Wahlkampf, Guttenberg-Papier, Abwrackprämie & US-Gesundheitsreform

Am langen Arm der Gentle-Lady. Immer wildere Schwinger teilt die SPD aus. Aber sie erreicht die Gegnerin nicht mal. Frankfurter Rundschau

Entweder ist es Faulheit, Zynismus oder ein Erfolg der Wahlkampf-Verhinderungsstrategie der Bundeskanzlerin, dass es noch keine lebhafte Debatte über die wirtschaftspolitischen Vorstellungen von SPD und Union gibt – ein Mangel an Unterscheidbarkeit kann nicht der Grund sein. Handelsblatt

Anders als seinem einstigen Vorgesetzten fehlt dem Kanzlerkandidaten der SPD die Mischung aus Skrupellosigkeit und unbedingtem Drang hin zum Amt. Auch im Fall Afghanistan will Steinmeier bislang nicht aus wahltaktischen Gründen von seinen Positionen abrücken. FAZ

SPD-Chef Müntefering hat in seiner politischen Verzweiflung wegen der unverändert desaströsen Umfragen den letzten vermeintlichen Trumpf gezogen und die Kanzlerin nicht inhaltlich, sondern als Person angegriffen Kölnische Rundschau

Geschichte wiederholt sich doch: Die Wadan-Werften, Leuchttürme im strukturschwachen Mecklenburg-Vorpommern, suchen einen neuen Investor – und finden ihn in Russland. In Berlin und Schwerin hofft und bangt man nun, dass alles gut ausgehen möge, sechs Wochen vor dem 27. September. FAZ

Ullas Extratouren! Formal korrekt gehandelt – aber was die neuen Details zur Dienstwagen-Nutzung der Gesundheitsministerin anrüchig macht, ist ihr abenteuerlicher Argumentationswechsel Frankfurter Rundschau

Bildung ist unsere Zukunft. So viel Konsens ist sonst nirgends. In allen Wahlprogrammen steht es drin; die Parteien und unsere Spitzenpolitiker können es gar nicht oft genug sagen. Viertklässler oder Erstsemesterstudenten wissen es besser. Tagesspiegel

Wirbel um zu Guttenberg-Papier

Die SPD lästert aus Prinzip, dabei ist das Papier in vielen Punkten gar nicht mal so schlecht. Doch wie sollen zentrale industriepolitische Frage gelöst werden? Süddeutsche Zeitung

Die SPD hat einen Deutschland-Plan, die Union keinen. Aber dafür einen Wirtschaftsminister, der sich aus Angst vor dem Wähler auf Kosten seiner Mitarbeiter von ganz eigenen Deutschland-Plänen seines Ministeriums distanziert. Hilfe! Dieser Wahlkampf hört nicht auf, uns zu verdrießen. Und wir haben erst Mitte August. NRZ

Ach, wie schade. Da hatten wir gedacht, doch wenigstens mal einen Zipfel konkreter Pläne für eine schwarz-gelbe Wirtschaftspolitik nach siegreich bestandener Bundestagswahl vor Augen geführt zu bekommen. Berliner Zeitung

Der nächste, aber nicht letzte Versuch der SPD, doch noch irgendwie ein Wahlkampffass aufzumachen. Jetzt soll es eine industriefreundliche Ideensammlung des Wirtschaftsministeriums sein, mit der der smarte Blitzaufsteiger zu Guttenberg doch noch als menschenverachtender Bösewicht entlarvt und zum Paul Kirchhoff des Wahlkampfes 2009 gemacht werden soll. Obwohl er noch gar nicht richtig begonnen hat, ist mit dieser schwarz-gelben Sockenkampagne schon wieder ein intellektueller Tiefpunkt des Wahlkampf-Niveaus erreicht. Leipziger Volkszeitung (Print)

Zu einer „alten Stoffsammlung“ nur zum „internen Gebrauch“ verkam der Plan erst nach dem gewerkschaftlichen Aufschrei über die Beschneidung von Arbeitnehmerrechten und der Einsicht bei der Union über die Unpässlichkeit dessen mitten im Wahlkampf. Der Inhalt dieser 52 Seiten erschien der Partei jedenfalls weit gefährlicher als die Bloßstellung ihres hoch gelobten Newcomers. Thüringer Allgemeine

Das „industriepolitische Gesamtkonzept“ Guttenbergs offenbart eine extrem konservative Wirtschaftspolitik – zu Lasten des Sozialsystems. Ein Beweis seiner Ideenarmut. taz

Abwrackprämie

Der Kleinwagen-Kaufrausch der Deutschen ist jetzt bald vorbei. Die Kontingente für die Abwrackprämie sind fast erschöpft. Da liegt es nah, anhand erster Zahlen der Statistiker aus Wiesbaden eine Zwischenbilanz zu ziehen. Kölnische Rundschau

Kritiker und Skeptiker messen die Prämie an unterschiedlichen Zielen. Als reine Konjunkturmaßnahme hat sie ihren Zweck erfüllt, dennoch lässt sie zu wünschen übrig Financial Times Deutschland

Die Schrottprämie war ein psychologisch immens wichtiges Signal: Der Staat bewahrt auch in der Krise seine Handlungsfähigkeit und ist bereit, unter hohen Kosten eine Abwärtsspirale zu verhindern. Wie viel die Schrottprämie wirklich gebracht hat, wird sich nie genau bestimmen lassen. Berliner Zeitung

Für die Umwelt hat der Verschrottungs-Bonus wenig gebracht. Ökonomisch sinnvoll war sie nur bedingt. Die Prämie half zwar, den Absturz etwas abzufedern. Sie hat aber auch den fälligen Strukturwandel in der Autoindustrie verzögert. Kölner Stadtanzeiger

Offiziell heißt die „Abwrackprämie“ zwar „Umweltprämie“, doch die landläufige Bezeichnung passt weitaus besser. Wie auch immer: Ihre Erfolgsbilanz ist zwiespältig Süddeutsche Zeitung

Psychodoping für die Wirtschaft. Die Umweltprämie für Autos ist erfolgreich. Das ist umso erstaunlicher, weil sich viele Argumente, die ihre Kritiker zur Einführung der Abwrackprämie Anfang des Jahres vorbrachten, bewahrheitet haben Nürnberger Nachrichten

US-Gesundheitsreform

Rückzug aus Einsicht, Barack Obama gibt auf: Eine allgemeine Krankenversicherung wird auch er nicht einführen. Tagesspiegel

Triumph der Schreihälse gegen Obama. Eine Gesundheitsreform kann in Amerika auch nach Barack Obamas Rückzieher noch gelingen. Doch seine Gegner haben Blut geleckt. Der Präsident wird geschwächt aus der Sommerpause zurückkehren Financial Times Deutschland

Obama hat beim Streit über die Gesundheitsreform ein Zugeständnis gemacht, damit der Kongress zustimmt. Pharmahersteller werden weiter prächtig verdienen. taz

Was früher das Herzstück von Obamas Gesundheitsreform war, ist heute nur noch ein „Scheibchen“: Der US-Präsident lernt, dass es nicht mehr die Menschen sind, die er überzeugen muss. Süddeutsche Zeitung

Je mehr es dem Präsidenten gelingt, die Debatte zu versachlichen, desto größer wird die Chance, dass die historische Reform gelingt, an der fünf seiner Vorgänger im Weißen Haus in den letzten 100 Jahren scheiterten. NRZ

The Public Option Goes Over. The big fight over ObamaCare is far from finished. Wall Street Journal

Why We Need Health Care Reform erklärt US-Präsident BARACK OBAMA in der New York Times

… one more thing!

„Listen, learn and lead“, in den ersten Wochen nach dem Amtsantritt von US-Präsident Barack Obamas folgten die amerikanischen Gesprächspartner der vorgegebenen Linie. Nun beanspruchen die USA wieder die Führungsrolle. Handelsblatt

Leitartikel

Angela Merkel weit vorn, Frank-Walter Steinmeier weit hinten – im bürgerlichen Lager braucht dem Anschein nach eigentlich niemand nervös zu sein. Doch außer der Kanzlerin, einer Frau mit Nerven wie Drahtseilen, strahlen wenige in der Union oder in der FDP Siegesgewissheit aus. FAZ (Print)

Regieren bis 2013 – das wird Nervensache, Heulen und Zähneklappern und ziemlich wenig Kür. Die Wahlkämpfer, Kanzlerin wie Kanzlerkandidat, wissen das längst. Auch deshalb halten sie sich so sehr bedeckt. BILD

Fonds – Karstadt lässt grüßen Anbieter wie DWS oder Allianz Global Investors haben ein Problem mit ihrem Geschäftsmodell: Sie verkaufen von allem etwas, aber machen nichts richtig. Die Kunden laufen ihnen zurecht davon. Financial Times Deutschland

Weder frei noch fair: Geisterwähler auf den Listen, in Hinterzimmern gekaufte Clan-Chefs. Demokratie sieht anders aus. Trotzdem gibt es in Afghanistan keine Alternative zu diesen Wahlen. Frankfurter Rundschau

Finanzkrise hat Kiew sturmreif gemacht. Meinst du, die Russen wollen Krieg?“ Der sibirische Dichter Jewgeni Jewtuschenko hat diese Worte unsterblich gemacht. Mit diesem Vers begann eines seiner bekanntesten Gedichte. Die Frage war eine rhetorisch. DIE WELT

Wer billig essen will, darf sich über Tricks nicht wundern: Betrug in der Gastronomie AZ München

Democracy in action and the obnoxious. Don’t get too outraged, those of you who are looking down your noses at those unreasonable, misinformed anti-healthcare-reform town hallers Los Angeles Times

We must face reality in Afghanistan. America still has a limited and achievable objective in Afghanistan: securing a viable state and preventing al-Qaeda from regaining its lost base. But US planners must recognise that the public will not countenance an endless demand for more troops. Financial Times