Afghanistan, Thüringen

Frau Merkel stellte die in den vergangenen Tagen im In- und Ausland merkwürdige Züge annehmende Debatte wieder vom Kopf auf die Füße. Auch den Verbündeten auf beiden Seiten des Atlantiks erteilte die Bundeskanzlerin, unterstützt vom Kanzlerkandidaten, eine Lektion: So springt man nicht mit Deutschland um. Diese Standfestigkeit ist ein Zeichen der außenpolitischen Reife, findet die FAZ.

In schöner Klarheit hat die Kanzlerin gesagt, dass sie in Hinblick auf den Raketenangriff vom vergangenen Freitag Vorverurteilungen nicht akzeptieren werde. […] So scharf hat wohl nie ein deutscher Kanzler europäische Verbündete in aller Öffentlichkeit kritisiert. Bisher hat das souverän gewordene Deutschland Kontroversen mit seinen europäischen Partnern fast ausschließlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit ausgetragen – wohl eingedenk seiner alten halbsouveränen Rolle, so Die Welt.

Die schlechte Informationspolitik über die Bundeswehr-Mission am Hindukusch ist auch das Versäumnis der Kanzlerin. Bezeichnend ist, dass sich Merkel erst zu einer Regierungserklärung zu Afghanistan veranlasst sah, als die tragischen Ereignisse rund um das Nato-Bombardement sie dazu nötigten. Daher konnte die Kanzlerin gestern vor dem Bundestag allenfalls Schadensbegrenzung betreiben. Das aber mit Erfolg, urteilt die Westfalenpost.

Ungewöhnlich harsch reagierte Merkel auf die ebenso ungewöhnliche vorschnelle Kritik von Politikern und Militärs aus anderen Nato-Staaten. Das war angemessen und erforderlich. Der Vizekanzler setzte sich in dieser Frage denn auch nicht einen Millimeter von Merkel ab: Zwei Profis, die Wahlkampf Wahlkampf sein lassen, wenn es die Situation erfordert, meinen die Westfälischen Nachrichten.

Es ist gut, dass die Spitzenpolitiker gestern im Bundestag weitgehend darauf verzichtet haben, Afghanistan zum Gegenstand polemischer Angriffe zu machen. Es ist schlecht, dass die Spitzenpolitiker darauf verzichtet haben, den Bürgern mitzuteilen, wie genau es weitergehen soll in Afghanistan, meint die Berliner Zeitung.

Wer also am Abend anmerkte, es seien da doch ziemlich viele Zufälligkeiten zusammengekommen, damit eine notwendige, ja, überfällige Auseinandersetzung in der deutschen Volksvertretung entbrannte, hat recht. […] Man muss schon fragen, warum diese Plenarsitzung und diese Regierungserklärung drei Wochen vor der Bundestagswahl eben doch nur die parlamentarische Konsequenz einer in ihren Folgen problematischen militärischen Aktion waren, fragt sich der Tagesspiegel.

Union und FDP haben offenbar ihr Wählerpotenzial ausgeschöpft. Ihre Umfragezahlen sind seit Wochen stabil. Dagegen ziehen die Werte für Merkels Herausforderer Steinmeier in den letzten Tagen wieder an. Dessen Strategie richtet sich inzwischen nur noch auf die Verhinderung von Schwarz-Gelb. Da die aktuelle Differenz zwischen dem bürgerlichen Lager und Rot-Rot-Grün denkbar knapp ist, braucht die SPD also nur ein einziges Thema, bei dem Union und FDP zwei bis drei Prozentpunkte einbüßen. Afghanistan kann ein solches Thema sein, nimmt as Handelsblatt an (Print).

Es geht nicht darum, den Bundeswehr-Kommandeur von Kundus im Regen stehen zu lassen. Sondern es geht darum, aufrichtig und schnell zu klären, was genau passiert ist. Und es geht darum, endlich aufrichtig Problembewusstsein an den Tag zu legen für den Fall, dass tatsächlich Zivilisten getötet worden sind. Merkel hat dies erkannt, Jung nicht. Der einzige Grund für den Verbleib von Franz Josef Jung an der Spitze des Bendlerblocks ist der Bundestagswahlkampf, vermutet die Frankfurter Rundschau.

Drei Eindrücke werden die Debatte überdauern: Merkels Versprechen, einen Abzug der Soldaten in Angriff zu nehmen. Die Geschlossenheit der großen Koalition. Und die Unsouveränität von Franz Josef Jung. Merkels Auftritt war eine Lehrstunde, und nur einer im Kabinett hatte sie wirklich nötig: der Verteidigungsminister, meint die Westfälische Rundschau.

Thüringen

Wer glaubt, in der Thüringen-CDU ist Kindergeburtstag, und es wird gerade Kasperletheater gespielt, der irrt. Leider, bedauert der Tagesspiegel.

Merkel muss Althaus zur Vernunft bringen. Denn sein Vorgehen reicht inzwischen über eine menschliche Tragödie hinaus, erschwert die Zukunft für die Thüringer CDU und beginnt auch Merkels Wahlkampf zu belasten, urteilt die Rheinische Post.

Das ist wie Exorzismus. Die Thüringer CDU schüttelt es, aber die bösen Geister wollen nicht ablassen, findet die Thüringer Allgemeine.

Weder tritt ein Ministerpräsident so von seinem Staatsamt ab noch tritt er so wieder auf. Damit beschädigt Althaus weiter sein Ansehen, das schon durch den Umgang mit dem Skiunfall vom Neujahrstag gelitten hat. Und er erschwert seiner Partei den Neuanfang, meint der Mannheimer Morgen.

Ein Neuanfang, den die Thüringen-CDU ohne Althaus gehen muss, kann so nicht gelingen. Irgendjemand muss die Stirn haben, dies Althaus jetzt zu sagen, fordert der Bonner General-Anzeiger.

Wenn es eines letzten Beweises bedurft hätte, wie wenig strategisches Geschick der zurückgetretene Thüringer Ministerpräsident Dieter Althaus noch besitzt, so hat er ihn gestern selbst geliefert. […] Er regiere nicht, sondern führe sein Amt weiter, erklärte der Regierungschef gestern allen Ernstes. Das ist reif für das Kabarett, urteilt die Hannoversche Allgemeine Zeitung.

Den Neuanfang in seiner Partei hat Dieter Althaus mit seinem gestrigen Auftritt gründlich vermasselt. Es ist schwer zu sagen, ob er das realisiert hat oder ob es ihn überhaupt noch interessiert. Zu beweisen, dass er fit ist und sich nicht unterkriegen lässt, scheint sein innerer Antrieb zu sein. Seit seinem Skiunfall ging es für ihn um nichts anderes. Selbst am Wochenende habe er Dienstpost geöffnet und damit für das Land gearbeitet, sagte er gestern. Was für ein tragischer Abgang eines Politikers, meint die Sächsische Zeitung.

Mit seiner unverhofften Wiederkehr hat Thüringens zurückgetretener Ministerpräsident Dieter Althaus gezeigt, dass es ein kleiner Schritt vom ernstzunehmenden Politiker zum unberechenbaren politischen Sonderling ist, urteilt die Magdeburger Volksstimme.

Leitartikel

Der Bundestag hat einen europapolitischen Spagat geschafft: Deutsche Parlamentarier haben künftig mehr zu sagen, aber Berlin wird in Brüssel nicht zur lahmen Ente. Frankfurter Rundschau

Wieder einmal rechnet die OECD den Deutschen vor, dass sie zu wenig in Bildung investieren. Das wird jedoch kein Weckruf sein: Die Politik verschiebt heikle Fragen einfach auf die Zeit nach der Wahl. Süddeutsche Zeitung

Ganz unfreiwillig hat Dieter Althaus seiner Partei einen letzten wertvollen Dienst erwiesen: Mit seinen unberechenbaren Abgängen und nur noch kindisch zu nennenden Auftritten hat er der CDU einen drohenden Machtkampf erspart. FAZ

Viele, allzu viele haben sich von der Politik abgewandt. Verdrossen, gelangweilt sitzen sie auf der Galerie, schauen mürrisch nur zu. Das ist falsch. Und schlecht für unsere Demokratie, um die uns Milliarden Menschen auf der Welt beneiden. Wählen gehen ist nicht nur Recht eines jeden Bürgers in Deutschland. Es ist auch seine Pflicht. BILD

Acht Jahre sind die Angriffe Al Qaidas auf die USA am 11.September 2001 am Freitag her.Acht Jahre bedeuten: In den USA ist eine ganze Jugendgeneration unter dem Eindruck ständiger Terrorangst aufgewachsen.Sie hat den Krieg am Hindukusch als Antwort auf „9/11“ verinnerlicht, so wie Deutsche vor 1989 den kalten Krieg verinnerlicht hatten. Irak war auch bei ihnen umstritten. Die Welt

Die kräftigen Aktienverkäufe von Konzerninsidern in Deutschland und den USA nehmen zwar keinen Wirtschaftseinbruch vorweg. Sie weisen aber darauf hin, dass die größte Party an der Börse vorbei ist, weil die Märkte den Aufschwung bereits eingepreist haben. Financial Times Deutschand

Watching both the health care and climate/energy debates in Congress, it is hard not to draw the following conclusion: There is only one thing worse than one-party autocracy, and that is one-party democracy, which is what we have in America today. New York Times

Health care fear factor. Roughly one in six Americans lacks health insurance. Millions more could lose theirs in a flash. USA Today