Abwrackprämie, Wahlkampf & Schmiergelder bei Ärzten

Man könnte den Eindruck gewinnen, die Abwrackprämie sei ein voller Erfolg ohne Nebenwirkungen. Tatsächlich ist sie ein teures kurzfristiges Vergnügen, das den Markt für junge Gebrauchtwagen zerstört, den Geldstrom in eine Branche geleitet und Fabriken in Rumänien oder Polen ausgelastet hat. FAZ

Der deutsche Automarkt legte im August um sagenhafte 28 Prozent zu. Der amerikanische Absatz zog immerhin um ein Prozent an, das erste Plus im Jahresvergleich seit Herbst 2007. Endlich Grund zum Feiern für die gebeutelten Autobauer. Ist der Nachfrageeinbruch gestoppt? Mitnichten. Die Bewährungsprobe steht erst an Handelsblatt

Für die Umwelt tat die Umweltprämie nicht wirklich viel, weil es keine Emissionsvorgaben gab. Viele kleine Autos wurden verkauft, größere verschrottet: Ja, so sinken Verbrauch und CO2-Ausstoß. Aber absolut fahrtüchtige Wagen zu verschrotten, bleibt ökologischer und ökonomischer Unsinn. Tagesspiegel

Ein entscheidender Mangel der Prämie aus Sicht der deutschen Hersteller war die „asymmetrische Erfolgsbeteiligung“, wie es Verbandspräsident Matthias Wissmann euphemistisch umschreibt. Da mit der Umweltprämie vor allem kleine Fahrzeuge überwiegend ausländischer Hersteller erworben wurden, profitierten maßgeblich die Importmarken. Börsenzeitung

Die vielkritisierte Abwrackprämie war kein Sündenfall, sondern ist eher ein Modell für andere Branchen. taz

Jetzt müssen die Autohändler die Krise ohne Staatshilfe bewältigen. Doch gerade da liegt das Problem. Die nach wie vor weltweit vorhandenen Überkapazitäten in der Branche sind durch die staatliche Förderung nur überdeckt Kölner Stadtanzeiger

Autobauer setzen Hoffnung in den Export. Der Fördertopf für die staatliche Abwrackprämie ist leer, doch die Autohersteller geben sich verhalten optimistisch. Der Verband VDA setzt nun auf das Ausland. Experten erwarten außerdem eine Rabattschlacht, um Nachfrageeinbrüche auszugleichen. FAZ

Ein guter Mediziner macht sich danach jedoch auf die Suche nach der Ursache des Übels – und schiebt nicht einfach weitere Schmerztabletten nach. Übertragen auf die Autoindustrie bedeutet das: Nicht die Verbraucher sind das Problem, die sich weigern, von alleine in Scharen die Autohäuser zu stürmen. Sondern die Hersteller, die Autos am Bedarf der Kunden vorbei anbieten. Nürnberger Nachrichten

Am Anfang überwog die Skepsis, dann folgten Spott und Hohn – und heute müssen deutsche Ökonomen zähneknirschend einräumen: Ja, die Abwrackprämie hat ihren Zweck erfüllt. Tatsächlich kam sie sogar genau zum richtigen Zeitpunkt und half, den Exitus der Industrie zu verhindern. Volkswirte aber wollen die Krise trotz guter Konjunkturdaten noch nicht zu den Akten legen. Handelsblatt

Wahlkampf

Sind Sie apathisch geworden? Diese Wahl jedenfalls wird nur von zwölf Prozent der Deutschen, was Allensbach gerade erkundete, als „Schicksalswahl“ begriffen, „bei der sich die Zukunft Deutschlands entscheidet“. 1998 waren es 45 Prozent gewesen, 2005 sogar 47 Prozent. Wir erleben also einen Tiefststand an Schicksalgesumme, und dies erstaunlicherweise in einer Zeit, die durchaus Krisenmomente kennt Die Welt

Stinos ohne Heimat Das „bürgerliche Lager“ gibt es nicht, selbst bürgerliche Politiker sind selten geworden. Die CDU und die Linkspartei kommen dem stinknormalen Ideal noch am nächsten. Tagesspiegel

Man hat vor 20 Jahren die SED gestürzt. Jetzt soll man die Nachfolgepartei ins Ministeramt wählen? Das ist die Emotion. Sie ist menschlich, verständlich. Sie hat ihre Berechtigung. Aber nicht als Maßstab in der Politik. Nicht als Begründung für strategische Entscheidungen. Berliner Zeitung

Warten auf den Königsmörder, in Thüringen scheint nach der Landtagswahl beinahe alles möglich und auch wieder nichts: Wer das Land künftig regiert, ist offen – die Favoriten könnten am Ende leer ausgehen. Süddeutsche Zeitung

Durchregiert wird nicht. Selbst bei einem Wahlsieg von Union und FDP darf die Wirtschaft nur wenig Reformfreude erwarten. Eine schwarz-gelbe Koalition ist weder so gefährlich noch so attraktiv wie viele glauben. Financial Times Deutschland

Im Wahlkampf wird die Außenpolitik ausgespart. Die Wirtschaftskrise hat weder Platz noch Namen. Dabei ist man hier zu Lande so abhängig von der Weltwirtschaft. Die Welt

Nach viel Merkel nun noch mehr Merkel, die Union tritt in die zweite Phase des Bundestagswahlkampfs ein. Forderungen einiger CDU-Politiker nach einem Strategiewechsel werden abgewiesen. Stattdessen gibt es nun Merkel in Potenz: in Print, Funk und Fernsehen. FAZ

Die neue Unübersichtlichkeit: Oh Gegner, wo bist Du? Die Zeit

Rachsucht und Pragmatik: Es könnte passieren, dass Rot-Rot-Grün trotz inhaltlicher Übereinstimmung scheitert. Verantwortlich für den Kleinkrieg an der Saar sind Ereignisse der jüngeren Vergangenheit. taz

CDU-Politiker Merz denkt an Polit-Comeback. Das Verhältnis zwischen ihm und der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel gilt als gespannt. Für Friedrich Merz war das mit ein Grund, aus der Politik auszusteigen. Für immer? Wohl nicht. Bei einer Wahlveranstaltung in Berlin sprach der einstige Unions-Finanzexperte offen über ein Politik-Comeback. Und er nannte Bedingungen dafür. Handelsblatt

Schmiergelder bei Ärzten

Die einen wünschen sich Patienten, die anderen „verkaufen“ Patienten. Unmoralisch, unlauter, korrupt oder regulärer Wettbewerb um Kranke? Das Überraschende ist, dass nicht irgendein notorischer Kritiker des Gesundheitswesens diese Frage stellt, sondern ein Fachverband der Urologen. Hannoversche Allgemeine

Ärzte sollen von Kliniken für die Einweisung von Patienten Schmiergeldzahlungen erhalten. Das ist zwar kein Schwerverbrechen, kann aber als „Nebeneffekt“ schwer wiegende Folgen haben. Besonders dann, wenn die Patienten in ein nicht qualifiziertes Klinikum überwiesen werden. Kölner Stadt-Anzeiger

Pranger für Korrupte: Es gibt ein einfaches Mittel, gegen die Fangprämien vorzugehen: Die Kliniken sollten die Namen der Ärzte veröffentlichen, die Geld fordern. Deren Praxen wären zu Recht erledigt. Frankfurter Rundschau

Einfalltor für Mauschelei, warum Praxen und Kliniken verzahnt werden müssen NRZ

Schmiergeldzahlungen, die zwischen Ärzten und Krankenhäuser fließen, können darüber hinaus als „Nebeneffekt“ lebensgefährliche Folgen haben. Wenn ein Arzt gegen Bares einen schwer kranken Patienten, der einer hochspezialisierten Behandlung bedürfte, an ein hierfür nicht qualifiziertes Klinikum überweist, wird aus Korruption ein lebensbedrohendes Delikt Mitteldeutsche Zeitung

Ärzteschaft und Kliniklobby beschimpfen sich nun wechselseitig für ihr moralisches Versagen. Wie kleinkariert! Beide Seiten müssen schleunigst über ihren Schatten springen und hart gegen derlei Praktiken vorgehen. Für den Patienten macht es nämlich keinen Unterschied, ob der Arzt selbst eine „Kopfprämie“ verlangt oder ob sie ihm „aufgedrängt“ wird. Lausitzer Rundschau

one more thing!!

Die Wirtschaftskrise ist an vielen vorbeigegangen wie ein Schuss mit Schalldämpfer: Irgendwas Gefährliches war, doch hören konnte man es kaum. Doch das bleibt nicht so. Süddeutsche Zeitung

Leitartikel

Kein Zweifel: Unser Gesundheitssystem entwickelt sich immer mehr zum Selbstbedienungsladen. Jeder nimmt sich, was er kriegen kann. Auf Kosten der Beitragszahler. Und da wundern wir uns über steigende Beiträge … BILD

Angela Keynes: Der Politik ist mit der Abwrackprämie ein kleines Wunder gelungen – die Wirtschaft stürzte nicht so stark ab wie befürchtet. Doch die Bundesregierung hat sich nur ein wenig Zeit erkauft. Schon bald wird diese Krise mit voller Wucht auf die Hersteller durchschlagen. Süddeutsche Zeitung

Abwracken für den Aufschwung? Der Topf für die Abwrackprämie ist leer AZ München

Verbietet den Bonus. Manager und Banker, die mit ihrem Vermögen kein Risiko eingehen, dürfen nicht abkassieren. Höchste Zeit, dass die G20-Staaten wenigstens der Boni-Unkultur den Garaus machen. Frankfurter Rundschau

Lebenswert leben, Senioren brauchen zuverlässige soziale Netzwerke Die Welt

Mit Hatoyama in eine neue Ära. In der japanischen Politik beginnt eine neue Ära. Zum ersten Mal in der Nachkriegszeit haben die Wähler einer anderen Partei als der LDP die Regierungsverantwortung übertragen. Von der neuen Spitze erhoffen viele Bürger die Wiederherstellung eines sozialen Netzes. FAZ

Ein neuer Präsident muss her, fünf Jahre lang war Barroso Präsident der Europäischen Kommission. Um das Projekt Europa zu retten, darf er nicht noch einmal gewählt werden. Die Zeit

Afghanistan – Späte Ehrlichkeit der EU. Der Entwurf aus Brüssel für einen neue Afghanistanstrategie räumt in erstaunlicher Offenheit Fehler des Westens ein. Um ihren Einsatz doch noch zu einem Erfolg zu machen, müssen die Europäer deutlich mehr tun – und zwar politisch, militärisch und finanziell. Financial Times Deutschland

Behind Florida’s Exodus: Rising Taxes, Political Ineptitude TIME

What’s Right With Afghanistan, a poll earlier this year showed Taliban support at 6%. Wall Street Journal

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Die Wichtigsten der Welt im Informationszeitalter, zusammengestellt vom US-Magazin Vanity Fair