Heiner Geissler, Euro-Krise, Aegypten, Syrien, Fluglotsenstreik, Geburtenrate, Hausaerzte-Gesetz & Fernbusverkehr

Totaler Querdenker Heiner Geißler gehört nicht zu den Sprechautomaten, die sich schon entschuldigen, bevor sie etwas sagen. Der Begriff des „totalen Krieges“ lässt im Streit über Stuttgart 21 zwar jedes Maß vermissen, aber die Leistung des Schlichters umso größer erscheinen FAZ

Was das Goebbels-Zitat für Geißlers Ruf bedeutet Mit einer Mischung aus Strenge, Freundlichkeit und Humor führte Schlichter Heiner Geißler durch die Verhandlungen um Stuttgart 21. Seine Sturheit, mit der er jedes noch so kleine Detail geklärt haben wollte, war bewundernswert. Dass er nun mit derselben Akribie sein Goebbels-Zitat zu verharmlosen sucht, macht ihn wieder zu dem, der er bestimmt nicht mehr sein wollte. Süddeutsche Zeitung

Kriegszitat entlarvt Geißler – aber nicht als Nazi Das Nazi-Zitat Heiner Geißlers sagt einiges über diesen selbst und über Stuttgart 21 aus. Badische Zeitung

Magisches Denken Aus der Kritik an Heiner Geißler spricht magisches Denken – als würde bestimmten Wörtern per se etwas Böses innewohnen und es ließe sich bannen, indem man sie nicht ausspricht. taz

Aufregung ist nicht angemessen Heiner Geißler war schon immer einer, der die Provokation liebte – so auch jetzt mit dem Goebbels-Zitat. Die Empörungsgesellschaft stürzt sich auf den Stuttgart 21-Schlichter. Wir sollten uns aber alle besser abregen. Kölner Stadt-Anzeiger

Die personifizierte Reibefläche Der Streitschlichter beim Infrastrukturprojekt Stuttgart 21 hat eine Anleihe bei Joseph Goebbels („Wollt ihr den totalen Krieg?“) gemacht. Das ist auch für einen waghalsigen Rhetoriker wie Geißler ungewöhnlich. Die Kritik jedenfalls ist heftig. Der Kritisierte aber verteidigt seine Zuspitzung. Rheinische Post

Euro-Krise

Der Chef als Risiko Blass und angestrengt wirkt Silvio Berlusconi, als er vor die Abgeordnetenkammer in Rom tritt: „Unsere Banken sind solide“, sagt der Premier, „sie haben den Stresstest überstanden.“ Allerdings wirkt er dabei selber wie jemand, der genau weiß, dass er selbst den Stresstest noch lange nicht hinter sich hat. Berlusconi scheitert bei seinem Versuch, Führungskraft zu demonstrieren. Süddeutsche Zeitung

Berlusconi kämpft gegen das Misstrauen der Anleger Die Anleger sind nervös, Italien muss hohe Zinsen für Schulden zahlen. Nun versucht Regierungschef Berlusconi zu beruhigen: Die Wirtschaft sei vital, die Banken solide. ZEIT

Italien und Spanien versetzen die Märkte in Krisenstimmung Eine epochale Einigung sieht anders aus. Kurz nach dem großen Brüsseler Gipfel-Bohei ist die Sorge um Italien und Spanien größer denn je. Der Grund: Die Regierungen in Rom und Madrid haben versagt. Investoren bereiten sich nun auf den Ernstfall vor, die Euro-Krise kehrt mit voller Wucht zurück. Süddeutsche Zeitung

In der Schuldenfalle Wenige Wochen nach dem EU-Gipfel, den Merkel, Sarkozy, Barroso & Co. als Erfolg gefeiert hatten, treibt die europäische Schuldenkrise auf einen neuen Höhepunkt zu Augsburger Allgemeine

Angst ist ein schlechter Ratgeber Europa und die USA haben ein Schuldenproblem. Amerika und einige Staaten Europas haben außerdem ein Konjunkturproblem. Neu ist das allenfalls für die Investoren, die bislang weggeschaut haben – und die jetzt übertreiben. Financial Times Deutschland

Die Zentralbank ist die letzte Rettung Die Euro-Krise lässt sich ähnlich lösen wie die Bankenkrise: Es bedarf einer finanzstarken Institution, die Anlegern die Furcht vor Zahlungsausfällen nimmt – das aber kann nur die EZB. Financial Times Deutschland

Schweiz will den Franken schwächen Die Stärke des Schweizer Franken könnte die Konjunktur abwürgen, die Ausfuhr verringern und den Konsum bremsen. Eine überraschende Lockerung der Geldpolitik soll die Aufwertung bremsen. FAZ

Schwereres Geschütz gefragt Tatenlos zusehen war einfach keine Option mehr. In dieser und in der vergangenen Woche verging kaum ein Tag, an dem der Schweizer Franken nicht ein neues Rekordhoch gegenüber Euro oder Dollar erklomm. Börsen-Zeitung

Gold reicht nicht – kauft Waffen! Kommentar Das Bild vom sicheren Hafen ist unvollständig. Wer wirklich eine pessimistische Sicht auf die Zukunft hat, braucht mindestens ein Sturmgewehr. Financial Times Deutschland

Ägypten

Das erste Mal Erstmals steht ein arabischer Autokrat nach einer Volksbewegung vor Gericht und muss sich rechtfertigen. Nicht nur für Ägypten ist das ein wichtiger Einschnitt – und ein weiterer Schritt auf dem Weg zu einer Neuordnung. FAZ

Militärs treiben abstoßendes Spiel mit dem Volkszorn Im Prozess um den langjährigen ägyptischen Oberbefehlshaber Mubarak kommt eine unberechenbare Dynamik ins Spiel. Dabei wäre Versöhnung nötig. Die Welt

Exempel auf der Tragbahre Es ist ein historisches Ereignis: Erstmals wird einem arabischen Autokraten im eigenen Land der Prozess gemacht. Dass der ägyptische Ex-Präsident Mubarak sich als reuiger Sünder geben würde, damit hatte gewiss niemand gerechnet – doch er zeigte eine verblüffende Präsenz. Das Gericht wird seine bedeutende Aufgabe aber nur erfüllen, wenn es jetzt mutig ist. Süddeutsche Zeitung

Tag der Anklage im Land der Zweifel Viele Demonstranten vom Tahrir-Platz glaubten bis zum Ende nicht, dass der Prozess gegen Mubarak tatsächlich stattfinden würde. Ihn vor Gericht zu sehen, ist eine Genugtuung für sie – doch ihren Kampf haben sie noch lange nicht gewonnen. FAZ

Test für das neue Ägypten Das Verfahren ist Teil einer politischen und gesellschaftlichen Umwälzung, die bei Weitem noch nicht abgeschlossen ist. Darum ist es nicht nur wichtig, dass der Prozess überhaupt stattfindet – sondern auch, wie er stattfindet. Ein Schauprozess mit Todesstrafen wäre ebenso fatal wie es rein symbolische Strafen für die Angeklagten wären. taz

Modellhaft für Arabien Den Prozessbeginn gegen Hosni Mubarak kann man kaum überschätzen. Dass sich ein Herrscher für die Missetaten seiner Amtszeit verantworten muss, nachdem er vom eigenen Volk abgesetzt wurde, ist in Arabien ein Novum. Berliner Zeitung

Ungeheuerlich wirklich Kaum jemand in Ägypten hat daran geglaubt, dass sich der jahrzehntelange Alleinherrscher Husni Mubarak irgendwann einmal vor Gericht für seine Taten verantworten muss. Jetzt ist der Prozess Realität – einmalig in der arabischen Welt. Kölner Stadt-Anzeiger

Guilty Until Proven Guilty In the cage of justice, sometimes a courtroom’s verdict is long foretold. Foreign Policy

Syrien

Kein Fall für die Nato Das Regime in Syrien ist unfähig zur Reform. Der Aufstand gegen Assad kann aber Erfolg haben, wenn sich auch die Eliten an den Protesten beteiligen Frankfurter Rundschau

UN-Sicherheitsrat rügt Syrien Es dauerte Monate und nun ist es eine Erklärung ohne Strafandrohung: Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat sich zu einer Verurteilung Syriens durchgerungen – aber nur halbherzig und mit Kritik auch an den Demonstranten. FAZ

UN-Sicherheitsrat verurteilt Menschenrechtsverletzungen in Syrien Der UN-Sicherheitsrat hat sich auf eine gemeinsame Haltung zur eskalierenden Gewalt in Syrien geeinigt. Eine Resolution mit Konsequenzen kam dabei nicht heraus. ZEIT

Fluglotsenstreik

Das gute Recht der Fluglotsen Wir kennen das: Lokführer, Piloten oder Fluglotsen drohen mit einem Streik, und Politiker warnen davor, den Konflikt auf Kosten der Reisenden auszutragen. Solche Parteinahme kommt vermutlich bei vielen Bürgern gut an, die endlich in den Urlaub fahren wollen. Berliner Zeitung

Fluglotsen sagen Streik wieder ab Die Fluglotsen wollten am heutigen Donnerstag bundesweit die Arbeit niederlegen. Doch nachdem das Arbeitsgericht in Frankfurt per einstweiliger Verfügung den Streik untersagt hat, wurde er vorerst wieder abgesagt. Der Flugverkehr lief am Donnerstagmorgen reibungslos an. Der Streit geht aber weiter. FAZ

Die Macht der Lotsen Deutschlands 2600 Fluglotsen machen einen guten Job. Die Zahl der Verspätungen sinkt. Beinahezusammenstöße sind bei uns weit seltener als in anderen Ländern. Dabei ist der deutsche Luftraum mit mehr als drei Millionen Flügen jährlich stark belastet Der Westen

Streik in der Urlaubszeit? Überstunden und Einsparungen, die auf Kosten der Sicherheit gehen, sind im Interesse keines Passagiers. Dafür wäre auch ein kurzfristiger Streik in Kauf zu nehmen. Augsburger Allgemeine

Streikpläne der Fluglotsen: Mobilität geht vor Man kann es drehen und wenden wie man will: Ein Streik im Flugverkehr trifft mehr als in anderen Branchen – nicht nur die Arbeitgeber. Bei einem Arbeitskampf der Lotsen bleiben Tausende Passagiere auf der Strecke. Nordwest Zeitung

Deutsche Fluglotsen verdienen 90.000 Euro Weil die Mitarbeiter der Flugsicherung an strategisch wichtiger Position sitzen, haben sie in der Vergangenheit gute Abschlüsse ausgehandelt. Dafür benötigte die Gewerkschaft GdF nicht einmal Streiks. Den für Donnerstag geplanten Ausstand hatten sie abgesagt. Rheinische Post

Kinderarmut in Deutschland

Deutschland ist das kinderärmste Land Europas Kein Land in Europa ist prozentual so kinderarm wie Deutschland: Nur jeder sechste Einwohner ist unter 18. Besonders im Osten kommen weniger Kinder zur Welt. Die Welt

Wenn Kinder zum Angst-Thema werden Vor zehn Jahren lebten in Deutschland 15,2 Millionen Kinder und Jugendliche. Heute sind es nur noch 13,1 Millionen. Damit ist Deutschland das Schlusslicht Europas. Eine Erklärung dafür fällt schwer. Tagesspiegel

Wohlstand reicht nicht In Deutschland leben so wenig Kinder wie sonst nirgendwo in Europa. Das ist nur teilweise eine finanzielle Frage, die von der Politik geregelt werden kann. Das gesellschaftliche Klima hierzulande ist nicht gerade kinderfreundlich. Kölner Stadt-Anzeiger

Kindersegen braucht mehr als nur Krippenplätze Der dramatische Geburteneinbruch vor allem im Osten zeigt: Staatlicher Aktionismus reicht nicht aus. Kinder haben es gern konservativ – mit Trauschein. Die Welt

Absage an die Familie In keinem anderen Land der EU ist der Anteil der Kinder und Jugendlichen an der Bevölkerung so gering wie in Deutschland. Von einer flächendeckenden Betreuung ist die Politik noch weit entfernt. Was das Amt noch über das Leben von Kindern herausgefunden hat Süddeutsche Zeitung

Armut – relativ gemessen und subjektiv gesehen Deutschland ist kinderarm – im doppelten Sinne. Nicht nur, dass es zu wenige Nachkommen gibt. Das Deutsche Kinderhilfswerk hat gestern veröffentlicht, dass jedes sechste Kind von Armut bedroht ist. Diese Zahl ist nicht neu. Im Gegenteil: Sie ist stabil…. Märkische Oderzeitung

Hausärzte-Gesetz

Besser locken Beseitigt ein neues Gesetz den Ärztemangel auf dem Land? ZEIT

Zuckerbrot für den Landdoktor In der deutschen Provinz droht der medizinische Notstand. Die Regierung will den Landarztmangel mit Geldgeschenken beheben. Für Fachleute ist das purer Aktionismus. Stern

Ein Gesetz auf Probe Es ist gerade aus brandenburgischer Sicht sehr zu begrüßen, dass Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) das Problem des Ärztemangels auf dem Land jetzt mit einem Gesetz angehen will. Nirgendwo sonst in Deutschland ist die Ärzteversorgung in ländlichen Gebieten so schlecht wie in Brandenburg, was der FDP-Politiker auch gestern noch einmal in Erinnerung rief. Märkische Allgemeine

Frage des Geldes Das Bundesgesetz gegen Ärztemangel kann den Bemühungen auf Landesebene helfen. Mitteldeutsche Zeitung

Mehr Honorar für Ärzte – weniger Bürokratie Mehr Landärzte, höhere Honorare, effektivere Behandlungen – mit einem Bündel von Maßnahmen will die Bundesregierung die Versorgung der Kassenpatienten verbessern. Dazu verabschiedete sie am Mittwoch den Entwurf für das Versorgungsstrukturgesetz. Lausitzer Rundschau

Fordern statt fördern Als Fernsehserie ist „Der Landarzt“ ein Dauerbrenner. Der nunmehr dritte Mediziner ist in den 25 Jahren seit dem Start in dem fiktiven Dorf Deekelsen tätig. In der Realität jedoch fehlen Mediziner, die sich aufs Land begeben wollen. Und für die Patienten wird das Leben auf dem Land mit lückenhafter medizinischer Versorgung zum echten Risiko. Die schwarz-gelbe Bundesregierung greift mit ihrem Versorgungsgesetz demnach ein drängendes Problem auf. Nordkurier

Fernbusverkehr

Endlich Reisefreiheit Nach 80 Jahren ist es endlich soweit: Auch in Deutschland fahren bald flächendeckend Fernbusse – das Schutzgesetz für die Bahn ist endlich gekippt. Financial Times Deutschland

Billige Busse Das Kabinett hat ein Gesetz gebilligt, das den inländischen Fernverkehr liberalisiert. Busreisen sollen zur Alternative gegenüber Flugzeug, Auto und Bahn werden. Der neue Wettbewerb dürfte besonders Verbrauchern mit kleinerem Geldbeutel zugute kommen. FAZ

Liberalisierung im Fernverkehr: Mehr Wettbewerb Als die heute noch gültige Regelung zum Fernbusverkehr 1934 verabschiedet wurde, war gerade die erste Autobahn in Deutschland eröffnet worden. Flugreisen waren ein Privileg, das sich nur die oberen Zehntausend leisten konnten, und der Reichskanzler hieß Adolf Hitler. Allein dies macht schon deutlich, dass eine Reform des überkommenen Gesetzes dringend notwendig war. Nordwest Zeitung

…one more thing!

Gottlose GotteskriegerDie al-Shabaab-Milizen verhindern in Somalia Hilfslieferungen an die Hungernden. Das könnte ihnen noch zum Verhängnis werden. Frankfurter Rundschau

Leitartikel

Die FDP ist nicht radikal genug Mit ihrem Steuersenkungsmantra opfert die FDP derzeit ihre Existenz – das ist bewundernswert. Als einzige Partei in Deutschland öffnet sie den Diskurs für die Frage, ob wir alle zu viel ausgeben, oder ob wir zu wenig einnehmen. Tagesspiegel

Die Mauer und die Dummheit Jeder dritte Berliner findet den Mauerbau entweder voll und ganz richtig oder zumindest teilweise richtig. Im früheren Ostteil der Stadt ist die Zustimmung noch höher. BILD

Es geht anders Über den Kinderbericht AZ München

Berlusconis Sommerferien sind fatal für Italien Italien ist ein müdes Land. Doch die Sommerpause, die die Politiker nach Berlusconis Rede antreten, bringt keine Erholung. Es wäre besser, sich um die Schuldenkrise zu kümmern. Die Welt

Kleine, hilflose Schweiz Die Eidgenossenschaft könnte eine Insel der Glückseligkeit sein: Mit Schuldenkrisen und Transferunionen muss sich die Schweiz nicht herumschlagen. Doch dafür ist das Land den Devisenmärkten ausgeliefert. Financial Times Deutschland

Ein Alibi-Prozess gegen Mubarak Der demokratische Übergang in Ägypten stagniert. Das Verfahren gegen Mubarak soll womöglich nur die Protestbewegung beruhigen. ZEIT

Chavismus ohne Chávez Venezuelas Präsident Hugo Chávez hat in zwölf Jahren revolutionäre Nostalgie, altsozialistische Gängelungsmethoden, militaristisches Gehabe und einen grotesken Kult um sich selbst verbunden. Nun könnte der Chavismus bald am Ende sein. Was bleibt, ist ein Vakuum. FAZ

Norwegian Politics, After Breivik Terrorists should not decide the agenda of public debates. Wall Street Journal