Norwegen, Euro-Krise, US-Schuldenkrise, Somalia & München 21

Die Tat und ihre Propaganda Durch seine monströse Tat hat der Massenmörder globale Beachtung erzielt. Die Wirkung wäre in seinen Augen ungleich geringer, wenn sein Manifest keine Öffentlichkeit fände. In der Haft fordert der Norweger nicht etwa Zigaretten oder besseres Essen, sondern seinen Computer. Sollte man nun über den Fall lieber schweigen? Falls ja, was geschähe danach? Süddeutsche Zeitung

Soziale Kontrolle Die Überlegungen, ob es besser ist, Außenseiter in radikale Parteien einzubinden, sind politisch höchst brisant. Wie weit müsste sich eine Partei verbal radikalisieren, um solche Irrsinnigen zu halten? Wem die Radikalen zu lasch sind, der ist ein Fall für den Staats- und Verfassungsschutz. FAZ

Gewalt im Christentum Der norwegische Terrorist Anders Behring Breivik hat sich als konservativer Christ bezeichnet und auch damit seine Gewalttat begründet. Das hat Tradition. Frankfurter Rundschau

Breivik und Broder Aggressiven Antiislamismus verbreiten auch deutsche Publizisten. In Mithaftung für die Mordtat von Oslo sind sie nicht zu nehmen. Aber verbale Abrüstung wird dringend empfohlen. Frankfurter Rundschau

Fußfesseln für Blogger! Es gibt Dinge, auf die kann man sich verlassen. Auf deutsche Innenpolitiker zum Beispiel. Genauer: auf ihren Mut, sich bei jeder passenden Gelegenheit der Lächerlichkeit preiszugeben und zu offenbaren, dass man a) völlig ahnungslos, b) rührend hilflos oder c) beides auf einmal ist. taz

Stoltenberg lässt Rolle der Polizei untersuchen Der norwegische Ministerpräsident lässt den Polizeieinsatz während der Anschläge überprüfen. Die Polizei konnte den Attentäter Breivik erst nach einer Stunde stellen. ZEIT

Mit den richtigen Worten und dem richtigen Ton IM PROFIL: Regierungschef Jens Stoltenberg erweist sich nach den Attentaten als Glücksfall für Norwegen. Badische Zeitung

Violent „Counter-Jihadism“ Like many of the violent jihadists he so feared, the man responsible for last week’s attacks in Norway seems to have been radicalized via the Internet. Foreign Affairs

Euro-Krise

Fordern statt fördern Der Investitionsgipfel von Wirtschaftsminister Rösler lässt den angekündigten Marshall-Plan der Bundesregierung zur Griechenland-Hilfe verdampfen. Was wie ein Angebot wirkte, ist lediglich eine – weitere – Forderung. Frankfurter Rundschau

Was Griechenland hilft – und was nicht Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) will einen Marshallplan für Griechenland, Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) setzt auf Sanktionen – das eine klingt gut, das andere wirkt. Tagesspiegel

Ein Job für die EU Die ganze europäische Wirtschaft braucht ein Strukturprogramm taz

Europas Mezzogiorno Die Italiener zeigen sich zufrieden mit der letzten europäischen Rettungsaktion für Griechenland: Man hofft, dass im Euroland die Gefahr eines Dominoeffektes mit Spekulationswellen gegen weitere Mitglieder der Währungsunion gedämpft wurde. FAZ

Die Finanzkrise geht weiter – und weiter Hat das neue Rettungspaket für Griechenland alle Probleme gelöst? Das hoch verschuldete Italien zeigt: nein. Von Entspannung keine Spur. Bei den Anlegern steigt das Angstbarometer – und auch die Deutsche Bank misstraut offenbar Italien. Süddeutsche Zeitung

Italien braucht eine Regierung Berlusconis Koalition ist mit mehr sich selbst beschäftigt anstatt sich um die wichtigen Fragen zu kümmern. Augsburger Allgemeine

Der Fluch der vielen Puffer Seit Ausbruch der Finanzkrise sind wir besessen davon, Risiken zu minimieren. Doch die immer neuen Absicherungen schmälern auf Dauer unseren Wohlstand, weil viel Geld und Ressourcen ungenutzt bleiben. Financial Times Deutschland

Gespaltene Konjunktur Deutschland genießt eine weiter recht solide Konjunktur. Im Gegensatz dazu schleppen sich die Krisenländer am Rande der Eurozone dahin. Es breitet sich Verzweiflung aus. Zusätzlich kompliziert wird die Lage durch die Inflation. FAZ

Risiken für die Konjunktur Die gegenwärtige Delle bei der Konjunkturentwicklung bietet immerhin die Chance, sich schon mal auf magerere Zeiten einzustellen. Schließlich kann es nicht ewig so rasant weitergehen wie in den letzten beiden Jahren, in denen die Wirtschaftsforscher permanent ihre Prognosen nach oben korrigiert haben. Märkische Allgemeine

US-Schuldenkrise

Just do it, Barack! US-Präsident Obama lässt sich von ein paar Radikalen bei den Republikanern vorführen. Er sollte das nicht hinnehmen – sondern eigenmächtig durchgreifen. Financial Times Deutschland

Das System versagt Konfrontation statt Kooperation: Amerikas Demokratie ist auf Ausgleich angelegt – aber im Streit um die US-Schuldengrenze verweigern sich die Republikaner völlig, und zwar aus ideologischen Gründen. Ihre Unnachgiebigkeit könnte den USA noch weitaus größere Probleme bescheren als die Schuldenkrise. Süddeutsche Zeitung

Schockwellen Yes, we can! Das war die Parole, mit der Barack Obama antrat. „Wir“ meinte auch die Gemeinschaft der Amerikaner. Deren Stärke war schon traditionell, bei allem Streit am Ende doch einen für Demokraten wie Republikaner akzeptablen Kompromiss zu finden. Nordwest Zeitung

The Road to a Downgrade A short history of the entitlement state. Wall Street Journal

Somalia

Somalias Elend Es war schon immer hart, in Somalias Sand- und Steinwüsten zu leben, und die Zeiten wechselten schnell zwischen einfachstem Auskommen und äußerstem Mangel. Aber was in den vergangenen 20 Jahren der Bevölkerung dieses Landes widerfuhr, übersteigt die Vorstellungskraft des normalen Europäers vollständig. Berliner Zeitung

Wie Somalia wirklich zu helfen ist Somalia, das wird angesichts der täglichen Hungerbilder in internationalen Medien derzeit oft vergessen, ist eigentlich Lebensmittelexporteur. Ziel der internationalen Hungerhilfe muss sein, die produktiven Kräfte Somalias freizusetzen. Groß angelegte internationale Hilfsaktionen mit Flugzeugen und spektakulären Verteilungsaktionen hingegen führen in die Irre. taz

Tödliche Verzögerung Es ist ungeheuerlich, was die kenianischen Behörden seit Montag veranstaltet haben: Wegen angeblich unkorrekter Deklarierung hielt der Zoll Nahrungsmittel fest, die für somalische Kinder bestimmt waren. Als ob die Versorgung der Hungernden nicht schwierig genug wäre. FAZ

Hungertod der Kinder kommt einer Ermordung gleich Gewarnt wurde rechtzeitig. Trotzdem müssen elf Millionen Menschen in Afrika wegen der extremen Dürre den Hungertod fürchten. Ist die Katastrophe noch abwendbar? Die Welt

Erdnusspaste für die Hungernden Die erste Maschine mit Hilfslieferungen für die hungernden Menschen Somalias ist am Flughafen in Mogadischu gelandet. Doch während die Flugbrücke für Tausende unterernährte Kinder eine Chance auf Leben bedeutet, kann sie nur der Anfang der internationalen Hilfe sein. Denn die Lieferungen per Flugzeug sind ineffizient – und für die Hungernden in Ostafrika wird die Zeit knapp. Süddeutsche Zeitung

Unter Einsatz aller Kräfte Unzählige hungernde Menschen flüchten kreuz und quer durch Ostafrika, um an einen Ort zu gelangen, an dem es Nahrung gibt. Am härtesten trifft die Katastrophe Somalia, ein Land ohne Staat, ohne Frieden, ohne Zukunft. Tagesspiegel

Besserwissen macht nicht satt Da sind sie wieder: Die Bilder von den ausgehungerten Kindern. Solche Szenen hatte man in diesem Jahrhundert nicht mehr erwartet: Hatten Technologen nicht das ­Ende altertümlicher Hungersnöte erklärt? Der Westen

Afrikas Sterben Die Menschen in Ostafrika sterben den Hungertod. Und ein kurzer Satz benennt einen Skandal und damit das Versagen nahezu aller an dieser humanitären Krise Beteiligten. Der Vorwurf an die Industrieländer, sie hätten zu lange gezögert, ist nicht von der Hand zu weisen. Märkische Allgemeine

Schluss mit Korruption Im Jahr 2000 haben UN, Weltbank und andere Organisationen Ziele für die Entwicklung der Dritten Welt beschlossen. Augsburger Allgemeine

München 21

Im Anflug auf München 21 Der Bau der dritten Startbahn am Flughafen der bayerischen Metropole wird den Widerstand beflügeln. Flughafenbetreiber und die Politik sollten sich hüten, das Projekt einfach durchzudrücken. Frankfurter Rundschau

Abgehobene Münchner Geht es München wirklich besser, nun, da es auch einen Linienflug nach Irkutsk in Sibirien gibt? Und steigt die Zahl der Fluggäste wirklich? Die Befürworter der dritten Startbahn sind davon überzeugt – doch sie sollten auch daran denken, wie sich das Großprojekt „Stuttgart 21“ entwickelte. Süddeutsche Zeitung

Wutbürger sollten besser auf die Ingenieure hören Der „Stresstest“ zeigt, dass das Projekt Stuttgart 21 zu Unrecht unter Generalverdacht gestellt wurde. Aber erkennt man technische Argumente noch an? Die Welt

Der Zauber ist verflogen Der Streit um Stuttgart 21 überlagert den grün-roten Neuanfang im Land nach dem Machtwechsel. Badische Zeitung

…one more thing!

Führung in der altersmilden Gesellschaft Die Kraftnaturen sind aus der deutschen Politik verschwunden. Doch das ist längst nicht so schlecht, wie viele denken. Frankfurter Rundschau

Leitartikel

Im Klima der Feindseligkeit Der norwegische Attentäter Breivik fand in den politischen Debatten Skandinaviens ausreichend Rohmaterial, um sich daraus eine 1500 Seiten lange Rechtfertigung zu basteln. Das bedeutet nicht, dass die rechten Politiker und Publizisten im Norden eine direkte Schuld an dem Massenmord tragen. Doch die Tat muss Anlass sein, über das raue politische Klima der Region nachzudenken. Süddeutsche Zeitung

Stoppt die Breivik-Soap! Ein Massenmörder als Superstar: Viele deutsche Medien schlachten das Privatleben des Oslo-Attentäters aus – und machen ihn so zur Ikone, kommentiert Michael Schlieben. ZEIT

Blödsinnige Diskussion! Auch Tage nach dem Massaker in Norwegen stehen wir fassungslos da und fragen uns: Warum? Die „Islamfeindlichkeit“ in Europa soll schuld sein. Die „wachsende Aggressivität“ gegenüber Muslimen, die Art und Weise, wie bei uns über Integration diskutiert wird. Mit Verlaub: Das ist Blödsinn! BILD

Augen öffnen und etwas tun Somalia steht für ein grundsätzliches Phänomen. Die in den Abgrund stürzende Weltregion bekommt zu wenig Aufmerksamkeit. Neben Spendengeldern braucht es Initiativen, die solche Katastrophen in Zukunft ausschließen. Frankfurter Rundschau

Entlastung für Israel Im September wollen die Palästinenser ihren Staat bekommen: Doch sie werden scheitern. Gibt es auch in diesem Herbst keine Zwei-Staaten-Lösung, müssen sich Europäer und Amerikaner fragen, was sie eigentlich noch im Nahen Osten tun. FAZ

Bonjour tristesse Nun also Frankreich? Nun also Frankreich. Doch gemach. Frankreich ist nicht Italien ist nicht Portugal ist nicht Griechenland. Financial Times Deutschland

Go west. Oder bleib Osten Die Ukraine muss sich über die Zukunft Gedanken machen: EU oder Russland. Vielleicht hilft eine List der Geschichte: Auch die einst pro-russische Regierung strebt jetzt in Richtung Europa Die Welt

Peinlich „Ein absoluter Rohrkrepierer“ – Über das Chaos beim Bundesfreiwilligendienst. AZ München

Warren Buffett Is Wrong On Taxes Millionaires and billionaires pay a higher share of their income in taxes than the middle class. Wall Street Journal