Haushalt, Afghanistan & Merkels USA-Reise

Die Neuverschuldung des Bundes erreicht neue Rekordhöhen. Für den akuten Schuldenschub wird man Peer Steinbrück wegen der Finanzkrise mildernde Umstände zubilligen. Nicht zu entschuldigen sind jedoch die davor liegenden Versäumnisse. FAZ

Regierung darf jetzt nicht sparen, weil Geldausgeben in der Krise seriös ist. Zum Beispiel für die Abwrackprämie, die bisher in der Autoindustrie das Schlimmste verhindert. Oder für die Kurzarbeit. Oder für die Rettung der Banken, auch wenn deren Exzesse die Krise mitverursacht haben. Es geht jetzt nämlich nicht um die Sanktionierung von Gier und Arroganz, sondern um das Funktionieren des Systems. Das System braucht Liquidität und Stabilität, und derzeit kann nur der Staat dafür sorgen. Berliner Zeitung

Schade, dass die Regierung den Bürgern nicht wenigstens jetzt reinen Wein einschenkt. Schade, dass sie nicht beginnt, für ein Umdenken zu werben. Stattdessen wird im Wahlkampf eine billige Mehr-netto-ist-geil-Mentalität geschürt, vor allem seitens der FDP, in deren Schlepptau auch die Union Steuersenkungen verspricht. Lausitzer Rundschau

Die Bundesregierung würde fahrlässig handeln, wenn sie versuchte, den Schuldenberg über Steuererhöhungen oder drastisches Sparen abzubauen. Deutschland kann sein Schuldenproblem nur über Wachstum lösen. Financial Times Deutschland

Es wäre gut, wenn die Politiker bereits vor der Wahl am 27. September klarmachen würden, mit welchen Maßnahmen sie die öffentlichen Haushalte wieder in Ordnung bringen wollen. Durch Sozialabbau, Steuer- und Abgabeerhöhungen oder die Kürzung von Investitionen? Märkische Allgemeine

Selbst wenn die Wirtschaft nach der tiefsten Rezession der Nachkriegszeit wieder mit annähernd zwei Prozent wachsen sollte, wie Steinbrück hofft, wird am Ende der Legislaturperiode noch immer ein Defizit von etwa 45 Milliarden Euro zu Buche stehen. Damit würde die nächste Regierung dort enden, wo die derzeit amtierende 2005 angefangen hatte. Süddeutsche Zeitung

Angesichts solcher Zahlen beleidigt die Debatte über Steuersenkungen als Wahlkampfknüller die Intelligenz der Bürger. Für finanzielle Erleichterungen auf breiter Front gibt es in den nächsten Jahren keinen Spielraum. Nürnberger Nachrichten

Es ist schon ein Wunder, dass sich für die nächste Legislatur noch Parteien bewerben. Union und FDP versprechen obendrein, die Steuern senken zu wollen, wofür die CSU von Angela Merkel sogar die Festlegung auf ein konkretes Datum wünscht. Der mathematische Weg dieses Traums wird nicht erklärt. Thüringer Allgemeine

Afghanistan

Stell dir vor, es ist Krieg und keiner sagt es. Nicht erst seit dem jüngsten tödlichen Zwischenfall befindet sich die Bundeswehr in Afghanistan im Kampfeinsatz. Dass die Regierung das weiter leugnet, wird sich für sie nicht auszahlen. Eine große Debatte über den Sinn des Engagements lässt sich auf Dauer nicht unterdrücken – noch nicht einmal bis zur Wahl. Financial Times Deutschland

Bleiben oder abziehen? Diese Frage wird in Deutschland stets aufs Neue diskutiert, wenn in Afghanistan Bundeswehrsoldaten gestorben sind oder bei einem Nato-Angriff versehentlich eine große Zahl einheimischer Zivilisten getötet wurde. Die politische Klasse, mit Ausnahme der Linkspartei, schweigt dazu. Tagesspiegel

Es ist völlig unerheblich, ob die rechtlichen Voraussetzungen für einen Krieg gegeben sind – sie sind es nicht. Denn für die Soldaten fühlt es sich verdammt nochmal nach einem Krieg an. Frankfurter Rundschau

Merkels USA-Reise

Geben, nehmen, streiten, versöhnen: Merkel und Obama pflegen eine Politik des Abwägens. Die Sorge vor atmosphärischen Störungen ist unbegründet. Süddeutsche Zeitung

Etwas kühl sind Merkel und Obama einander bisher begegnet. Auch in Washington ist außer Foto-Lächeln wenig zu erwarten. Aber nicht alle Differenzen sind allein von den beiden Akteuren zu verantworten. Frankfurter Rundschau

Andere waren längst vor ihr bei Obama. In Regierungskreisen heißt es dazu lakonisch, „sie beteiligt sich nicht an einem Sympathiewettlauf.” Das scheint Angela Merkel nicht zu schaden, jedenfalls nicht protokollarisch. Zum Abschluss will sich Obama mit ihr im Rosengarten des Weißen Hauses den Journalisten stellen – in einem festlichen Ambiente. Beste Bilder im Wahlkampf. Neue Ruhr Zeitung

In Sachen Klimapolitik freut sich die deutsche Seite über die Differenzen zur Vorgängerregierung: „Wer hätte vor zwei Jahren gedacht“, so hieß es gestern aus Regierungskreisen, „dass wir mit den Amerikanern am Tisch sitzen und über Emissionshandel sprechen.“ Die Welt

Deutschland ist ein wichtiger Partner, aber eben doch nur noch ein Partner zweiter Klasse. Dieses Eingeständnis sollte den Stolz deutscher Politiker nicht verletzen, denn es hat auch viel für sich: Deutschland wird nicht länger als Problem oder Gefahr wahrgenommen. Das schwindende amerikanische Interesse spiegelt somit auch die politische und soziale Stabilität des wiedervereinigten Deutschland wider. WAZ

Goodbye Dollar, explodierende Staatsschulden, Geldschwemme und Finanzkrise untergraben das Vertrauen in das globale Geld- und Währungssystem. Wirtschaftswoche

Leitartikel

Unfassbare 86 Milliarden: Ein weniger als halb so großes Haushaltsloch war 2005 Grund für die heftigste Steuererhöhung aller Zeiten. Ganz allein die Krise sei schuld, sagt die Regierung. Das ist falsch! Jetzt rächt sich nämlich, dass in den Boom-Jahren das Defizit nicht weiter gestutzt, kein „Polster“ angelegt wurde. BILD

Kreditklemme – Letzte Ausfahrt Zentralbank. Die gigantische Liquiditätsspritze der EZB ist die letzte Bewährungsprobe für die Banken. Reichen sie das Geld nicht an die Unternehmen weiter, müssen Regierungen oder Notenbank eingreifen Financial Times Deutschland

Die Zustimmung zu diesem (militärischen) Teil der Aussenpolitik ist schwankend – auch weil die Skepsis gegenüber militärischer unterfütterter Außenpolitik in Deutschland groß ist. Das liegt nicht daran, dass die Leute zu wenig über Realpolitik und Militär wissen, sondern eher daran, dass es im ersten Jahrzehnt dieses Jahrhunderts schon zu viel Realpolitik gegeben hat. Auch zu viele Gefallene. Süddeutsche Zeitung

Die iranische Opposition entwickelt ein neues Selbstbewusstsein. Sie ist eine „Yes, we can“-Bewegung. Das Regime muss künftig mit ihr rechnen, selbst wenn es diesmal noch siegt. Frankfurter Rundschau

Republik ohne Volk, nach dem blutigen Samstag glaubt den Mullahs niemand mehr. Die Welt

Die Bilder vom Tod Neda Soltanis verbreiten sich um die ganze Welt. Doch wer die Brutalität des Teheraner Regimes verstehen will, muss der Studentin nicht beim Sterben zusehen. DIE ZEIT

Generalprobe am Kap. Vor vergleichender Eigenwerbung schrecken die Gastgeber nicht zurück. „Die Fußball-Weltmeisterschaft 2010“, sagt Danny Jordaan, der Geschäftsführer des WM-Organisationskomitees, „wird die größte, beste und sicherste aller Zeiten.“ FAZ

The Press Stops Playing Nice with Obama Time

Iran’s Democrats Deserve Full Support
, appeasing tyrants has never worked in the past, meint Gary Kasparow im Wall Street Journal