscheidungen zur Eurostabilisierung für ausreichend und demonstriert betonte Gelassenheit. Stuttgarter Zeitung

Lehrmeister China Angesichts der Finanzkrise müssen alle Akteuren Geduld zeigen. Mitteldeutsche Zeitung

Wenn der Staat die Firmen quält Werden nach der Herabstufung der USA durch die Ratingagentur Standard & Poor’s nun Unternehmen die neuen sicheren Anlagewerte? Das werden die Staaten kaum zulassen. Financial Times Deutschland

Die Großen Drei Politiker und Anleger zittern vor ihren Buchstabenkombinationen wie Schulversager vor den Klausurnoten. Ein „AA+“, das ja eigentlich noch ganz optimistisch klingt, reicht, um die Börsen in den Abgrund zu scheuchen. Märkische Allgemeine

Narren im Schuldturm Angesichts der weltweiten Schuldenkrise sollten sich Bürger, Politik und Finanzwelt endlich einer bitteren Realität stellen: Das Leben auf Pump muss ein Ende haben, gefährliche Defizite gehören verboten. Es ist ein Übergang, der schmerzhaft sein wird – und für den es trotzdem höchste Zeit ist. Süddeutsche Zeitung

The Hypocrites in Beijing: Let Them Eat Dollars! Foreign Policy

USA

Tiefer Kratzer im Lack Erstmals seit 70 Jahren ist der Schuldner Amerika nicht mehr über alle Zweifel erhaben. Doch trotz aller Kritik an den Rechenkünsten ist die Herabstufung der Vereinigte Staaten angemessen. FAZ

Hilflos am Abgrund Eine „Double Dip“-Rezession, ein zweiter Abschwung nach der Krise von 2008 – das ist derzeit die größte Angst der Amerikaner. Immer mehr deutet darauf hin, dass die US-Volkswirtschaft viel schwächer ist, als alle Experten angenommen haben. Und die Politik hat kaum noch Mittel, um eine neue Krise abzuwenden. Süddeutsche Zeitung

Ökonomisch fundiert, politisch verheerend Kaum hatten US-Präsident Barack Obama, sein Finanzminister Timothy Geithner und jene Kongressmitglieder, die ihre Sommerferien dem Verhandlungsmarathon um die Anhebung der staatlichen Schuldengrenze geopfert hatten, wieder etwas Luft geholt, schon steht den Hauptakteuren im Drama um Amerikas eskalierende Staatsschulden das Wasser wieder bis zum Hals. Dabei könnte die Herabstufung der „AAA“Bonitätsnote für US-Staatsanleihen weitere Kreise ziehen als der Streit um das Schuldenlimit. Das Down-grade hat nämlich allen Beteiligten auf schmerzhafte Weise vor Augen geführt, dass die Gefahr weiterer Abwertungen droht und die USA noch einen langen Weg vor sich haben, ehe für die strukturellen Schuldenprobleme tatsächlich eine Lösung in Sicht ist. Börsen-Zeitung

Freddie Mac bittet um weitere Hilfe Der in der Finanzkrise verstaatlichte amerikanische Hypothekenkonzern Freddie Mac hat die amerikanische Regierung erneut um Staatshilfen gebeten. FAZ

Political vs. financial risk The S&P downgrade was more about our polarized government than our ability to pay our debts. Los Angeles Times

Debt Buries Man of Hope The president’s call for common sense is no match for his 2008 message of hope. The Daily Beast

Europa

Wenn die Feuerwehr brennt Erneut greift die Europäische Zentralbank aktiv in die Schuldenkrise ein – und kauft Anleihen von Krisenstaaten. Kurzfristig funktioniert das, die Risikoaufschläge für italienische und spanische Papiere sinken. Dennoch bleibt das Verhalten der EZB höchst fragwürdig: Es beschädigt die Institution nachhaltig – auf dem Spiel steht ihre Glaubwürdigkeit. Süddeutsche Zeitung

Her mit den Eurobonds! Die Herabstufung der USA tut der Beliebtheit amerikanischer Staatsanleihen keinen Abbruch. Das zeigt: Size matters. Eine Gemeinschaftsanleihe würde die Bewältigung der Euro-Krise erleichtern. Financial Times Deutschland

Die Krise stärkt Europa Ein System funktioniert nur mit einer Zentralbank, die zur Not einspringt taz

Prinzip Hoffnung für den Euro Der Zentralbank blieb keine Wahl, als italienische und spanische Anleihen zu kaufen, um die Märkte zu beruhigen. Dennoch steht Europas Währung auf der Kippe. ZEIT

Das verheerende Signal der EZB an die Euro-Sünder Spanien und Italien hätten schon vor Monaten Sparmaßnahmen einleiten müssen. Stattdessen werden diese Regierungen nun von der EZB gepäppelt. Die Welt

Der Süden gewinnt Noch einmal haucht die Europäische Zentralbank (EZB) dem Euro Leben ein. Der Patient liegt auf der Intensivstation, die Notenbank fungiert als Herz-Rhythmus-Maschine. Um die Gemeinschaftswährung am Leben zu halten, werden nun in großem Umfang Staatsanleihen gekauft, nicht nur die kleiner Länder. Die Krise erreicht mit Italien und Spanien – womöglich schon bald mit Frankreich – die großen Staaten des Währungsgebiets. Börsen-Zeitung

Italien braucht Druck von außen Für die Überwindung der Krise fehlt es Italien nun nicht nur an Problembewusstsein, sondern auch an handlungsfähigen Politikern. FAZ

Politisches Downgrade Die Regierung von Silvio Berlusconi ist kaum mehr handlungsfähig. Eine Woche lang hat der Regierungschef vor dem Parlament und in Verhandlungen mit den Sozialpartnern den Märkten die kalte Schulter gezeigt. Es seien keine zusätzlichen Maßnahmen zu dem Sparpaket nötig, Eile sei nicht nötig. Börsen-Zeitung

Aktienmärkte

Schneller, öfter Die Finanzmärkte hat die Versicherung der Finanzminister der G7, künftig eng zusammenzuarbeiten und abgestimmt zu handeln, nicht beruhigt. Die Welt wird mit der Aussicht leben müssen, dass Amerika künftig schneller und öfter eine Rezession droht als früher gewohnt. FAZ

Der Sinkflug an den Börsen geht weiter Die internationalen Aktienmärkte befinden sich weiter im Sinkflug: Nach dem Kurssturz an der Wall Street am Vorabend verloren auch die asiatischen Märkte weiter, konnten sich aber im Handelsverlauf erholen. Auch der deutsche Aktienmarkt wird schwächer erwartet. FAZ

Nikkei-Index fällt um mehr als vier Prozent Schlechte Nachrichten aus Asien: Die Furcht vor einer möglichen weltweiten Rezession hat die Börsen von Schanghai bis Tokio abstürzen lassen. In Seoul wurde der Handel sogar ausgesetzt. Und China vermeldet, dass die Inflation in schwindelerregende Höhen gestiegen ist. Schweinefleisch ist in einem Jahr um mehr als die Hälfte teurer geworden. Süddeutsche Zeitung

Stock Slump Isn’t About the S&P Downgrade The Dow’s big drop may be more about a faltering recovery The Atlantic

Krawalle in Großbritannien

Unruhen in London Warum die Gewalt in Tottenham explodierte London erlebte in den vergangenen Nächten einen Exzess der Gewalt. Was hat die Randale von Tottenham ausgelöst? Welche Rolle spielt dabei der Tod eines Familienvaters durch eine Polizeikugel? Und weshalb verschäft die britische Sozialpolitik die Situation? Süddeutsche Zeitung

London brennt Die Randale in London sind die Folge jahrelanger Politik der Verdrängung, vernachlässigung und Dissoziation. Frankfurter Rundschau

Ein Funke reicht Was steckt hinter den Unruhen von Tottenham? Eine erste Parallele drängt sich fast auf: Mal wieder hat Großbritannien eine konservative Regierung, die die Sozialausgaben zusammenstreicht – und mal wieder brennt die Straße. Bonner General-Anzeiger

Törichte Randale Die Gewalt der Randalierer in Tottenham ist doppelt töricht, weil die Ausgegrenzten in blinder Wut jenen schaden, die selber arm sind. Augsburger Allgemeine

Die Fehler der Bobbys London sucht nach Ursachen für die Krawalle und findet nur Versäumnisse. Schon seit Jahren häufen sich bei Großeinsätzen die Pannen bei der größten Polizeibehörde des Vereinigten Königreichs. FAZ

London calling Zu oft haben sich Behauptungen der Polizei als falsch herausgestellt taz

Israel

Kairo und Tel Aviv Die Gefahr ist groß, Rebellionen wie die in der arabischen Welt falsch zu bewerten. Israel hingegen stimmt positiv. Frankfurter Rundschau

Israel protests show nation’s beating heart Protests led by the young have rekindled the spirit that built the nation. Los Angeles Times

Tent Revolt in Tel Aviv Will the Protests in Israel Bring Down Netanyahu? Israel is experiencing its most powerful social unrest in decades. Protesters feel that they are working harder, earning less, and paying more. Should the government fail to meet their demands, Israelis may move their protest from the streets to the ballot box. Foreign Affairs

Syrien

Zwiespältig König Abdullahs Kritik am Vorgehen Assads war deutlich. Doch auch in Saudi-Arabien kann von Demokratie und Menschenrechten keine Rede sein. Es könnte sein, dass dort ebenfalls irgendwann (deutsche?) Panzer gegen Oppositionelle in Stellung gehen. FAZ

Der König im Glashaus Dass die wachsende Kritik in der arabischen Welt Assad zum Einlenken bewegen wird, ist unwahrscheinlich. Er muss keine Intervention wie in Libyen befürchten. Augsburger Allgemeine

Keine gute Gesellschaft mehr Die wenigen Verbündeten gehen nun auf Distanz. Aber der syrische Präsident wäre nicht der erste Diktator, der nach einer Zeit internationaler „Quarantäne“ wieder in die Weltgemeinschaft aufgenommen wird. Alle, die jetzt starke Worte finden, sollten dafür sorgen, dass nicht ein fauler „Pragmatismus“ siegt. FAZ

RWE

Großmanns Vermächtnis Jürgen Großmann hat einiges bewegt in seinen bisherigen vier Jahren als Vorstandsvorsitzender von RWE. Er hat mehrere Milliarden Euro in die Hand genommen und den von seinen Vorgängern verschlafenen Einstieg in die erneuerbaren Energien in Angriff genommen. Er hat überflüssige Zwischenholdings im Konzern aufgelöst, um Entscheidungswege zu vereinfachen. Er hat versucht, verkrustete Strukturen aufzubrechen, und sich auf die Suche nach neuen Partnern gemacht. Börsen-Zeitung

Für den neuen RWE-Chef wird es nicht einfach Peter Terium ist ein Unbekannter in der Branche. Das kann auch von Vorteil sein. Jedenfalls gilt der Niederländer – im Gegensatz zu Jürgen Großmann – nicht als Atom-Dino. Doch wirklich leichter wird es für ihn dadurch noch lange nicht. Financial Times Deutschland

Nebeneinander von Alpha-Tieren Zum Schluss zählt das, was hinten herauskommt. Ob die Weisheit von Altkanzler Kohl auf RWE zutrifft? Der Westen

„Das ist ein katastrophal schlechter Neustart“ Intrigen und Rücktrittsdrohungen: Nach einem beispiellosen Machtkampf beim Energiekonzern RWE soll der Niederländer Peter Terium den umstrittenen Jürgen Großmann vorzeitig beerben. Doch der Kompromiss beschädigt zentrale Personen des Unternehmens. Süddeutsche Zeitung

Opfer einer Erpressung Zoff im Aufsichtsrat von RWE: Man könnte die Rücktrittsdrohungen von sechs Aufsichtsräte, mit dem Ziel Peter Terium durchzusetzen, auch als Erpressung sehen. Sie drohten auch mit den negativen Folgen für den Aktienkurs. Kölner Stadt-Anzeiger

Zeitenwende bei RWE Neuer Chef ab 2012, Kapitalerhöhung, Senkung der Gewinnprognose, Verkäufe und weniger Investitionen: Bei Deutschlands zweitgrößtem Energieversorger RWE bleibt nichts so, wie es einmal war. Der Konzern rechnet für 2011 mit weniger Umsatz. Auch die Dividende dürfte fallen. Manager-Magazin

Mauergedenken

Berliner Mauer, die Endmoräne totalitärer Expansion Mit der Mauer verlor der Kommunismus seinen utopischen Schein und gestand ein, dass ihm für den weiteren Vormarsch die Kraft ausging. Die Welt

Die Mauer: Unmenschlich, nichts anderes War die Mauer doch nicht ganz schlecht? Jeder zehnte Berliner ist der Meinung. Ein schockierender Befund. Unmenschlich, so war die Mauer, nichts anderes. Tagesspiegel

Erholen und erinnern Der 13. August ist alle Jahre wieder Anlass, an den Schmerz der deutschen Teilung zu erinnern und der Maueropfer zu gedenken. Zwischen den Jahrestagen gerät dieser Schmerz oft in Vergessenheit; den Jüngeren ist er immer schwerer zu vermitteln. Märkische Allgemeine

Wer versagte, wurde bestraft Viele wehrpflichtige Wachen an der innerdeutschen Grenze waren schockiert von der Realität dort. Die meisten fühlen sich bis heute als Opfer. Stuttgarter Zeitung

Denkmal auf dem Todesstreifen Zum 50. Jahrestag des Mauerbaus haben Matthias Platzeck und Klaus Wowereit zwei Gedenk-Stelen eingeweiht. Sie sollen an die Opfer erinnern, die an der Grenze zwischen West-Berlin und dem Brandenburger Umland ums Leben kamen. Stern

…one more thing!

Der Macht- und Kulturkampf Erdogans In der Türkei tobt ein Kulturkampf. Denn Regierungschef Erdogan versucht, die islamische Überlieferung mit einem Machtstaat westlichen Typs zu versöhnen. Die Welt

Leitartikel

Merkel im Herbst der Entscheidung Seit Monaten wirkt die Kanzlerin wie eine Getriebene in der Krise. Die Unruhe wächst. Jetzt gilt: Entweder sie zeigt Führungsstärke oder sie verliert ihre Bonität. Frankfurter Rundschau

Alles hängt von Europa ab Das haben Europas Staatenlenker nun davon: Seit Monaten verdrucksen und verschleppen sie die Euro-Krise. Dafür verhagelt diese ihnen nun den Urlaub. Financial Times Deutschland

Politiker als Spekulanten Die Staatsverschuldung der westlichen Industrieländer ist beängstigend. Unbarmherzig strafen die Finanzmärkte die Staaten nun ab. Es ist Zeit, die richtigen Lehren zu ziehen Die Welt

Im Dienst der Politik Es sah so aus, als wolle die Europäische Zentralbank (EZB) eigene Fehler reparieren. Sie stoppte das Ankaufprogramm für Staatsanleihen. Präsident Trichet ist dennoch eingeknickt und hat die Unabhängigkeit der EZB aufgegeben. Und nun? FAZ

Letzte Zuflucht EZB In den EZB-Büchern sammeln sich Schrottanleihen von Euro-Ländern im Wert von rund 80 Milliarden Euro. Das stellt die Notenbank auf den Kopf. Eigentlich sollten die Länder mit ihren Einlagen bei der EZB den Euro sichern. Jetzt sichert die EZB den verschuldeten Euro-Staaten das Überleben. Das kann nicht mehr lange gut gehen! BILD

Slithering to the wrong kind of union Monetary union can only survive if central bank independence is respected Financial Times

Wake up and smell the tea There is plenty of economic blame to go around. Los Angeles Times

Tea Party Queen Why Michele Bachmann is riding high going into Iowa. Newsweek