Opel, Staatshilfen, Guttenberg & GM

Opel konnte durch Einigung in letzter Minute dem Schicksal entgehen. Und das war keine ökonomische, sondern eine politische Entscheidung. Thüringer Allgemeine

Bei Opel wird alles gut? Von wegen. Die Übernahme durch das amerikanisch-kanadisch-russische Konsortium kann dem Unternehmen keine dauerhafte Zukunft geben. Süddeutsche Zeitung

Auch wenn Zweifel bleiben, ob ein Unternehmen, dessen größte Aktionäre mit je 35 Prozent zunächst indirekt Obama und Putin heißen, sich tatsächlich eine Marktnische in der unter Überkapazitäten leidenden Autoindustrie aufbauen kann, so sollte doch jetzt, nach der Entscheidung, das Regierungslager die Chancen des Vorhabens betonen. Handelsblatt

Menschen suchen Halt, hoffen auf den Staat als Retter. Und die Regierungen fühlen sich wohl in dieser Rolle – vor allem wenige Monate vor wichtigen Wahlen wie in Deutschland. Da werden die wahren Gründe für den tiefen Fall Opels nicht so genau analysiert. Hamburger Abendblatt

Opel bekommt für ein riskantes Konzept Milliardenkredite, während jeder Hartz-IV-Empfänger für ein paar Euro eine knallharte „Bedürftigkeitsprüfung“ über sich ergehen lassen muss, ist schon pikant. taz

Stürzt die Bundesrepublik vor Wahlen in eine Weltwirtschaftskrise, ist das für Steuerzahler doppeltes Unglück. Wahlkampf macht Politik erpressbar für immer neue Staatshilfen. Schnell war die Politik dabei, die Managerhaftung auszuweiten. Aber wann wird es eine Politikerhaftung bei teuren Fehlentscheidungen geben. Leipziger Volkszeitung (Print)

In Zeiten, in denen die Politik gezwungen wird, riesige Summen zur Stabilisierung der Privatwirtschaft einzusetzen, muss dem Staat mehr Mitsprache zugebilligt werden. Berliner Zeitung

Politik – dein Freund und Helfer. Das wirkt im Moment plausibel, das kann aber auf die Dauer nicht gut gehen. Generalanzeiger Bonn

Opel bekommt Hilfe vom Staat, weil Frau Merkel es so will. Eine Demagogiekampagne Kirchhof II, diesmal mit dem „Baron aus Bayern“ in der Rolle des kalten Marktverehrers, wird nicht wirklich zünden. Um soziale Wärme kümmert sich die CDU schon selbst. FAZ

Guttenberg hat, anders als der Heidelberger Professor, schon jetzt eine nicht zu unterschätzende Zahl von Sympathisanten auf seiner Seite. All jene nämlich, deren Gedächtnis länger zurückreicht als zwölf Monate, und die sich jetzt fragen, ob es überhaupt irgendwelche Prinzipien gibt, die diese große Koalition befolgt, bevor sie einem Bittsteller aus der Wirtschaft Milliardenbeträge zusichert. Tagesspiegel

Der Wirtschaftsminister sollte zurücktreten. Sonst macht er sich zum Handlanger in einem unwürdigen Machtpoker – in dem die Kanzlerin das letzte Quäntchen Glaubwürdigkeit ihrer Partei verspielt. Financial Times Deutschland

Die harten Zeiten für den jungen Minister kommen jetzt erst: Mit Recht stellen die Karstadt-Beschäftigten die Frage, warum Opel, aber wir nicht? Wo fängt man als Regierung daher an, und wo hört man auf? Lausitzer Rundschau

GM, a company with a cautious, slow-moving management and a union committed to defending ridiculous work rules won’t have a chance of succeeding. Perhaps everyone remaining at the new GM will realize that. The rest of us can only hope for the best. Wall Street Journal

Where will the government money go? If it went to develop new, exciting cars, it would be one thing. But we figure it will go for bankruptcy lawyers, to the union to provide funds for retiree health care and hand out money to laid off workers, for huge discounts or rebates to move cars and for experiments with electric cars to satisfy the powerful green lobby in the government. Forbes

The only practical purpose I can imagine for the bail-out is to slow the decline of GM to create enough time for its workers, suppliers, dealers and communities to adjust to its eventual demise. Yet if this is the goal, surely there are better ways to allocate $60bn, so der frühere amerikanische Arbeitsminister Robert Reich in der Financial Times

The prime villains behind the mess we’re in were Reagan and his advisers — men who forgot the lessons of America’s last great financial crisis, and condemned the rest of us to repeat it, schreibt Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugmann in der New York Times

Leitartikel

Dass kaum ein Politiker den Mut hat, auch in Wahlkampfzeiten unliebsame Wahrheiten auszusprechen, sind wir gewohnt. Aber früher ging es nur um Worte, jetzt geht es um Geld – Steuergeld! BILD

Der deutschen Politik wächst die Krise über den Kopf. Hilfe für jedermann heißt ihr (Wahl)-Programm. Ein Konzept ist das nicht. Frankfurter Rundschau

Nun gibt es kein Halten mehr. Der Staatseinstieg bei Opel ist der Auftakt zur Rettung von allem und jedem – mit einer kleinen Einschränkung: Das vermeintliche Opfer der Finanzmarktkrise muss hinreichend groß und bekannt sein. FAZ

Man kann Merkel, Steinmeier und Guttenberg nicht vorwerfen, dass sie in Rüsselsheim Wahlkampf betreiben. Es ist legitim, das die Ministerpräsidenten Koch und Rüttgers vor allem an Arbeitsplätzen in ihrem eigenen Sprengel interessiert sind. Man muß nur feststellen, dass dies alles für die Zukunft Opels und der Autoindustrie nicht sonderlich hilfreich ist. Süddeutsche Zeitung

Es gibt also doch noch Riesen, die nicht zu riesig sind, um pleitezugehen. General Motors, der ehemals größte Autohersteller der Welt und ehemals größte Arbeitgeber der USA, hat nun endlich die Insolvenz angemeldet, die seit Monaten erwartet wurde. Financial Times Deutschland

Das Vermächtnis des 4. Juni ist der unerhörte Ruf nach kritischer Aufklärung. Er findet heute keine Massenresonanz mehr. Chinas Einparteienherrschaft hat mit harter Hand der Repression und Wirtschaftsreformen geschafft, soziale Energien und den Patriotismus, die Millionen 1989 dazu brachten, sich hinter Forderungen nach mehr Demokratie zu stellen, zu atomisieren. Die Welt

Eine politische Mehrheit ist nur mit den Stimmen der Rentner zu holen. Sehr weit ist das nicht von der Wahlkampfstrategie der Mafia in Sizilien entfernt, die den Wählern einen linken Schuh schenkt – und den rechten dann, wenn ihr Kandidat gewinnt. Wirtschaftswoche

Obama needs to prove that he is capable of doing the “daddy things” (defending the country) as well as the “mommy things” (appointing empathetic Supreme Court justices). Economist

Obama is confronting vexing issues that cannot be charmed out of existence. From North Korea to Guantánamo Bay, from Iran to Afghanistan. The problem is epitomised by his trip to the Middle East this week and a much trailed speech in Cairo Financial Times

Sotomayor’s nomination for Supreme Court justice has been widely hailed as a triumph for Latinos. But it could just as likely spell the end of the very idea that there is such a thing as Latino America at all. Los Angeles Times