Steuerpolitik, Islamkonferenz,Waldschlösschenbrücke, Merkels US-Reise

Union und SPD beschwören: Niemand will die Mehrwertsteuer erhöhen. So ganz glauben will es ihnen niemand. Sinnvoll wäre, die – heute gespaltenen – Mehrwertsteuersätze auf mittlerem Niveau zu vereinheitlichen – natürlich ohne Mehreinnahmen für den Staat. FAZ

Wenn man in Deutschland nach der Wahl ohne Steuererhöhung auskäme – umso besser.
Nur leider dürfte das ein frommer Wunsch bleiben. Handelsblatt

Genießbare getrocknete Schweineohren unterliegen dem ermäßigten Umsatzsteuersatz. Getrocknete Schweineohren, die nicht für den menschlichen Verzehr geeignet sind, sind voll zu versteuern. Die Überlegungen aus der finanzpolitischen Strategieabteilung der Union sind ohne Zukunft. Von der Mogelpackung einer scheinbaren Steuersenkung, die per saldo auf eine Steuererhöhung hinausläuft, sollte die Union besser die Finger lassen. Börsenzeitung

Die diskutierte Anhebung des Mehrwertsteuer-Satzes für Lebensmittel oder öffentlichen Nahverkehr wäre in Ordnung – unter einer Bedingung. taz

Merkel, Steinmeier und Co. müssen sich bekennen: Wie geht die nächste Regierung mit den riesigen Schuldenlasten um? Die Mauertaktik ist völlig inakzeptabel. Frankfurter Rundschau

Viele Vorschläge zur Sanierung des Haushalts klingen gut – durchsetzbar sind die meisten aber nicht. Süddeutsche Zeitung

Deutsche haben zu Schulden eine neurotische Beziehung. Anders als in den Nachbarländern bereiten uns schon Kleinkredite schlaflose Nächte. Hamburger Abendblatt

Eigentlich wird die Kanzlerin als große Taktikerin gerühmt. Doch ihr Versprechen, die Mehrwertsteuer auch nach der Bundestagswahl nicht zu erhöhen, könnte Angela Merkel noch verfolgen. Financial Times Deutschland

Langfristig wird die Haushaltssanierung nur gelingen, wenn sich die nächste Regierung durchringt, mit der Machete den Ausgabendschungel zu durchforsten. Leider fällt Selbstbeschränkung Politikern viel schwerer als eine fantasielose Steuererhöhung. Die Welt

Islamkonferenz

Das Ende der Islamkonferenz war nüchterner als der Anfang und dennoch auch ein hoffnungsvoller Beginn. Es hat sich gezeigt, wie pluralistisch auch die eingewanderte Gesellschaft ist, die unterschiedslos als „muslimisch“ bezeichnet wird. FAZ

Über Religion, ihre Rolle im öffentlichen Leben und die Grenzen dieser Rolle zu reden, ist aber auch ein Mittel, sich unserer republikanischen Werte neu zu vergewissern. Das ist dringend nötig. Schon deshalb muss die nächste Islamkonferenz endlich zur Sache kommen – und über Gleichberechtigung sprechen. Tagesspiegel.

Wer weitreichende Ergebnisse hören wollte, war zur vorerst letzten Islamkonferenz vergeblich erschienen. Statt Resultate präsentierte Innenminister Wolfgang Schäuble in ungewohnter Bescheidenheit die Erkenntnis, dass die Sprachlosigkeit überwunden sei. Lausitzer Rundschau

Durch die rückwärtsgewandte Fokussierung auf Religion werden Muslime schwieriger integriert. taz

Nach der Islamkonferenz zeigt sich Innenminister Schäuble erfreut. Doch damit die Erfolge, die die Integrationsstudien zeigen, bleiben, muss man am Ball bleiben. Kölnische Rundschau

Waldschlößchenbrücke

Unesco hat dem Dresdner Elbtal das Gütesiegel des Weltkulturerbes entzogen. Ein Streit endet so kleinlich, wie er begonnen hat. Frankfurter Rundschau

Der Bau der Waldschlösschenbrücke zerstöre die Dresdner Kulturlandschaft, sagt die Unesco. Also wurde das Elbtal von der Liste des Weltkulturerbes gestrichen. Ein heilsamer Schock. Und eine Farce. Tagesspiegel

Der Waldschlösschenkampf zeigt das ganze Ausmaß von Zerrissenheit, Militanz und Rechthaberei im Interessenstreit. Nach dem Bürgerentscheid für die Brücke wurde das Welterbekomitee der Unesco dagegen in Stellung gebracht. Und als das die Befürworter nicht genügend schreckte, fiel den Naturschützern die Kleine Hufeisennase, die niedlich klingende Fledermaus, ein, mit der sie sich durch die Instanzen klagten. Märkische Allgemeine

Die Unesco hat den Mut und die Kraft gefunden, deutlich zu signalisieren, dass auch reiche und mächtige Länder sich an Verträge und Regeln halten müssen. Der Schaden aber, den Freie-Fahrt-Fanatiker, provinzielle Engstirnigkeit und alternativlos denkende Politiker angerichtet haben, ist noch nicht absehbar, weder für Dresden noch für das internationale Ansehen der deutschen Kulturpolitik. Berliner Zeitung

Völlig zurecht hat die Unesco-Kommission der sächsischen Landeshauptstadt das Prädikat aberkannt. Sie bekommt die Quittung für ihre Borniertheit und Uneinsichtigkeit Financial Times Deutschland

Merkels US-Reise

Ein Herz und eine Seele sind sie wohl nicht, könnten aber ein Dream-Team bilden. Angela Merkel und Barack Obama verzichten auf herzliche Gesten – und sind sich trotzdem ganz nah Tagesspiegel

Der Streit wird bleiben, über die von Berlin als zu lax kritisierte Geldpolitik Washingtons und über den Umfang des von Washington als zu schmal befundenen Konjunkturpakets Berlins, ohne dass es zu einem deutsch-amerikanischen Handelskrieg oder ernsthaften Wirtschaftszwist kommen dürfte. FAZ

Bei ihrem Antrittsbesuch in Washington hat die Kanzlerin US-Präsident Obama Unterstützung bei der Lösung von Krisen in aller Welt zugesagt. Auf der Agenda ihres Besuchs stehen aber auch heikle Fragen. Financial Times Deutschland

G20-Gipfel , Nato-Gipfel , EU-Gipfel , Obama in Baden-Baden, Dresden und Buchenwald, Telefonate, Videokonferenzen. Rein physisch betrachtet kann man durchaus behaupten, Angela Merkel sei dem US-Präsidenten seit seinem Amtsantritt näher gekommen. Zumindest so nah wie kaum ein anderer Regierungschef auf der Welt. Und doch ist zwischen beiden ein hohes Maß an Unsicherheit zu beobachten, großes Misstrauen, das zu einer auffälligen Distanz führt, wie bei zwei Magneten, die zwar nah beieinander liegen, sich aber an einer unsichtbaren Grenze abstoßen. Münchner Merkur (Print)

Am Ende aber werden sie und auch wir wieder feststellen, dass Amerikaner und Deutsche, trotz aller gegenseitiger Vorurteile, ein sehr stabiles, freundschaftliches Verhältnis zueinander haben, das selbst ausgewachsene Männerfeinde wie Gerhard Schröder und George W. Bush nicht wirklich kaputt machen konnten. Das ist ein ziemlich wunderbares Ergebnis von sechs Jahrzehnten transatlantischer Beziehungen Berliner Morgenpost

Leitartikel

Nicht die langsame Auszahlung der Investitionsmittel aus dem Konjunkturpaket ist das Problem, sondern die falschen Hoffnungen, die die Bundesregierung geweckt hat. Financial Times Deutschland

Die meisten Deutschen sammeln in diesen Monaten erstmals Erfahrungen mit einer schweren Rezession. Sie bleiben erstaunlich gelassen. Mancher stellt sich die Frage, was denn so schlimm daran wäre, fiele Deutschland auf das Wohlstandsniveau des Jahres 2006 zurück. Hat man da nicht ganz gut gelebt? FAZ

Der Einsatz für die Bundeswehrsoldaten ist nicht nur gefährlich, er ist auch frustrierend. Sie spüren, dass die meisten Deutschen ihren Einsatz am liebsten ganz aus dem Bewusstsein ausblenden würden. Gleichzeitig legt ihnen der Bundestag feste Fesseln der Einsatzbeschränkungen an, und Strategieplaner und Politik sehen sich von Denkverboten umzingelt. So lässt sich kein Krieg gewinnen. Die Welt

Deutschland hat den eingewanderten Islam verändert: Die Muslime akzeptieren nun die Streitkultur der offenen Gesellschaft. Das ist das große Verdienst der Islam-Konferenz. Frankfurter Rundschau

Kein Kompromiss, kein Aber – wem unsere Gesetze nicht passen, der wird nicht gezwungen, hier zu leben. Für diese Einsicht braucht es eigentlich keinen runden Tisch, keine dreieinhalbjährige Beratungen von Experten, keinen „offenen und fruchtbaren Dialog“. Dafür braucht es nur Vernunft und gesunden Menschenverstand! BILD

„Wer die Schule hat, hat das Land.“ Zu Tucholskys Zeiten konnte man verzweifeln an der monarchistischen und militärischen Gesinnung vieler Lehrer. Solche Probleme gibt es glücklicherweise nicht mehr. Woran man heute verzweifelt, ist die Mischung aus Ignoranz und Ratlosigkeit, die dem pädagogischen Nachwuchs entgegenschlägt. Süddeutsche Zeitung (Print)

Guess Who’s Selling Wall Street’s Bull? Hint: He was a Bush aide who cooked up a phony pitch for the Iraq War. Mother Jones

President Obama has elegantly explained the case for health care reform, but will he compromise too much to get a plan through Congress that it won’t do the job? New York Times

Obama was elected in part to fix America’s health-care system. Now is the time for him to keep his word. This is going to hurt. Economist

PS:  Michael Jackson starb überraschend an Herzversagen. Für Michael, der jetzt auf Wolke 7 tanzt: Billy Jean