Afghanistan, Atomkraft & Bundestagswahl

Der „Stabilisierungseinsatz“ in Afghanistan, wie Minister Jung den Krieg nennt, destabilisiert nun auch die deutsche Politik. […] Bemerkenswert aber ist, dass der Kern der Vorwürfe nun öffentlich geworden ist. […] Offenbar wollen die Führungsgremien der Nato, und keineswegs nur die Amerikaner, ein Exempel statuieren. Den Afghanen und der Welt soll demonstriert werden, dass die neue Strategie gilt und dass Verstöße geahndet werden. […] Die Bomben von Kundus werden gravierenden Kollateralschaden bei der Bundestagswahl erzeugen, befürchtet die Süddeutsche Zeitung.

In den jüngsten Umfragen erreicht das bürgerliche Bündnis nicht mehr die magische Grenze von 50 Prozent. Zugleich erstarkt die Linkspartei. Lafontaine und seine Truppe schlachten vor allem Afghanistan als populistisches Wahlthema aus und dringen damit mehr und mehr durch, urteilt die Rheinische Post (Print).

Das Problem ist: Die Lage wird nicht besser, sie wird schlechter. Inmitten dieser Gemengelage dilettiert Verteidigungsminister Franz Josef Jung herum. Ein Politiker hat dem Souverän, also den Bürgern, Politik zu erklären und Antworten zu geben. Das Format dazu aber hat Jung nicht, meint die Rheinpfalz (Print).

Atomkraft

Der Geburtsfehler von Gorleben ist offensichtlich geworden, dass das Endlager dort nicht mehr durchgepowert werden kann – auch wenn damit möglicherweise 1,5 Milliarden Euro in den Sand, respektive das Salz, gesetzt wurden. Die Endlagerfrage ist so wichtig, dass nur der wirklich beste Standort dafür in Frage kommt, meint die Frankfurter Rundschau.

Für die Union rächt sich nun, dass sie sich beim Thema Atomkraft bislang auf die Frage der Laufzeiten versteift hat. Es gibt gute Argumente dafür, an der Atomenergie als Übergangstechnologie festzuhalten – dann aber sollte man sich auch mit den damit verbundenen Problemen wie der Endlagerung ernsthaft auseinandersetzen. Stattdessen hat die Union mit dem reflexhaften Verweis auf Gorleben die Suche nach alternativen Endlagerstätten sogar behindert, urteilt die Financial Times Deutschland.

Der fatale Irrtum in der Atomdebatte ist: Entgegen der landläufigen Meinung gehen nicht von den Reaktoren, sondern von deren hochradioaktiven Abfällen die größeren Risiken aus. […] Deswegen ist es ein Skandal, dass es den Regierungskoalitionen der vergangenen Jahrzehnte an Mut und Willen fehlte, die Endlagerfrage zu lösen. […] Genau das sollte die neue Bundesregierung endlich beherzigen: Nur Transparenz schafft Vertrauen, do sie Westdeutsche Allgemeine Zeitung (Print).

Die Bevormundung wissenschaftlicher Expertisen durch die Politik löst Kopfschütteln aus. Doch nicht jeder, der schüttelt, macht es besser. FDP und Union samt Kanzlerin beharren auch 2009 gegen besseren Rat auf der Erkundung von Gorleben, mit dem blassen Argument, hier sei schon investiert worden, meint die Thüringer Allgemeine.

Die Forderung des Niedersachsen Sigmar Gabriel, neben Gorleben weitere Standorte zu erkunden, ist auch nicht neu und sogar plausibel, schließlich ist eine Entscheidung im Grunde nur möglich, wenn man mehrere potenzielle Endlager vergleichen kann, so die Märkische Allgemeine.

Merkwürdig ist es schon, wenn wenige Wochen vor einer Wahl plötzlich brisante Unterlagen auftauchen, die Jahrzehnte alt sind. Aber sei’s drum: Vielleicht werden wir irgendwann erfahren, wie Umweltminister Gabriel zu seinem Wahlkampfschlager gekommen ist; wichtiger ist, dass in Sachen Endlager endlich ehrlich miteinander umgegangen wird, fordert die Märkische Oderzeitung.

Dass Sigmar Gabriel nun kurz vor der Wahl versucht, aus dem Streit um Gorleben Honig für seine SPD zu saugen, ist nicht überraschend. Daraus spricht schiere Verzweiflung, denn seinen Traum von einer Fortsetzung der rot-grünen Atomausstiegs-Politik kann Gabriel schon vor dem 27. September begraben. Ein Skandal indes bleibt, dass die Koalition ihr Versprechen, das Endlager-Problem einer Lösung näherzubringen, nicht gehalten hat, urteilt die Südwest Presse (Print).

Bundestagswahl

Von einer neuen Stärke der Linken (unter Einschluss von SPD und Grünen) kann die Rede nicht sein. […] Und doch scheint für die Linke ein paradoxer Erfolg zum Greifen nahe: zwar nicht zu gewinnen, den Sieg „der anderen“ aber zu verhindern, meint Die Welt.

2005 hat der Einzug der Linkspartei in den Bundestag die schwarz-gelbe Koalition gekippt. Der jüngste Auftrieb für die Lafontaine-Gysi-Bisky-Truppe in den Umfragen zeigt, dass das 2009 wieder passieren könnte. […] Selbst wenn die Linke unerwartet stark wird, kann sie 2009 keine linke Politik im Bund erzwingen, meint das Handelsblatt.

Die Konstellation Schwarz-Gelb hat verloren, in Umfragen, liegt aber immer noch vor Rot-Rot-Grün. Und das deutlich. Damit kann sich bewahrheiten, was CSU-Chef Horst Seehofer meint, nämlich dass sie sich, wenn, dann vor allem selbst schlägt. Wozu er allerdings seinen Teil leistet, nimmt der Tagesspiegel an.

So ist das nun mal, wenn man den Wahlkampf verschläft. Irgendwann wacht man auf und wundert sich. […] So ergeht das gerade unseren beiden Volksparteien. […] Gar nichts entschieden, entschlossen und im Zweifel auch polarisierend zu thematisieren vor einer Bundestagswahl, wie es Merkel und Steinmeier bisher versucht haben, das ist auch keine Alternative. Wer kein Thema setzt, dem fällt es irgendwann auf die Füße, urteilt die Berliner Morgenpost.

Leitartikel

Der Verdacht wiegt schwer: Tausende Rentner haben offenbar zu wenig Rente bekommen. Weil die Gesetze so kompliziert sind, dass nicht einmal die Beamten, die die Rente berechnen, sie kapieren! […] Unsere hohen Rentenbeiträge drücken sowieso schon jeden Monat unsere Nettolöhne. […] Da muss dann wenigstens die Rechnung stimmen! BILD

Öffentliche Verwaltung ist res publica. Was Beamte in den Verwaltungenwann getan oder warum unterlassen haben, kann für die Öffentlichkeit von großem Interesse sein. […] Die Öffentlichkeit wird von den Apparaten oft wie ein Feind behandelt. In besonderen Fälen aber kann ein staatliches Geheimnis auch ein schützenswertes Geheimnis sein. Süddeutsche Zeitung (Print)

Am Ende werden Union und FDP vielleicht vom Wähler erlöst – AZ-Aktuell-Ressortchef Frank Müller über den komödienhaften Zank unter den einstigen Wunschpartnern. Abendzeitung

Die EU-Staaten werden um einschneidende Maßnahmen nicht herumkommen, wenn sie ihre Staatsschulden auf ein erträgliches Maß begrenzen wollen. Andernfalls raubt der Schuldendienst ihnen jeden politischen Spielraum. Financial Times Deutschland

Die Kritik an dem von der Bundeswehr befohlenen Luftangriff in Afghanistan passt ins derzeit beliebte Deutschland-Bashing. Unabhängig vom Gehalt der Vorwürfe im Einzelnen: Langsam wird es etwas viel. FAZ

„Der Afghanistan-Einsatz ist ein Partisanenkrieg!“ Jens Jessen über das Dilemma asymmetrischer Kriege und warum seine Sympathie dem unglücklichen Oberst gehört, der die Bombardierung der Tanklaster befohlen hat. Die Zeit

Ja, die absolute Mehrheit für den afghanischen Präsidenten ist wohl manipuliert. Aber die USA, die ihren einstigen Günstling verstoßen haben, tragen auch Schuld am Wahldesaster. Frankfurter Rundschau

Nach Satellitenbildern und Stadtplänen sind zurzeit Bücher das Neue im Google-Angebot. Digitalisiert werden die vor allem in den USA, voll einsehbar sind nur Werke, deren Urheberrecht abgelaufen ist. Allerdings sind praktisch alle neuen Bücher ebenfalls gescannt worden, auch deutsche. Die Welt

Obama’s Health-Care Appeal: A Question of Character. Time

Obama Doubles Down. Counting on the sheer inertia of Democratic and health industry self-interest in Washington to drive a bill into law. Wall Street Journal