NSU-Prozess, Rechtsextremismus, Baden-Württemberg, Euro & Russland

Furchtbare Gerichtsbürokraten Beim NSU-Prozess herrscht ein Mangel an Sensibilität, das Vertrauen in den Rechtsstaat wird weiter untergraben. Frankfurter Rundschau

Angst vor Videoübertragung ist überflüssig NSU-Prozesssaal Der Münchner Gerichtssaal für den NSU-Prozess ist viel zu klein. Viele Medien müssen draußen bleiben. Trotzdem lehnt die Justiz eine Übertragung in einen Nebenraum ab. Bei der Begründung klingt der Horror vor einem Schauprozess durch. Doch der ist unbegründet. Süddeutsche Zeitung

Die Justiz blamiert sich Es gibt genug Beispiele, wie mit internationalem Presseandrang umzugehen wäre. Dass das ausgerechnet beim NSU-Prozess nicht gelingen soll, ist peinlich. taz

In der Dunkelkammer Ein Gericht stößt an seine Grenzen – noch bevor der Prozess überhaupt begonnen hat: Wenn in drei Wochen vor dem Oberlandesgericht München das Strafverfahren gegen mutmaßliche Terroristen und Terrorhelfer des Neonazi-Netzwerkes „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) eröffnet wird, bleibt die Türkei nach dem Stand der Dinge gewissermaßen außen vor. Dieser Aspekt ist wesentlich, weil acht der zehn Mordopfer der NSU türkische oder türkischstämmige Kleinhändler waren. Bonner General-Anzeiger

Wie in einer Bananenrepublik Es ist eine Blamage mit Ansage: Zum ersten Eklat im Vorfeld kam es bereits, weil weder der türkische Botschafter noch der Menschenrechtsbeauftragte des türkischen Parlaments feste Plätze im Gerichtssaal erhielten. Märkische Oderzeitung

Mehr Fingerspitzengefühl! Wenn es wirklich will, kann es türkische Medienvertretern einen festen Platz im Saal anbieten. Auch eine Simultanübertragung für alle angemeldeten Journalisten muss möglich sein. WAZ

Münchens Kampf mit dem NSU-Prozess Neuer Eklat vor dem NSU-Prozess in München: Sämtliche türkische Medien müssen vor der Tür bleiben – es gibt zu wenige Sitzplätze im Saal. Warum sucht sich das Oberlandesgericht München keinen größeren Raum? Warum darf Radio Arabella rein und „Hürriyet“ nicht? Und warum wird der Prozess nicht einfach übertragen? Süddeutsche Zeitung

NSU-Mitglied wider Willen Eine Namensliste mit 129 Personen mutmaßlicher Neonazis aus dem Umfeld der NSU sorgt für Verwirrung. Denn bisher haben neben dem Terror-Trio Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt nur 13 Personen den Status von Beschuldigten oder Angeklagten. Woher kommt diese Diskrepanz? Süddeutsche Zeitung

Rechtsextremismus

Autoritätsgläubiger Antifaschismus Die Deutschen sind sich in der Ablehnung des Schmuddelvereins NPD und seiner Ziele so einig wie bei kaum einem anderen Thema. Doch bei der Förderung von Organisationen gegen Rechtsextremismus und Rassismus fremdelt die Bundesregierung. Es wird Zeit, das zu ändern. Frankfurter Rundschau

Wenn Rechtsextreme ohne Führerschein fahren Ob Ladendiebstahl oder Volksverhetzung: Jede Straftat bekannter Rechtsextremisten wird in Nordrhein-Westfalen inzwischen vom Verfassungsschutz erfasst. Nun gibt es Ergebnisse – und Kritik am Sinn des Projekts. Süddeutsche Zeitung

Die Gefahr von rechts im Fokus NRW-Innenminister Ralf Jäger gehört zu den Politikern, denen man nicht nachsagen kann, auf einem Auge blind zu sein. Die jetzt vorgelegten Zahlen zum Rechtsextremismus und ihre Interpretation belegen seine Entschlossenheit. Kölner Stadt-Anzeiger

Richtig – und überfällig Was Innenminister Ralf Jäger verkündete, war alles, nur keine Überraschung. Wer menschenverachtend eingestellt ist, und das sind Neonazis, dürfte ganz allgemein niedrigere Hemmschwellen haben. WAZ

Baden-Württemberg

Zündeln in der Konfliktkoalition 70 Prozent der Baden-Württemberger stehen hinter dem ersten grünen Ministerpräsidenten Deutschlands. Doch Winfried Kretschmanns grün-rote Koalition ist zerstritten. Die Keilerei um Stuttgart 21 hört nicht auf. Verglichen mit dieser SPD sind die Grünen halt doch noch eine Protestpartei. Süddeutsche Zeitung

Letzte Hoffnung Staatsgerichtshof Als die grün-rote Koalition vor einem Jahr die Idee zu einer Landesverfassungsbeschwerde hatte, kam das recht unverhofft. Er habe nicht den Eindruck, „dass uns in den vergangenen Jahren etwas gefehlt hat“, bruddelte der CDU-Abgeordnete Bernd Hitzler im Landtag. Stuttgarter Zeitung

Schluss mit den sinnlosen Staatsausgaben Statt die Staatseinnahmen sinnvoller einzusetzen, werden nun wieder leistungsfeindliche Steuererhöhungen diskutiert. Dabei müssten sinnlose Ausgaben gestoppt und die Belastungen verringert werden. Die Welt

Kretschmanns ideologische Verblendung Die Wutbürger im Ländle haben bald wieder zu tun. Die grün-rote Regierung setzt auf die Gemeinschaftsschule: Doch die Realschulen wehren sich vehement gegen ihre Abschaffung. Die Welt

Euro

Von Zwischenstopps und Zwischenhändlern Ein bisschen Korruption, ein wenig Wegsehen, eine Prise Größenwahn – Zyperns fatales Geschäftsmodell entstand nicht aus dem Nichts. In der abzuwickelnden Laiki Bank üben sich Bankmitarbeiter in Zynismus. Andere empfehlen künftigen Krisen-Ermittlern, die letzten Käufe griechischer Staatsanleihen unter die Lupe zu nehmen. FAZ

Wirtschaftlich ergibt die D-Mark keinen Sinn mehr Anders als mit einer Sehnsucht nach Überschaubarkeit ist die D-Mark-Nostalgie vieler Deutscher nicht zu erklären. Für die Unternehmen hätte die Rückkehr zur alten Währung katastrophale Folgen. Die Welt

Sicheres Geld Viele Menschen glauben immer noch, eine Bank sei ein Ort, an dem die Einlagen der Kunden in einem sicheren Tresor aufbewahrt werden. Sie irren sich, wie Zypern anschaulich zeigt. FAZ

Testlauf für die europäische Bankenaufsicht Die EZB wird die Banken der Euro-Zone erst ab 2014 überwachen. Im Fall Zyperns hat sie aber schon einmal angedeutet, wohin die Reise gehen wird. NZZ

Zwei Hüte für einen Minister Jeroen Dijsselbloem leitet die Sitzungen der Euro-Finanzminister. Und er ist Minister in den Niederlanden. Den Spagat zwischen seinen beiden Rollen beherrscht er noch nicht. FAZ

Zypern als Blaupause EU-Währungskommissar Dijsselbloems Worte waren wohl doch ein Testballon: Zypern wird zum Versuchslabor für eine neue, nur scheinbar gerechtere Form der Eurorettung. taz

Untergangsstimmung in Ungarn Während ganz Europa nach Zypern blickt, krempelt Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán sein Land weiter um. Ungarn entwickelt sich zum größten Problemfall Europas – politisch wie wirtschaftlich. Wirtschaftswoche

Zaghafte Reformen reichen für den EU-Klubausweis Auf 15 knappen Seiten stellt die Europäische Union Kroatiens angebliche Beitrittsreife fest. Tatsächlich leidet das Land unter seiner rückständigen Wirtschaft, einer kaum funktionierenden Justiz und ist geprägt von Klientelismus und Korruption. Doch auch der Bundestag als letzte mächtige Instanz wird dem Weg Zagrebs in die EU zustimmen. Süddeutsche Zeitung

Ein „lateinisches Reich“ gegen die deutsche Übermacht Der italienische Philosoph Giorgio Agamben beruft sich erneut die Idee einer Union der südlichen EU-Ländern, wie sie schon Alexandre Kojève 1945 vorgedacht hatte. So könnte auch die Übermacht des in der EU politisch dominanten Deutschlands ausgeglichen werden. Libération Paris

Razzien gegen NGOs in Russland

Moskau erfindet neue Staatsfeinde Russland geht mit Razzien gegen in- und ausländische Nichtregierungsorganisationen vor. Die Regierung schafft damit ein Klima von Angst und Misstrauen. FAZ

Putin auf nationalpatriotischem Kurs Das Vorgehen gehen russische Nichtregierungsorganisationen und andere Oppositionelle ist Folge einer nationalpatriotischen Wende der russischen Politik. Doch dieser Kurs wird immer mehr zum Problem für die Führung selbst. Tagesspiegel

Feinde des russischen Staates Organisationen der Zivilgesellschaft sollen in Russland diskreditiert und eingeschüchtert werden. Sie sind für den Kreml Feinde – und verdienen keinen Respekt. taz

Das Echo der Diktaturen Der Druck auf die im Ausland arbeitenden parteinahen Stiftungen wächst. Der Verdacht ist dabei stets der gleiche: Den Deutschen wird unterstellt, sich in die Innenpolitik einzumischen. Süddeutsche Zeitung

Russen spielen mit dem Vertrauen in die Demokratie Mitarbeiter ausländischer Organisationen gelten in Russland als „Agenten“ und werden entsprechend unsensibel behandelt. Die deutsche Regierung muss reagieren und mahnende Töne an den Kreml richten. Die Welt

Diktatur Noch gibt es eine legale politische Opposition in Russland. Aber die Durchsuchungen bei Memorial, Amnesty International und deutschen Parteistiftungen zeigen, wohin die Reise geht. FAZ

…one more thing!

434 Millionen Euro für die Parteien Einnahmen von knapp einer halben Milliarde Euro: Bundestagspräsident Lammert hat jetzt die Rechenschaftsberichte der Parteien von 2011 vorgestellt. Die höchsten Einnahmen hat die SPD, die höchsten Spenden haben CDU und CSU. Süddeutsche Zeitung

Leitartikel

Im NSU-Prozess fehlt das Gespür Nicht nur deutsche Journalisten sollten über den NSU-Prozess berichten können, sondern gerade auch türkische und griechische: Der Staat, der die Opfer nicht schützte, muss den Angehörigen ermöglichen, sich aus erster Hand in ihrer Muttersprache zu informieren. FAZ

In Putins Feindbild geraten Die offene Demokratiefeindlichkeit des russischen Präsidenten subsumiert die SPD unter Demokratiedefizit. Inzwischen muss man fragen, wer sich hier wem genähert hat. Frankfurter Rundschau

Hollande in Not Massenarbeitslosigkeit, erstarkende Rechtsradikale und Hetzparolen gegen den jüdischen Finanzminister. In Frankreich spitzt sich die Lage zu, vor allem die Rechte wird lauter. Nur einer schweigt: der Präsident. Handelsblatt

Auf der Suche nach neuen Wirtschaftsregeln Wenn ein Land umweltschädlich produziert oder zur Steueroase wird, schadet es damit der globalen Wirtschaft. Auf dem Weltsozialforum suchen Aktivisten nach Alternativen – und haben wichtige Ideen hervorgebracht, die Finanztransaktionsteuer etwa. Doch die Herausforderungen sind gewaltig. Süddeutsche Zeitung

Eine wichtige Geste! Das darf doch wohl nicht wahr sein! Kein Platz für türkische Journalisten! BILD

Caution, Curves Ahead There is a strong argument for everyone doing more to end the Syrian civil war, but satisfactory answers are needed first to some crucial questions. New York Times

Medicaid expansion fight harms you Our view: GOP governors lead the resistance at the expense of their poorest residents, their state’s hospitals and their own state budgets. USA Today

Rick Perry: Don’t expand Medicaid Federal dollars don’t come free. USA Today