Bundestagswahlkampf, Atompolitik, EU-Kommission

Der Zwist von CDU und CSU vermittelt einen Vorgeschmack auf die Regierungsbildung einer schwarz-gelben Koalition. Da werden drei Parteien mit unterschiedlichsten Befindlichkeiten der Republik ein paar Chaos-Wochen voller Profilneurosen und fauler Kompromisse zumuten. Wie war das noch? Nur die „stabile Union von CDU und CSU“ könne Deutschland aus der Krise führen, sagt die Kanzlerin. Es darf gelacht werden, mokiert sich die Frankfurter Rundschau.

Man mag es drehen oder wenden wie man will: Realistisch bleibt für die SPD nur große Koalition oder Opposition. Letztere ist keineswegs, wie das so gern zitiert wird, Mist. Im Gegenteil: Ohne starke Opposition funktioniert die Demokratie nicht. […] Eine Dreier-Koalition also ist für die SPD unrealistisch, ein Oppositions-Wahlkampf nicht vermittelbar. Es bleibt das Ziel, Schwarz-Gelb zu verhindern und in einer möglichen großen Koalition recht stark zu werden. Genau das hat Peer Steinbrück gemeint, so die Süddeutsche Zeitung.

Nachgerade lächerlich ist die Ansage des Bundeskanzleramts, Frau Merkel habe beim besten Willen keine Zeit für die 90-Minuten-Runde erübrigen können. Am Dienstag noch war sie zwölf Stunden lang mit dem „Adenauer“-Express winkend durchs Land gefahren. Aber in der schönen alten Eisenbahn hat ihr ja auch niemand widersprochen. Ganz wie es Monarchen mögen, meint der Kölner Stadt-Anzeiger.

Steinbrück hat in allem, was er sagt, die Ehrlichkeit auf seiner Seite. Steinmeier kann nur mit der Linken und/oder der FDP Kanzler werden – in einer Koalition gegen den Wahlsieger, meint der Bonner General-Anzeiger.

Peer Steinbrück hat sich die Frechheit herausgenommen, das Denkbare auch zu denken. Und zu sagen. Das ist durchaus erfrischend in diesem verschwiemelten Wahlkampf. […] Wer die Große Koalition im Munde führt, sagt auch: Jede Stimme für die SPD ist eine Stimme für den Stillstand. Es ändert sich nichts, urteilt die Märkische Allgemeine.

Die Chiffre Schwarz-Gelb suggeriert nur die Existenz von politischer Richtung, wo sich in Wahrheit wirklich bloß FDP und Union befinden, ein koalitionswilliges Lager. Produktiv kann das Fünfparteiensystem werden, wenn die alten Parteien sich zur Bearbeitung der Defizite herausfordern lassen, denen die neue ihren Erfolg verdankt. Verändern müssten sich dabei alle fünf, findet der Tagesspiegel.

Atompolitik

Selbst gestandene Atomkraftgegner sehen das Kalkulierte in Gabriels gespielter Empörung. Der eigentliche Skandal ist aber: Die verhuschte Art, wie die Politiker, die Atomenergie nicht grundsätzlich verteufeln, auf Gabriels Attacken reagieren. […] Wenn er Recht gehabt hätte und im Forschungsministerium läge ein Papier, in dem 100 Spitzenforscher den Wiedereinstieg in die Kernenergie empfehlen: Was wäre schlimm daran? fragt Die Welt.

Das nennt man Feigheit. Wer mag glauben, nach der Bundestagswahl entspannter über ein so heikles Thema diskutieren zu können? Wer will in einer neuen Koalition eigene energiepolitische Duftmarken setzen, wenn er die eigenen Studien verschlossen hält? fragt die Märkische Allgemeine

Egal ob die Wissenschaftler die Ergebnisse ihrer mit öffentlichen Geldern finanzierten Studie noch nicht publiziert sehen wollten: Diese Form einer politischen Entmündigung hat eine in der Atomfrage durchaus interessierte Öffentlichkeit nicht verdient., meint der Bonner General-Anzeiger.

EU-Kommission

Neben Barroso gibt es in Europa noch etliche Politiker, die nach dessen Wiederwahl erleichtert gewesen sein dürften – allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel. Mitten im Wahlkampf hat sie ein Problem weniger, vermutet die Frankfurter Rundschau.

Kein Kommissionspräsident vor ihm hat vorab ein derart umfangreiches Arbeitsprogramm vorgelegt und sich gegenüber den Fraktionen zu so weitgehenden Zugeständnissen verleiten lassen. […] Mit diesem Gemischtwarenangebot hat der alte und neue Kommissionspräsident letztlich aber seinen Ruf bestätigt, er habe keine eigene Linie, wechsele die Farben „wie ein Chamäleon“, urteilt die FAZ.

Eine Politik, die auf zu viele Befindlichkeiten Rücksicht nimmt, wird zur ständigen Suche nach dem kleinsten gemeinsamen Nenner. Barroso beteuert nun, den Regierungen stärker die Stirn bieten zu wollen. […] Allein es fehlt der Glaube, dass sich der Portugiese tatsächlich mehr traut, so die Kölnische Rundschau.

Die Aufgaben, die vor der nächsten Kommission liegen, sind gewaltig. […] Denn die 27 Mitgliedstaaten sind in der Krise auseinandergedriftet. Zwischen akut absturzgefährdeten Ländern wie Irland oder Lettland und rekonvaleszenten Volkswirtschaften wie Deutschland und Frankreich gibt es kaum noch Gemeinsamkeiten. Egoismus und Nationalismus sind auf dem Vormarsch. […] Selbst der Binnenmarkt, die tragende Säule der gemeinsamen Wirtschaftspolitik, ist in Mitleidenschaft gezogen. Höchste Zeit also für eine Generalüberholung der Union, meint das Handelsblatt.

…one more thing!

Sophie und Alexander haben Glück: Ihre Lehrer halten sie für leistungsstärker als Kinder, die Chantal oder Justin heißen. Eine Studie zeigt, dass Grundschulpädagogen Vorurteile gegen bestimmte Vornamen hegen – und manche Kinder deswegen sogar als besonders verhaltensauffällig einstufen. Spiegel

Leitartikel

Das Elektromobil verkörpert zwar die Zukunft des Autos. Aber auch der Individualverkehr muss bald überwiegend auf Schienen laufen. Am Klimaschutz kann keiner vorbeifahren. Frankfurter Rundschau

Tolle neue Auto-Welt? Nein! Das Elektroauto ist das klimapolitische Feigenblatt der Autobauer. Damit beruhigen sie ihr schlechtes Umwelt-Gewissen, weil die Konzerne viel zu spät auf neue Techniken gesetzt haben. BILD

Es war keine große, es war lediglich eine alte Koalition. Junge Menschen können fast schon depressiv werden, wenn sie auf den deutschen Schuldenberg blicken. Süddeutsche Zeitung (Print).

Der Finanzminister hat ausgesprochen, was jeder halbwegs informierte Wähler weiß: Eine Ampel wird es mit der FDP nicht geben.Financial Times Deutschland

Kleine Kinder rief man früher gerne zur Räson, indem man mit dem schwarzen Mann drohte.Nach diesem Muster ging es vor gar so langer Zeit auch in Wahlkämpfen gerne zu.Motto: Kommen die anderen dran, dann droht der schnelle Untergang. Die Welt

Unter Merkel und Steinmeier hat die CSU nicht viel zu melden – Angela Böhm, AZ-Landtagskorrespondentin, zum Verhältnis von CSU und FDP. Abendzeitung

Deutschland ist ein sicheres Land, in dem Irrsinnige ihr unberechenbares Unwesen treiben. Deshalb wäre auch eine Heraufsetzung des Strafmaßes sinnlos. Vielmehr muss auf Erziehung in Jugendstrafanstalten, höhere Polizeipräsenz und die Schaffung von Arbeitsplätzen gesetzt werden. FAZ

Das Europäische Parlament hat José Manuel Barroso als Kommissionschef bestätigt – aus Mangel an anderen Kandidaten. Eine vorbildliche Demokratie sieht anders aus. Zeit

Baucus Releases $856B Health-Care Bill Time