CDU/CSU, Koalitionsbruch in Kiel, Sozialbericht & Atomkraft

Der Versuch von CSU und Kanzlerin Merkel in Kloster Banz einen Kompromiss in der Europapolitik zu finden, ist gescheitert. Sie sind aber wohl zum Erfolg verdammt DIE ZEIT

Nein, Europa ist nicht populär. Um so wichtiger, dass die größte Volkspartei sich nicht von der kleinsten eine Anti-Attitüde aufzwingen lässt. Schlimm, wenn ein Provinzfürst mit der Idee Europa spielt. Schlimmer eine CDU-Vorsitzende und Kanzlerin, die dabei mitspielte. Tagesspiegel

Auch die CSU will den Bogen offenbar nicht überspannen. Doch es wäre gut, wenn die Debatte weitergeführt würde, nachdem sich der Pulverdampf des Wahlkampfes verzogen hat. Die deutsche Politik sollte sich klar darüber werden, in welche Richtung sie die europäische Entwicklung (mit)steuern will. Einfach weitermachen wie bisher kann sie nach diesem Urteil nicht. FAZ

Was schenkt man einer Kanzlerin zum Geburtstag? Diese Frage stellt sich derzeit Horst Seehofer. Bis Freitag muss ihm was eingefallen sein. Bislang steht nur fest: Einen Kuchen bekommt sie nicht. Süddeutsche Zeitung

Sozialbericht

Die Vorstellung des Sozialberichtes der Bundesregierung hat nicht viel Überraschendes ergeben. Erstens: Die Ausgaben werden steigen, wegen der Krise. Zweitens: Die Politiker haben alles richtig gemacht, wie immer. Drittens: Die Opposition übt Kritik, das ist so üblich. Dennoch darf man den Bericht nicht einfach abhaken. Westfalenpost

Der Sozialstaat hängt von zwei Dingen ab: vom Wachstum und Vertrauen. Beides ist erschüttert. In der Krise fährt die Regierung die sozialen Systeme auf Sicht. Ein Beispiel ist die Rente, wo Faktoren eingeführt und wieder ausgesetzt werden. Das zweite Beispiel ist die Kurzarbeit. Sie hilft, wird aber 2010 das Loch in den Sozialkassen vergrößern. NRZ

Mehr als bisher muss die Sozialpolitik begreifen, dass nicht nur die Renten der Alten sicher sein müssen, sondern auch die Bildung der Jungen. Doch bisher werden Chancen – und leider auch die Chancenlosigkeit – in der Bundesrepublik vor allem von den Eltern vererbt: Wer zu Hause das nötige Rüstzeug erwirbt, kann sich in der modernen Arbeitswelt wahrscheinlich gut zurechtfinden. Wem das nicht vergönnt ist, dem droht ein Leben im beruflichen und gesellschaftlichen Abseits. Süddeutsche Zeitung (Print)

Das Gerede der Linken wie der Gewerkschaften vom Sozialabbau geht an den Fakten vorbei. Umgekehrt wird ein Schuh draus: Ohne die Reformen wäre der Sozialstaat jetzt in der Krise unbezahlbar. Stattdessen ist er nun leistungsfähig genug, um das Kurzarbeitergeld zu verlängern und die Renten zu erhöhen, um den Studenten mehr Bafög zu geben und den Familien zusätzliches Kindergeld. Lausitzer Rundschau

Der soziale Friede ist nicht das höchste, aber ein hohes Gut. So gesehen würde man gerne in den Lobgesang einstimmen, den Arbeitsminister Olaf Scholz dem deutschen Sozialstaat zukommen lässt. Thomas Schmid Blog

Gerhard Schröder hat 2003 erst unter dem Druck wachsender Haushaltslöcher und schlechter Umfragewerte die Reformkurve gekriegt. Es hat ihn und seine Partei nicht populärer gemacht, aber die Bundesrepublik vorangebracht. Heute in der Krise zeigt sich: Der Sozialstaat funktioniert besser denn je. Nicht trotz der Agenda 2010, sondern dank ihrer. Leider begreifen das zu wenige Sozialdemokraten. Generalanzeiger Bonn

Die Rentengarantie ist ein Placebo, schreibt der frühere Sozialminister Norbert Blüm in der WELT

Atomkraft

Radioaktive Lauge, aber keine Gefahr für die Bevölkerung … Man hört fast nicht mehr hin, wenn von Asse die Rede ist. Kleinere Vorfälle im Atommüll-Lager scheinen kaum mehr der Rede wert. Sind sie aber doch. Frankfurter Rundschau

Beachtung hätten dagegen die jetzt in Kraft getretenen Maßstäbe für die Endlagersuche verdient. Gabriel verlangt zum Beispiel, dass die Sicherheit des Standorts für eine Million Jahre gewährleistet sein müsse. Zugleich sollen die dort gelagerten Abfälle aber fünfhundert Jahre lang überwacht und bei Bedarf zurückgeholt werden können. Damit hätten wir de facto wieder nur ein Zwischenlager. Wenn es nach der SPD ginge, bliebe die Entsorgungsfrage also weit über das Ende der Atomenergie hinaus offen. FAZ (Print)

Wollen CDU/CSU und FDP tatsächlich das vorwiegend ökonomische Interesse der großen Energieversorger höher bewerten, als die sich aus immer neuen Pannen nährende Abneigung der Mehrheit der Gesellschaft? Die unsichere und angesichts der ungelösten Endlagerfrage unverantwortbare Energieform Atomkraft ist von gestern. Der sich noch über Jahrzehnte hinziehende, im Ausstiegsgesetz festgelegte Zeitplan zum Abschalten der Meiler bietet auch Union und FDP genügend Zeit zum Umschalten, ohne Gesichtsverlust befürchten zu müssen. Südwest Presse (Print)

Koalitionsbruch in Kiel

Das Kieler Elend hat ein Ende. Keine andere Koalition wurde so sehr von Misstrauen beherrscht wie das Bündnis von CDU und SPD in Schleswig-Holstein. Dass es vier Jahre gehalten hat, ist eine Frechheit. DIE ZEIT

Noch ist nicht klar, ob es in Schleswig Holstein zu Neuwahlen kommt: Doch alles andere wäre ein Drama. Das Land kann eine ständig lärmende Regierungskrise nicht mehr vertragen. Süddeutsche Zeitung

Die sogenannte Chemie zwischen Carstensen und dem schneidigen SPD-Landeschef Ralf Stegner hat nie gestimmt. Der aufs Blut gereizte Carstensen wollte die große Koalition schon mehrfach aufkündigen und ist daran wohl auch von der CDU-Vorsitzenden Angela Merkel gehindert worden, die schädliche Auswirkungen auf ihre eigene Koalition vermeiden wollte. Das spielt nun, zweieinhalb Monate vor der Bundestagswahl, keine Rolle mehr Berliner Zeitung

Monatelang hat es gefährlich geknirscht, jetzt ist sie zerbrochen – die große Koalition in Schleswig- Holstein. Gescheitert ist sie vor allem an zwei Charakteren, die unterschiedlicher nicht sein können. Berliner Morgenpost

Nach zwei Jahren beenden Peter Harry Carstensen und Ralf Stegner ihre Endlos-Soap. Für die SPD dürfte das im Desaster enden, obwohl sie mit dem behäbigen Carstensen einen leichten Gegner hat. Kölner Stadt-Anzeiger

… one more thing!!

Der Wirtschaftsminister spricht gerne über sein Gel:
Fest sollen nicht nur die Haare sitzen, sondern auch die Prinzipien. Was die Inhaltsstoffe angeht, liegen fest und windelweich allerdings erschreckend nah beieinander. Handelsblatt

Leitartikel

Totgesagte leben länger: Das Geschäftsmodell der Wall Street inklusive Milliardengewinne und horrender Boni ist auferstanden – und eine Neuregulierung des Geschäfts damit mehr als überfällig. Süddeutsche Zeitung

Wieder säuselt die CSU über Steuersenkungen – doch wie man die Zahlen auch dreht und wendet: Sie reichen nicht einmal für einen akzeptablen Defizitabbau. Handelsblatt

Laut, hinterhältig und mit allen schmutzigen Tricks der öffentlichen Meinungsmache, so tragen VW und Porsche seit Wochen ihren Machtkampf aus. Noch lauter und schmutziger steuert er nun auf seinen Höhepunkt zu. Financial Times Deutschland

Werden die Reichen höher besteuert, wächst die Wirtschaft. Das kommt letztlich allen Menschen zugute. Und wer macht uns vor, wie so was geht? Ausgerechnet die Amerikaner. Frankfurter Rundschau

Beim Thema Rauchen hat eine Art anarchisches Experiment stattgefunden (und das in Bayern!): Man hat zwar pro forma auf dem Papier ein einigermaßen strenges Gesetz.Aber in der Realität wird es nicht vollzogen; und die – niemals so gedachte – Ausnahmemöglichkeit Raucherclub führt dazu, dass eigentlich jeder macht, was er mag. AZ München

Schurken bleiben Schurken! Alles schaut auf Iran, doch Nordkorea ist vielleicht noch gefährlicher. Die Welt

Der Westen steht vor der schmerzlichen Wahl: gezielter Militärschlag gegen iranische Atomanlagen. Oder die Bombe in den Händen von Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad. Warum sollte dieser Despot, der seine eigenen Bürger töten lässt, vor fremden Völkern Halt machen? BILD

Die Ungarn, hell und dunkel. Wer Wert legt auf das gleichberechtigte Zusammenleben aller, muss die Machtanmaßung Einzelner mit der ganzen Autorität des Staates brechen. Nach allzu langer Vorlaufzeit hat ein Berufungsgericht in Budapest vor kurzem endlich die rechtsradikale „Ungarische Garde“ verboten. FAZ (Print)

Ärztliche Versorgung auf höchstem Niveau – das hat bei den Deutschen fast schon Grundrechts-Charakter. Der Hamburger macht da keine Ausnahme – und sah sich in „seinem“ Universitätsklinikum Eppendorf, bundesweit bekannt wegen seiner Hochleistungsmedizin, bestens aufgehoben. Hamburger Abendblatt

Germany is showing signs of being an unfortunate example of what happens when a country does not move quickly to deal with an embattled banking system as lending dries up. New York Times

Despite the Economy’s Struggles, Stock Market Soars TIME

Obama and the Speech. What is the point and purpose of the President’s orations? Wall Street Journal

Ausländerfeindlichkeit, Anschlag auf die Forschung! DIE ZEIT