Bahnchef Mehdorn, Gipfel-Woche & Finanzmärkte

Hartmut Mehdorn ist so bekannt und verhasst wie nur Josef Ackermann. Dutzende Male schon sägte man am Stuhl des Bahn-Chefs. Wohl ist er kein Diplomat und hat den Bogen überspannt, was Misstrauen und Kontrolle im eigenen Konzern anbelangt, um die Korruption zu bekämpfen, aber auch Druck auszuüben. Hat er sich bereichert? Nein, er wollte nur erfolgreich sein. Heute legt er die Gewinnzahlen vor. Dann kann der Mohr gehen. Ist er erst weg, wird man ihn schnell vermissen. Welt

Alle reden von Rücktritt. Er nicht.
Hartmut Mehdorn, das hat der streitbare Chef der Deutschen Bahn am Wochenende erneut klar gemacht, denkt nicht daran, die Konsequenzen aus dem immer monströseren Datenskandal in seinem Unternehmen zu ziehen. Frankfurter Rundschau

Lange standen Kanzlerin Merkel und die Union hinter dem sturen Bahnchef Hartmut Mehdorn – nun könnte das gefährlich werden. Süddeutsche Zeitung

Vorhang auf für die Woche der internationalen Brüderlichkeit: Weltfinanzgipfel in London, Nato-Feierlichkeiten und das Treffen der EU mit dem amerikanischen Präsidenten – Gipfel folgt Gipfel in dieser Woche. Doch die Krise scheint nicht alle bis zur Unkenntlichkeit zusammenzuschweißen. Frankfurter Allgemeine

Es scheint, als könne die Bundesregierung dem Nato-Gipfel Ende dieser Woche gelassen entgegensehen. Endlich haben sich die Amerikaner in weiten Teilen den deutschen Ansatz zu eigen gemacht. Der zivile Aufbau rückt ins Zentrum der Nato-Mission. Doch gerade dadurch gerät Deutschland unter Zugzwang. Die Bundesregierung muss die Frage, welche Ziele sie in Afghanistan mit welchen Mitteln verfolgt, dringender denn je beantworten. Financial Times Deutschland

Obamas neue Afghanistan-Strategie stellt Europa aber vor eine noch größere Herausforderung – auf dem zivilen Gebiet, das Deutsche und andere Europäer bisher als ihre Paradedisziplin betrachteten und wo sie den Amerikanern Versäumnisse vorhielten. Wenn Obama seine Zusagen wahrmacht und Heerscharen von Ingenieuren, Agrarexperten, Lehrern und Verwaltungsfachleuten nach Afghanistan schickt, um den zivilen Aufbau voranzutreiben, und dafür Milliarden bereit hält, stellt er Europas Beitrag auch da in den Schatten. Tagesspiegel

Wer hoch pokert, muss irgendwann seine Karten aufdecken. Wenn er Pech hat, kommt dann raus, dass er geblufft hat. So ähnlich könnte es diese Woche den Europäern und ihrem angeblich vorbildlich umfassenden Ansatz in Sachen reformierter Regulierung und Aufsicht der Finanzmärkte gehen. Handelsblatt

Zu kritisieren ist also weniger das Handeln in objektiv schlechten Zeiten als vielmehr die fehlende Vorsorge in den guten. Seit 1973 und damit in 35 Jahren waren die Zeiten nie so gut, dass sie für den Abbau von Schulden hätten genutzt werden können. Die Schuldenquote kann sich nur im Wechsel von Schub und Stagnation entwickeln. WAZ

Die Finanzkrise ist zur Krise des kapitalistischen Systems
geworden – und die Debatte darüber, dass der „Normalbürger“ nun die Zeche für die Pleitebanker zahlen soll, wird so schnell nicht mehr verstummen. Gerechtigkeit erhält einen neuen Stellenwert. Warum etwa drängt die Regierung Merkel nicht darauf, dass die dank Steuermitteln geretteten HRE- oder Commerzbanker nicht mehr verdienen als etwa – gut dotierte – Angehörige im öffentlichen Dienst? Märkische Oderzeitung

Selten hat es so schlechte Geschäfte gegeben. Aber der Einstieg des Bundes in die Hypo Real Estate ist ohne Alternative. Frankfurter Allgemeine

Anders als die Eigentümer, die mit ihrem Eigentum für Fehlentscheidungen einstehen müssen bis hin zum Konkurs, stehen die Manager für gar nichts ein. Im Gegenteil, sie bereichern sich noch nach ihrem Versagen. Es gibt Boni selbst für Mali, viel gutes Geld für miserable Leistung. Süddeutsche Zeitung

Wir erleben derzeit eine fundamentale Sinnkrise, die das Ende des Finanzkapitalismus markiert. Statt an kurzfristigen Kennzahlen müssen sich Unternehmen an Kunden, Mitarbeitern und der Gesellschaft orientieren, so Porsche-Chef Wendelin Wiedeking in der Financial Times Deutschland

Leitartikel

Europa ist eine schöne, mit Patina überzogene Kulisse für Gipfeltreffen. Doch Obama geht es um mehr, viel mehr. In London hat er die Mächtigen der Welt vor sich, wenn er beim Treffen der G 20 nach Wegen aus der akuten Wirtschaftskrise sucht. … Mit den Aktienkursen an der Wall Street ist nicht nur das US-Sozialprodukzt eingebrochen, auch das Leitbild eines weltweit regierenden Kapitalismus nach angelsächsischer Prägung geriet in Misskredit. Amerika ist und bleibt zwar stärkste Macht der Welt – aber es wirkt schwächer denn ja. In dieser Lage besitzt Amerika nur einen Trumpf: eben ihn, den Präsidenten. Obamas Antlitz ist längst zur Projektionsfläche globaler Heilswünsche geworden. Süddeutsche Zeitung (Print)

In der Finanzkrise bleiben die Demonstrationen überschaubar. Die Bevölkerung ruft nicht nach einem Systemwechsel. Sie setzt auf die Verlässlichkeit von Staat und Politik. Frankfurter Rundschau

Die Manager der Dresdner Bank haben der Politik einen großen Gefallen getan. Gipfel vor dem Gifel, meint die WAZ

Es ist ja nicht so, dass Angela Merkel keine Gefühle zeigen könnte. Geradezu entsetzt gab sich die Kanzlerin etwa über die Nonchalance, mit der sich Bankmanager in der Krise noch Boni leisteten, und appellierte an die Moral der Manager. Financial Times Deutschland

Die SPD hat die Linkspartei in die große Polit-Waschmaschine gesteckt.
Das Ziel: Aus Honeckers Erben werden lupenreine Demokraten. BILD

Was hatten die Grünen nicht nach der letzten Bundestagswahl frohlockt ob der vermeintlichen Aussicht, in einer Schlüsselposition zu stehen. In einem Dreierbündnis gehe kein Weg an ihnen vorbei, so wurde damals dargelegt. Grüne Koalitionsakrobatik kommentiert die FAZ (Print)

Sie (liebe Schweizer) ärgern sich über Peer Steinbrück. Zu Recht. Wir müssen mit ihm leben. Ich bin ein deutscher Patriot. Aber lieber wäre ich Indianer. Wirtschaftswoche

Even Gordon Brown’s trip to Strasbourg cannot disguise Britain’s structural problem with Europe. Economist