Afghanistan-Gipfel, Atom- und Sozialpolitik, Oskar Lafontaine und die Linke

Der blinde Spiegel der Soldaten. Die SPD hat die deutschen Soldaten nach Afghanistan geführt. Sie hat also die Pflicht, sie auch wieder hinauszuführen. Das nennt man Garantenpflicht; sie ergibt sich aus vorangegangenem gefährlichen Tun … Die SPD erfüllt diese Pflicht nun spät, aber immerhin. Süddeutsche Zeitung (Print)

Außenminister Guido Westerwelle hält es für eine gute Idee, Afghanen, die zu den radikalislamischen Taliban gewechselt sind, Geld zu bieten. Dafür sollen sie der Gewalt abschwören. Es ist eine teure Idee, welche die Hilflosigkeit des Westens im Umgang mit afghanischen Gegebenheiten offenbart. Märkische Oderzeitung

Guido Westerwelle will die Taliban mit Geld ruhigstellen. Das ist nicht nur abwegig, sondern geradezu naiv. Sein Vorhaben ist das Eingeständnis, dass der Wiederaufbau gescheitert ist. Die Welt

Wie soll in Afghanistan ein Aussteigerprogramm funktionieren? Jeder Kämpfer, der sich von wirtschaftlichen Versprechen locken ließe, müsste damit rechnen, getötet zu werden. Solange Sicherheitskräfte die Kontrolle nicht weitgehend wiedererlangt haben, ist es eine Illusion zu glauben, ein Aussteigerprogramm könne dem Terrorismus Einhalt gebieten. Badische Zeitung

Auch wenn Geheimdienstler die Stirn in Falten legen und Skepsis äußern – Guido Westerwelles Vorschlag, Taliban-Kämpfer mit einem Aussteigerprogramm vom Terror loszukaufen, ist einen Versuch wert. Hannoversche Allgemeine Zeitung

Atompolitik

Kein atomares Bauernopfer. Dass auch die ältesten Meiler Biblis A und Neckarwestheim 1 erst einmal vor dem Abschalten gerettet werden, ist zum großen Teil Schuld der laschen rot-grünen Atom-Ausstiegsgesetze. Die Welt

Rote Karte für den Energiewandel. Die Nachricht ist ein Schlag ins Gesicht aller Atomkraftgegner: Die Bundesregierung will vorerst alle 17 deutschen Kernkraftwerke weiterlaufen lassen. Nürnberger Nachrichten

Die Regierung hat mit Beschlüssen, die von nackter Lobby-Politik tatsächlich nur schwer zu unterscheiden sind, schon jetzt viel Glaubwürdigkeit verspielt. […] Wenig hilfreich ist freilich auch die Bürgerkriegs-Rhetorik der Grünen. Blockaden machen Kraftwerke nicht sicherer – und selbst die heißeste Schlacht am Reaktorzaun löst kein Energieproblem. Nürnberger Zeitung

Sozialpolitik

Familienministerin Kristina Köhler will die Vätermonate beim Elterngeld verlängern – und kein Konservativer jault auf. Der Plan könnte trotzdem scheitern. Süddeutsche Zeitung

Wickelvolontariat! Laut verspotteten CSU-Patriarchen den Plan der Familienministerin Ursula von der Leyen, an zwölf Monate Elterngeldzahlung zwei Vätermonate anzuhängen. Das konservative Weltbild wankte. Inzwischen wissen die Wickelgegner von einst, dass die Mehrheit für die konservativen Volksparteien wankt, wenn sie sich der Wirklichkeit des Lebens verweigern. Berliner Zeitung

Das muss die Anhänger des alten Familienbilds provozieren. Sie pochen auf das versprochene Betreuungsgeld für jene Mütter, die ihre Kinder zu Hause erziehen. Ohne eine Lösung für den koalitionsinternenen Streit um das unheilvolle Betreuungsgeld wird die neue Ministerin ihre Änderung beim Elterngeld deshalb kaum durchbringen. Tagesspiegel

Dieser Modernisierungskurs ist rational – sogar für die Union. Laut einer großen Männerstudie des Sinus-Instituts möchten auch Männer, die sich als klassische „Familienernährer“ sehen, mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen und stehen den Vätermonaten positiv gegenüber. Sie empfinden es als ungerecht, dass ihre Chefs dies aber oft nicht zulassen. taz

Die Linke

Ohne Lafontaine funktioniert Rot-Rot. Lafontaines persönliche Vendetta gegen seine frühere Partei endet mit seinem Abgang. Jetzt haben die SPD und die Linke endlich die Chance, inhaltliche Gemeinsamkeiten auszuloten. Die Welt

Im Grunde hat die Linkspartei Glück. Kein Zeitpunkt hätte günstiger sein können, um die Eruptionen auszuhalten, die der Rückzug von Oskar Lafontaine auslöst. Die nächste Bundestagswahl ist weit. Berliner Zeitung

Auch Einsilbigkeit kann viel sagen. Wenn der Vorsitzende der SPD auf die Frage, ob sich für seine Partei an diesem Wochenende strategisch etwas geändert habe, „gar nichts“ antwortet, dann ist es wie oft in der Politik: Das Gegenteil stimmt. Badische Zeitung

Bevor jetzt also über Rot-Rot im Bund fantasiert wird, sollte die SPD erst einmal an ihrem Profil arbeiten. Die Wähler wollen ernsthafte Antworten, nicht populistische Versprechen, wie sie bei den Linken üblich sind. Berliner Morgenpost

Erstens wissen Freund und Feind, dass die Linkspartei ohne Oskar Lafontaine ein reines Ost-Phänomen wäre. Zweitens erwarten linke SPD-Leute ebenso wie externe Beobachter, dass rot-rot-grüne Bündnisse im Westen ohne ihn einfacher werden. Kölnische Rundschau

Es ist die Ironie der Geschichte: Ausgerechnet Lafontaine, bei den SPD-Bossen verhasst und als Koalitionspartner gemieden, tut seiner alten Partei etwas Gutes – wenn auch ungewollt. Ohne ihn dürfen die Sozialdemokraten wieder von der Macht träumen. Handelsblatt

Gut 100 Tage vor der Wahl in Nordrhein-Westfalen stellt sich zumindestens im Westen der Republik die Frage: Wie fest ist die Verankerung der Links-Partei im politischen Spektrum? Beginnt der Wähler-Exodus zur guten alten Tante SPD? Bonner General-Anzeiger

Napoleon zurück zur Saar. Man kann es sich noch nicht so recht vorstellen, wie Politik funktionieren sollte, ohne dass Oskar Lafontaine dazu etwas sagt. Sein Abgang zählt zweifellos zu den bedeutsamsten Personalien der letzten Jahrzehnte. Märkische Allgemeine

Leitartikel

Lafontaines Schatten. Bisher hat sich die Linke mitunter auch hinter ihrem Vorsitzenden versteckt. Jetzt muss sie ohne ihn eine Identität finden, die aus mehr besteht als einem vielfachen „Nein“. Frankfurter Rundschau

Linke-Mitschöpfer Lafontaine hinterlässt mit seinem Rücktritt eine Partei, die von ihrem Zenit aus abwärts schaut. Doch für die SPD kommt der Abgang des Rächers zu spät. Süddeutsche Zeitung

Oskar Lafontaine hat immer polarisiert, die letzten 30 Jahre war das so. […] Er ist aktuell der große Neinsager, darin ganz anders als die andere linke Epochenfigur, Joschka Fischer, der die Grünen mit der Realität versöhnte. Versöhnung war in den vergangenen Jahren wirklich nicht Lafontaines Antrieb, sondern: Rache. Und der alte, sehr persönliche Impuls zu zeigen, dass er als einziger weiß, was richtig ist. WAZ

Linke und SPD bleiben auf Distanz. Nach dem angekündigten Rückzug von Linken-Chef Oskar Lafontaine wollen Nachwuchspolitiker von SPD, LInken und Grünen die „Kämpfe der Alten“ beenden. Die Parteispitzen machen aber nicht mit. Tagesspiegel

Chance für die Linke. Der AZ-Politikredakteur Markus Jox über die Linkspartei nach Oskar Lafontaine. Abendzeitung

Der Preis der Verschiebung. Leitartikel Der Umweltminister will den Atomausstieg verzögern und an erneuerbare Energien koppeln – den Ideologen in der Union und Umweltschützern wird der Plan sicherlich nicht gefallen. Doch er ist richtig. Financial Times Deutschland

Auf dem linken Auge blind. Rock gegen links“, ist so etwas denkbar? Streetworker, die Jugendliche in öffentlichen Projekten davor bewahren wollen, in die linksextreme Gewaltszene abzudriften? Die Welt

Kristina Köhler (CDU) möchte mehr Väter dazu bewegen, im Beruf zu pausieren. Verdient der Vater deutlich mehr als die Mutter, dann führt diese Arbeitsteilung zu einem finanziellen Verlust. Aber das stört „Super-Nanny“ Köhler nicht. Ihr geht es ums Prinzip. Eine Frage, Frau Ministerin: Warum sind Ihnen „Mama-Kinder“ weniger wert als „Väter-Babys“? BILD

Glanz oder Gemurkse. Roland Tichy über den Stil von Merkel und Obama. WiWo

Friedhof der Supermächte. Afghanistan: Der 200-jährige Krieg. SPIEGEL

Mr. Inflation. Der Mann, der unser Geld entwertet. Wie US-Notenbank-Chef Ben Bernanke die weltweite Teuerung anheizt. FOCUS

Geithner Must Go. The first casualty of Obama’s political debacle will likely be Timothy Geithner, the severely over-confident treasury secretary well-known as a lapdog of Wall Street. The Nation

Europe and an inscrutable China. The European Union gets more realistic about China—and China gets more realistic about the EU. Economist