Lokomotivführerstreik, Versammlungsfreiheit, Guttenberg, Arabische Welt & Eurokrise

Absurder Streik, absurde Argumente Die Lokomotivführer streiken – und wecken böse Erinnerungen an den Tarifstreit 2007/08. Diesmal laufen sie Gefahr, die Sache zu überreizen. Süddeutsche Zeitung

GDL will mehr herausholen Auch die geplagten Kunden der Berliner S-Bahn verschonte die Lokführergewerkschaft GDL nicht. Die Stimmung in der Öffentlichkeit und der Rückhalt in der Bevölkerung sind offenbar keine relevante Größe. Tagesspiegel

Seltsamer Arbeitskampf Es ist ein seltsamer Arbeitskampf, den die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer führt. Die GDL will für ihre Mitglieder einen Branchentarifvertrag erstreiten – Privatbahnen sollen künftig ihr Personal genau so gut bezahlen wie die Deutsche Bahn. Märkische Allgemeine

Der Streik, der allen schadet Hunderttausende Pendler an Rhein und Ruhr haben gestern morgen die gleichen Gedanken gehabt. Sie haben an den großen Streik vor drei Jahren ge-dacht. An die Pannen zum Winterauftakt im Dezember. Sie haben die Eiseskälte auf dem Bahnsteig gespürt. Der Westen

Lokführer auf dem falschen Gleis Börsen-Zeitung (Print)

Arbeitskampf auf schmalem Grat Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, dass das ruppige Auftreten der kleinen Lokführer-Gewerkschaft (GdL) vor allem der Konkurrenzsituation mit der sehr viel größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) geschuldet ist. Märkische Oderzeitung

Versammlungsfreiheit

Es gilt das Grundgesetz Gesetze altern und müssen ausgelegt werden, das ist die Aufgabe von Richtern. Das gilt auch für das Grundgesetz, wie die Bundesverfassungsrichter jetzt eindrucksvoll belegt haben. Frankfurter Rundschau

Raum der Freiheit Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Stärkung der Versammlungsfreiheit klingt so, als ob jeder überall dulden müsse, von Demonstrationen behelligt zu werden. Dabei will der ohnehin permanent von allen Seiten zugedröhnte Zeitgenosse mitunter nur unbeschwert konsumieren und reisen. FAZ

Guttenberg

Bewusstlose Wettertanne Doktorarbeiten sind vor allem eins: ein ökonomisches Problem. Sind sie fertig, sind sie zu wenig nütze. Trotzdem gibt es Regeln, an die sich Guttenberg nicht gehalten hat. Wenn das nicht schlimm ist, dann sollte der akademische Grad in Zukunft am Mensa-Eingang ausgegeben werden. Süddeutsche Zeitung

Jetzt kann Guttenberg zeigen, was er wirklich kann Karl-Theodor zu Guttenberg hat sein akademisches Scheitern umjubelt auf einer Wahlkampfveranstaltung bekannt gegeben. Die Niederlage wurde so zum Triumph. Die Welt

Ein Mann, kein Ehrenwort Einfach wegwischen will Karl-Theodor zu Guttenberg den „gravierenden handwerklichen Fehler“ in seiner Doktorarbeit. Doch nachdem der Verteidigungsminister sein Ehrenwort gebrochen hat, fehlt ihm die Glaubwürdigkeit. Kölner Stadt-Anzeiger

Vertrauen ist gut – aber kein Blankoscheck Unter dem Hinweis auf Umfragen hält Kanzlerin Merkel einen Rücktritt ihres „hervorragenden Verteidigungsminister“ nicht für nötig. Doch die Solidarität mit zu Guttenberg hat bei der CDU und in der Unionsfraktion Grenzen des Erträglichen – sollte er einer Lüge überführt werden. FAZ

„Solche Stürme hält man aus“ Es war Guttenbergs erster öffentlicher Auftritt seit Beginn der Schummel-Affäre. Im hessischen Kelkheim betrat er unter großem Jubel und der Musik von AC/DC die Bühne – um dann den Verzicht auf seinen Doktortitel zu verkünden. FAZ

Doktor weg, Lack ab Jetzt ist der Doktortitel weg. Nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer. Karl-Theodor zu Guttenberg hat die Notbremse gezogen. Letzte Ausfahrt Kelkheim. Bonner General-Anzeiger

Blenden ist alles taz

Guttenberg kommt mit Kratzern davon Karl-Theodor zu Guttenberg übersteht seine Plagiatsaffäre beim Volk fast ungeschoren. Er soll im Amt bleiben, die Doktorarbeit ist seine Privatsache – so die Mehrheitsmeinung in einer stern-Umfrage. Im Bundestag muss sich der Verteidigungsminister heute den Fragen der Opposition stellen. Stern

Fußnoten Die Kanzlerin sagt, sie habe Guttenberg nicht als Inhaber einer Doktorarbeit berufen. Klar ist: Ein im Amt bleibender, aber auf Normalmaß gestutzter Guttenberg wäre Frau Merkel am liebsten. Guttenbergs Entscheidung muss, wenn er sich treu bleiben will, allerdings auch Kriterien jenseits der reinen Koalitionsräson berücksichtigen. FAZ

König von Deutschland Was wurde es durchs mediale Dorf getrieben, das Mädchen von 17 Jahren, das neulich einen Bestseller schrieb und sich dabei eines Bloggers geistige Ergüsse zu eigen machte. Erinnert sich noch jemand an Helene Hegemann? Vergessen und vergeben, müsste man meinen, nun ist der nächste dran. Märkische Allgemeine

Arabische Welt

Muammar al-Gaddafi, der Fantast als Massenmörder Vier Jahrzehnte hielt Muammar al-Gaddafi seine Terrorherrschaft durch. Nicht zuletzt, weil der Westen heimlich von seiner Ästhetik fasziniert war. Die Welt

Wirklichkeitsverlust Gleich zweimal sprach Muammar el-Gaddafi am Dienstag zu seinem libyschen Volk, das inzwischen gar nicht mehr seines zu sein scheint. Ganze Landstriche sind offenbar in den Händen der Aufständischen. Märkische Oderzeitung

Alle Gewalt geht vom Diktator aus Die Opposition soll Teile des Ostens kontrollieren, an der Grenze zu Ägypten sprechen sie bereits von einem „freien Libyen“. In Tripolis ist davon nichts zu sehen – Gaddafi zeigt sich wild entschlossen, seine Herrschaft zu verteidigen. Süddeutsche Zeitung

Bruder Oberst, Befreiungsideologe, Erzterrorist Muammar Gaddafi ist in 41 Jahren von einem gefeierten Befreier zu einem in der Welt verhassten Diktator geworden. An seiner Macht hält er noch immer fest. Zur Not werde er als Märtyrer sterben, ließ er die Libyer nun wissen. FAZ

Letztes Gefecht eines alten Revolutionärs Gaddafi könnte man mit seiner pittoresken Amazonen-Garde, seinem Empfängen im Beduinenzelt, seinen Gewändern, Uniformen und Brillen, deren Provenienz irgendwo zwischen Armani und Atze Schröder liegt, als verrückten Diktator abtun. Aber er ist der letzte der Nationalrevolutionäre des 20. Jahrhunderts. Und die waren mal Hoffnungsträger. Doch nun wird der Revolutionär a.D. zum Opfer der Revolution. Süddeutsche Zeitung

Gaddafis Dunkelkammer Auslandstelefonate sind unmöglich, das Internet lahmt: Mit aller Macht will Libyen verhindern, dass Informationen über die Situation im Land nach außen dringen. Doch das System hat Lücken. Süddeutsche Zeitung

Libyens Drama in der Blackbox In Libyen gibt es kaum Korrespondenten. Schlimm ist nicht, dass die Live-Bilder fehlen, sondern dass der Westen die Massaker nicht verhindern kann. Zeit

Wer schützt nun die Libyer? taz

Endlich lässt der Westen Gaddafi fallen Wochenlang haben die demokratischen Regierungen Europas und die USA gezögert, den Sturz der Despoten im arabischen Raum zu fordern. Nun fällt – zum Glück für die Aufständischen – die diplomatische Schamgrenze. Deutschland gibt sich als Vorreiter. Financial Times Deutschland

Freund Gaddafi Es ist noch nicht lange her, da durfte der libysche „Revolutionsführer“ Gaddafi mitten in Paris und Rom sein Beduinenzelt aufschlagen. Jetzt hat die Regierung in Rom verhindert, dass ihm Sanktionen angedroht werden. Das zeigt, wie weit die EU noch von einer gemeinsamen Mittelmeer-Politik entfernt ist. FAZ

Zeit abgelaufen Die Europäische Union bietet angesichts der Lage in Libyen ein groteskes Schauspiel. Sie überlässt dem italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi das Wort. Bonner General-Anzeiger

Ausnahmezustand wird aufgehoben Libyens Nachbarstaat Algerien hebt den 1992 verhängten Ausnahmezustand auf. Aus Angst vor dem Verlust seiner Macht hatte Präsident Bouteflika die Maßnahme Anfang des Monats angekündigt. FAZ

Die Zukunft des Königs steht auf dem Spiel Immer lauter werden die Stimmen, die ein Ende der Dynastie der Al Chalifa in Bahrein fordern. Die Wifaq-Partei der Sunniten will eine konstitutionelle Monarchie durchsetzen. FAZ

Die schlagende Revolution Der Machtapparat im Iran ist viel cleverer aufgebaut als der in Ägypten. Demonstrationen allein treiben in Teheran niemanden in die Flucht. taz

Veto gegen sich selbst US-Präsident Obama verrät den eigenen Kurs. Gleichzeitig isoliert sich Israel, und Palästina denkt nur kurzfristig. All das ist verheerend für Nahost. Frankfurter Rundschau

„Nahost ist die Wildcard für den Ölpreis“ Die Krise auf den internationalen Getreidemärkten wird sich zuspitzen und der Ölpreis weiter steigen. Wirtschaftswoche

Europa lernt langsam Zum ersten Mal scheint sich die Europäische Union ernsthaft mit dem Gedanken zu befassen, dass an ihrem Südrand große Völker leben, die aus dem Norden mehr als schöne Worte erwarten. Frankfurter Rundschau

Die Kinder der Revolution Sind die Araber reif für die Demokratie? Tagesspiegel

Eurokrise

Schicksalsgemeinschaft Euro Die Euro-Krise ist von einer Lösung noch weit entfernt. Die dramatischen Ereignisse in Nordafrika haben sie in letzter Zeit nur überlagert, sodass der Eindruck entstand, mit den Staatsfinanzen von Griechenland & Co. komme allmählich schon wieder alles in Ordnung. Doch das Gegenteil ist der Fall. Berliner Zeitung

Euroländer haben den Ernst der Lage nicht erkannt Die Sorgen um die USA und Japan lenken die Investoren nur kurzfristig von den Problemen der Euroländer ab. Die EZB muss handeln. Die Welt

Von wegen automatisch In ziemlich genau einem Monat soll der EU-Gipfel jenes „Gesamtpaket“ beschließen, mit dem die EU den Befreiungsschlag aus der Schuldenkrise versucht. Seit einem Jahr werden die Regierungen von den täglichen Schwankungen der Spreads griechischer, irischer oder portugiesischer Anleihen getrieben. Sich aus dieser Klammer zu lösen, wird absehbar schwer. Börsen-Zeitung

Griechische Tragödie Die Ruhe war trügerisch. Nun haben Wirtschaftsforscher der EU die Probleme der Euro-Zone mit einem Paukenschlag zurück ins Bewusstsein geholt. Bonner General-Anzeiger

… one more thing!

Die Frauenquote ist falsch – eine Elternquote ist richtig Paare mit Kindern sind im Beruf wirklich benachteiligt. Von einer Mütter- oder Elternquote ist bei Bundesfamilienministerin Schröder aber nichts zu hören. Tagesspiegel

Leitartikel

Guttenberg und die Aussitzer Alle, die sich jetzt um Guttenberg aufbauen, werden Schaden nehmen. Wer wider bessere Einsicht diesem Minister die Verantwortung abnimmt, akzeptiert ihn als Maßstab für das eigene Handeln. Frankfurter Rundschau

Entlassen Um seine politische Karriere zu retten, hat Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg diesmal seinen eigenen Doktor entlassen. Damit mag er davonkommen. Die von ihm vertretenen Werte aber sind beschädigt. FAZ

Popularität und Täuschung Der Fluch der bösen Tat, die Guttenberg nicht gesteht, hat rasant zu einem Tiefpunkt der moralischen Verlotterung geführt. Sie habe ihn nicht als wissenschaftlichen Assistenten berufen, sagt Angela Merkel. Ach, wer hätte das gedacht? Tagesspiegel

Das Urteil der Bürger Nach den Regeln der Berliner Politik ist der Fall ziemlich klar. Karl-Theodor zu Guttenberg muss sich schwere Vorwürfe gefallen lassen. Doch die Bürger sagen bislang in allen repräsentativen Umfragen: Halt mal. Der Mann soll bleiben. Ganz gleich, wie die Schlacht um Guttenbergs Zukunft weitergeht – schon jetzt taucht sie den Graben zwischen Politbetrieb und Bürgern in ein grelles Licht. Bild

Glücksritterpolitik Die neue Botschaft von Berlin: Dreist sein zahlt sich aus. AZ

Tu Buße, Karl-Theodor! Ein Vergleich ist angebracht: zwischen dem Fehlverhalten von Frau Käßmann und Herrn zu Guttenberg. Die reuige Kirchenfrau tritt sofort von ihren Ämtern zurück, der gläubige Katholik eiert seit Tagen herum. Klar ist: Ihrer beider Fehler sind verzeihlich. Doch vor der Vergebung kommen das Schuldeingeständnis und die Buße. The European

Westerwelles Tabubruch Das tunesische Volk rebellierte, Europas Regierungen schwiegen. Mubarak wankte, Europas Regierungen hielten sich heraus. Bei Gaddafi lassen sie die Zurückhaltung endlich fallen – nicht zuletzt dank Außenminister Westerwelle. Financial Times Deutschland

If Not Now, When? Any road to democracy in the Arab world will be long and rocky. New York Times

Should we ‚celebrate‘ the Civil War? To be black and live in the South means making some concessions. You stop getting worked up over every Confederate battle flag car tag you see because if you don’t, you’ll only give yourself an ulcer. You also learn to accept that all history should be recognized and deserves some commemoration. USA Today