Hartz-IV, Kirche, Opel, EU-Kommission & Griechenland

Größtmögliche Ohrfeige. Ein großer Tag für den deutschen Sozialstaat. Die große Koalition der Hartz-IV-Trickser hat bekommen, was sie schon längst verdiente – vom Bundesverfassungsgericht. Frankfurter Rundschau

Hartz-IV-Urteil wird zum Härtefall für die Regierung. Die Aufgabe ist schwierig und doch richtig. Im Eiltempo muss die Regierung eine nachvollziehbare Berechnung der Hartz-IV-Sätze entwickeln. Das war überfällig. Ein Problem aber wird bleiben – die Gerechtigkeitslücke bei Geringverdienern. Financial Times Deutschland

Hartz-IV-Sätze sind verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht entschieden. Die Richter gaben dem Gesetzgeber auf, die Vorschriften bis zum Jahresende neu zu fassen. Ob Bezieher des Arbeitslosengeldes II deshalb mehr Geld bekommen müssen, ließ das Gericht ausdrücklich offen. FAZ

Das Ende der Willkür. Selten hat ein Urteil sozialpolitische Ignoranz so bloßgestellt wie der Richterspruch zu Hartz IV. Er ist ein Offenbarungseid für die Politik. Die Zeit

Sozialpolitik vor Gericht. Dem Karslruher Urteil zur Großbaustelle Hartz IV ist anzumerken, dass sich auch die Verfassungsrichter um den in Schieflage geratenen Sozialstaat sorgen: Wenn es sich nicht mehr lohnt zu arbeiten, ist auch der Anspruch auf das Nötigste nichts mehr wert. FAZ

Versteckte Falle für Angela Merkel. Das Urteil des Verfassungsgerichts zu Hartz IV war keine Revolution. Und doch werden sich Union und FDP noch wundern: Die Sprengkraft des Spruchs liegt nämlich im Detail Stern

Mehr Herz für Hartz IV. Die Regierenden haben geschlampt und müssen nun bei Hartz IV für Kinder nachbessern. Die Entscheidung der Verfassungsrichter ist weise: Sie fordern eine Reform ohne Gießkannenprinzip. Statt die Hilfe pauschal zu erhöhen, soll der Staat jeden Fall genau prüfen – zum Wohle der nächsten Generation Spiegel Das bedeutet das Sensations-Urteil Bild

„Verfassungswidrige Abwärtsspirale“. Der frühere Wirtschaftsweise Bert Rürup erwartet dennoch keine Generalrevision der Arbeitsmarktgesetze. Für einen sinnvollen Lohnabstand müsste sich die Politik ohnehin zu einem allgemeinen Mindestlohn durchringen. Manager Magazin

Fördern und Fordern“. Höhere Hartz-IV-Sätze freuen die Betroffenen, aber lösen das Problem nicht. Helfen kann nur eine breit angelegte Bildungsoffensive – und die konsequente Anwendung des Prinzips „Fördern und Fordern“. Wirtschaftswoche

Was der Mensch zum Leben braucht taz

Der Reiz des Nichtstuns. Arbeit muss sich auszahlen. Doch die Nettolöhne sind in Deutschland oft so niedrig, dass die Grenzen zwischen Lohn und Hartz IV verschmelzen. Geringverdiener könnten ins Grübeln kommen. Süddeutsche Zeitung

Entscheidung des Verfassungsgericht zu Hartz IV im Wortlaut

Kirche und Sexualität

Das Tier soll in den Käfig. Dass die Kirche wegen sexuellen Missbrauchs unter Generalverdacht steht, ist unfair. Dennoch muss sie das speziell katholische Verhältnis von Sex, Religion und Macht revolutionieren. Süddeutsche Zeitung

Beten, arbeiten, schweigen: Die katholische Kirche ist wegen ihrer Heimlichtuerei im Umgang mit Missbrauchsfällen massiv unter Druck. Die Täter würden stärker geschützt als die Opfer, bemängeln Kritiker – und hoffen nun, dass sich die Bischöfe eines Besseren besinnen. Spiegel

Niemand hat geholfen Ansgar B. war Schüler des katholischen Canisius-Kollegs. Er wurde Opfer von Übergriffen und hat lange darunter gelitten. Berliner Zeitung

Opel-Sanierungsplan

Opel bittet nochmals um Staatskredit. GM hat Details des Opel-Sanierungsplans bekannt gegeben. 8300 Stellen in Europa sollen wegfallen, das Werk in Antwerpen geschlossen werden. Von Deutschland will GM 1,5 Milliarden Euro Staatshilfe einsammeln. Doch jetzt stellt sich die IG Metall quer und fordert Bund und Länder auf, den Plan nicht zu unterstützen. FAZ

Schlechtes Geschäft. General Motors kappt Tausende Opel-Jobs und ruft gleichzeitig nach deutscher Staatsknete – das ist dreist. Es sollte kein Geld fließen. Süddeutsche Zeitung

Nichts gelernt. Um Opel aus der Krise zu retten, will Nick Reilly, Europa-Chef von General Motors, die Länder zur Kasse bitten. Dabei sollte viel eher GM als Eigentümer belangt werden. Es scheint als mache das neue Management alte Fehler. Kölner Stadt-Anzeiger

Rechenkünstler Reilly. General Motors baut hierzulande mehr als 3900 Arbeitsplätze ab und fordert für die Sanierung von Opel vom deutschen Steuerzahler 1,5 Milliarden Euro. Wie passt das zusammen. Wirtschaftswoche

Politik darf gegenüber GM nicht einknicken. Opel-Chef Nick Reilly will 3900 Stellen abbauen und das Unternehmen umstrukturieren. Bezahlen soll der Steuerzahler – getrieben durch die nicht offen ausgesprochene Drohung der Werks-Schließungen. Davon darf sich die Regierung nicht beeindrucken lassen. Auch GM muss an der Sanierung beteiligt Die Welt

Gute Autos fallen nicht vom Himmel General Motors schätzt die Lage falsch ein – und verlangt für Opel Geld vom Staat. Tagesspiegel

Die lange überfällige Opel-Sanierung ist kein Selbstläufer, der Drops noch nicht gelutscht. Natürlich sagen alle angesprochenen Parteien genaue Prüfung des Antrags auf Staatshilfe zu. Aber zumindest in Deutschland scheint Einigkeit darin zu bestehen, „dass GM als Eigentümer seine Beteiligung an der Sanierung und Neuaufstellung deutlich erhöht“ Börsenzeitung

Lieber knauserig sein. Mit einem weiteren staatlichen Kredit will Opel-Chef Nick Reilly die Sanierung des Unternehmens finanzieren. Zu Recht stellt sich das Bundeswirtschaftsministerium die Frage, ob General Motors den Umbau nicht doch aus eigener Kraft stemmen könnte. FAZ

Neue EU-Kommission

Die Feuerprobe beginnt. Gut drei Monate später als geplant nimmt die neue Kommission unter Präsident José Manuel Barroso jetzt ihre Arbeit auf. Vor ihr liegt ein gewaltiger Berg von Aufgaben. Kann Barrosos Team den bewältigen? Stern

Europas neue Balance. Die EU-Kommission ist gewählt, und das neue Parlament hat sich eine deutliche Aufwertung erkämpft. Diese Macht muss es nun nutzen. Frankfurter Rundschau

„Radikale Abwendung vom Status quo“ Nach einer bisweilen hitzigen Debatte hat das Europaparlament die neue EU-Kommission gebilligt, in der Günther Oettinger das Energieressort übernimmt. Kommissionspräsident Barroso sagte, nach den langen institutionellen Debatten könne die EU nun nicht einfach weitermachen wie bisher. FAZ

Mit der neuen EU-Führung wird eine Chance vertan. Europa könnte einen Schub gut vertragen. Dass dieser Energiestoß von der neuen EU-Kommission ausgehen könnte, die heute offiziell eingeführt wird, danach sieht es leider so gar nicht aus Nürnberger Nachrichten

Griechenland

EU erwägt jetzt doch Hilfe für Griechenland. EU-Währungskommissar Almunia hat Spekulationen auf baldige finanzielle Unterstützung der EU für Griechenland genährt. Offenbar arbeitet eine Gruppe mit hochrangigen Vertretern aus den Kern-Euro-Ländern und der EZB mit Hochdruck an einer Lösung. Man kann sich viel vorstellen – sogar einen EU-Währungsfonds. FAZ

Europas Reifeprüfung. Hektik ist selten ein guter Ratgeber. Umso schlimmer, dass die Rettung Griechenlands vor der drohenden Staatspleite nach wochenlangem Zögern nun überaus hektisch zu geraten scheint. Financial Times Deutschland

Common Bond? No! Die EU hat Griechenland finanzpolitisch unter Kuratel gestellt. Jetzt fordern die Griechen, die EU solle ihnen durch eine Gemeinschaftsanleihe helfen. Das ist eine ganz schlechte Idee. Wirtschaftswoche

Krise dritter Teil. Inzwischen haben einige Staaten ähnliche Zahlungsprobleme wie die Banken. Das könnte einen Crash an den Bondmärkten auslösen Financial Times Deutschland

Märkte feiern Aussicht auf Rettungspaket. Risikoaufschläge der Euroland-Peripherie sacken ab – Euro klettert zeitweise über 1,38 Dollar Börsenzeitung

Market Frenzy Over Greece Is Disturbingly Familiar New York Times

Greece’s Fiscal Woes Bring Bailout Questions. While ECB and National Banks Can’t Bail Out Nation, Neighboring Euro-Zone Countries or the IMF Could Step In Wall Street Journal

… one more thing!!

The Soviet Victory That Never Was. The Soviet Union came closer than many think to achieving its objectives in Afghanistan. How it almost managed to win — and why it ultimately did not — should serve as a lesson for U.S. policymakers today Foreign Affairs

Leitartikel

Der Sozialstaat ist Handausstrecker für die, die eine helfende Hand brauchen. Und er muss, mit Maß und Ziel, Schicksalskorrektor sein. Das alles steckt in diesem Urteil. Es ist ein wertvolles Urteil. Süddeutsche Zeitung

Heraus aus der Sackgasse Kinder sind kein Prozentsatz vom Erwachsenenleben, sagt das Bundesverfassungsgericht. Eine politische Antwort muss endlich unsere Bildungsträgheit überwinden, die knappen öffentlichen Mittel klug da einsetzen, wo sie Kindern nützen. Sie muss mit Mindestlöhnen den Fall der Einkommen nach unten stoppen. Tagesspiegel

Schluss mit der Willkür bei Hartz IV. Die Menschenwürde ist unantastbar, auch die der Armen. Das haben die Bundesverfassungsrichter in ihrem Hartz-IV-Urteil festgestellt – eine Ohrfeige für die Regierung. Frankfurter Rundschau

Wer der Jugend hilft, sichert die Zukunft. Es ist schon bezeichnend, dass Politiker nach dem Hartz-IV-Urteil des Verfassungsgerichtes gleich wieder das Wort ergriffen. So stellte Arbeitsministerin von der Leyen die Frage, was ein Kind wohl für seine Bildung benötige. – Als hätte man dies nicht schon längst klären müssen! WAZ

Licht und Schatten. Hurra! Jetzt von ganz oben festgestellt: Kinder wachsen AZ München

Natürlich gönnt jedermann Kindern und Familien irgendwie mehr Geld. Klar. Aber was ist mit denen, die mit kleinen und mittleren Gehältern dafür aufkommen müssen? Dazu sagten die Richter kein einziges Wort! […] Die Hartz-IV-Empfänger haben gestern gewonnen. Aber sie haben dabei diejenigen besiegt, die für sie zahlen. Das spaltet. Das kann nicht gut gehen. BILD

Die Priester, der Leib und die Pädophilie. Katholizismus und Sexualität, ein schwieriges Feld. Kirchengegner pflegen liebend gerne ihre antiklerikalen Vorurteile. Sicher gab es sexuelle Übergriffe. Und die Kirchenleitung verhielt sich nicht vorbildlich. Aber aus der katholischen Kirche einen Hort des Kindesmissbrauchs zu machen, geht zu weit. Die Welt

Falsche Schadenfreude. Die USA riskieren mit ihrem harten Kurs gegen Toyota diplomatische Verstimmungen, im schlimmsten Fall einen Handelskrieg. Das aber würde vor allem Amerika selbst schaden Financial Times Deutschland

Schwankende Brücke. Viktor Janukowitsch, der Mann aus dem sowjetisch geprägten Donbass, wird Präsident der Ukraine. Die Wahl ist gut verlaufen, und so sind jetzt schon zwei Folgerungen möglich: Einerseits ist die Ukraine neben den baltischen Ländern der einzige wirklich demokratische Nachfolgestaat der Sowjetunion. FAZ (Print)

We need two school systems. Education in America could use a big dose of innovation. How about one public school system for employees, and another for entrepreneurs? USA Today

The House of Tranquillity. Barack Obama and Joe Biden once had a Felix and Oscar air about them. But in recent months, Obama has found a way to use Biden’s skills, while Biden has found ways to be of use. New York Times