Koalitionsverhandlungen, SPD, Berlusconi & EU-Defizitverfahren

Wahltag ist Zahltag. Die Politik bittet zur Kasse. Die Wähler müssen die Zeche der letzten vier Jahre große Koalition erst noch bezahlen. Im Wahlkampf wurde nur um den heißen Brei herumgeredet. Nun muss die Kanzlerin in den anstehenden Koalitionsverhandlungen den Bürgern den Sanierungsfall Deutschland als Neubeginn verkaufen. Den Anfang macht der Gesundheitsfonds, meint die NRZ.

Die Bankenaufsicht in Deutschland wird unter dem Dach der Bundesbank konzentriert. Darauf verständigten sich Union und FDP bei ihren Koalitionsgesprächen. Angeblich besteht auch Einvernehmen über die Einschätzung der Finanzlage des Bundes. Über konkrete Steuersenkungen wurde indes noch nicht entschieden, so die FAZ.

Die Union hat keine Lust, zur einst favorisierten Gesundheitsprämie zurückzukehren. Doch genau das ist geboten. Die FDP sollte darauf bestehen, dass die Steuerung der Gesundheitsleistungen möglichst über Preise erfolgt. Das beginnt beim mündigen Versicherten, findet die FAZ.

FDP-Chef Guido Westerwelle erlebt ungeahnte Zustimmung. Nun könnte er, der viel riskierte und experimentierte, die Früchte seiner Anstrengungen ernten, wenn sich hinter seinem Ehrgeiz staatsmännisches Können verbirgt, mutaßt Die Welt.

Hartz IV wird schwarz-gelb. Eine neue Regierung Merkel / Westerwelle wird zeigen müssen, wie die Sozialreform doch noch ein Erfolg werden kann, meit der Tagesspiegel.

Das riesige Finanzloch der Krankenkassen zwingt Union und FDP, den Rotstift anzusetzen. Am Mittwoch waren die künftigen Koalitionspartner aber noch uneins, wie sie die Lücke von 7,5 Milliarden Euro 2010 decken wollen, so die FAZ.

Schwarz-gelbe Operation auf Kosten der Versicherten – die neue Hypothek von 7,5 Milliarden Euro im Rücken: Da die Koalitionäre zerstritten sind, wird der Bürger zahlen, befürchtet die Die Zeit.

Schwarz-Gelb muss Milliarden-Loch bei Gesundheit stopfen Schon vor Beginn der Beratungen ist klar: Die Verhandlungen werden schwierig. Allein im kommenden Jahr dürften den Kassen 7,5 Milliarden Euro fehlen, so die  Wirtschaftswoche.

Mit ihrer Gesundheitspolitik hat sich die Große Koalition keine Freunde unter den Versicherten gemacht. Und den schwarz-gelben Nachfolgern wird es nicht besser ergehen, nimmt die Lausitzer Rundschau an.

Der Wechsel von Schwarz-Rot zu Schwarz-Gelb ist eben allenfalls ein halber Regierungswechsel, das wird auch FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr noch zu spüren kriegen. Vieles von dem, was die Unionspolitiker im Bündnis mit der SPD mühsam auf den Weg gebracht haben, wird ein Vizekanzler Westerwelle nicht ungeschehen machen. Das gilt ganz besonders auch für die Gesundheitsreform, glauben die Nürnberger Nachrichten.

Die Union will am Gesundheitsfonds festhalten, die Liberalen wollen das „bürokratisches Monster“ abschaffen. Dahinter steht ihr Ziel, die gesetzliche Krankenversicherung den Regeln der Privatversicherer zu unterwerfen, führt der Kölner Stadt-Anzeiger aus.

Die Koalitionsverhandlungen zwischen CDU/CSU und FDP würden erheblich reibungsloser verlaufen, wenn die maßgeblichen Politiker der FDP ihre Augen vor der Realität nicht verschließen würden, meint die Hannoversche Allgemeine.

Das Defizit ist groß und so die Sachzwänge: Der Saat wird seine Sozialausgaben nicht erhöhen, Beitrage zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung werden steigen, befürchtet die taz.

SPD

Eine Amöbe namens SPD. Wie ein Einzeller haben die Sozialdemokraten ihren einstigen Markenkern soziale Gerechtigkeit geteilt. Dies führt zur Selbstzerstörung einer inhaltsarmen Partei, urteilt die Financial Times Deutschland.

Die designierte stellvertretende SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft über die neue Parteispitze, mögliche Korrekturen der Agenda 2010 – und das Verhältnis zur Linken. Interview in der Süddeutschen Zeitung

Die Debatte um eine Zusammenarbeit zwischen SPD und Linkspartei wird an Schubkraft verlieren, falls die Grünen an der Saar ein rot-rot-grünes Experiment ablehnen. Die Saar-Grünen haben eine folgenreiche Entscheidung vor sich, findet Die Welt.

Berlusconi

Berlusconi kann angeklagt werden. Schwere Niederlage für den Regierungschef: Das italienische Verfassungsgericht hat das umstrittene Immunitätsgesetz für ungültig erklärt, durch das Silvio Berlusconi bisher vor Strafverfolgung geschützt war. Jetzt muss er mit der Wiederaufnahme mehrerer Korruptionsverfahren rechnen, so die Süddeutschen Zeitung.

Berlusconis Nimbus ist futsch. Der Richterspruch gegen Berlusconis Immunitätsgesetz ist für den Premierminister eine herbe Niederlage. Der Nimbus des Unantastbaren ist weg. Für den Regierungschef Berlusconi hat das Folgen, rechnet das Handelsblatt vor.

Das höchste italienische Gericht hat das Immunitätsgesetz für Silvio Berlusconi für verfassungswidrig erklärt. Ein sensationelles und mutiges Urteil, urteilt Die Zeit.

Das Urteil des italienischen Verfassungsgerichts ist eine Wohltat. Es sagt klar und deutlich: Niemand steht über dem Gesetz – auch ein mit Mehrheit an die Macht gewählter Regierungschef nicht, urteilt die WAZ.

Lahme Ente. Berlusconi kann nur vorerst noch auf seine starke Mehrheit bauen, in der sich greifbare Nervosität und Dialogunfähigkeit zwischen Rechten und Moderaten breit gemacht haben, so die Frankfurter Rundschau.

Italian Court Rejects Prime Minister’s Immunity. The ruling was a stunning blow for Silvio Berlusconi, who has been dogged for decades by legal problems surrounding his vast business empire. New York Times

Out of court. Italy’s constitutional court rules against Silvio Berlusconi, yet again Economist

EU-Defizitverfahren

EU lässt Berlin Spielraum für Steuersenkungen. Brüssel hat das Defizitverfahren eingeleitet. Unterm Strich darf die Koalition die Bürger damit nicht mehr entlasten, trotzdem bleibt Gestaltungsspielraum bei den Steuertarifen, meint das Handelsblatt.

Defizitsünder, die EU braucht intelligentere Instrumentarien, findez die NRZ.

Von 27 Mitgliedstaaten sind 20 inzwischen mit Defizitverfahren belegt – und auch die übrigen wird es wohl noch erwischen. Hat sich der Stabilitätspakt mit seiner strikten Obergrenze von 3 % Defizit deshalb überlebt? Natürlich ist der Pakt nicht für die aktuelle Krise und deren budgetäre Folgen ausgelegt. Doch ist er das einzige im EU-Vertrag verankerte Regelwerk, das einen geordneten – und notfalls auch sanktionsbewehrten – Abbau staatlicher Defizite und Schulden ermöglicht. Er ist darum heute genauso wichtig wie zum Start der Währungsunion, urteilt die Börsenzeitung.

… one more thing!

Lessons in Disaster. Why is the Obama administration reading up on its Vietnam history? Foreign Policy

Leitartikel

Der Brandstifter. Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin beschimpft in seinen Tiraden Ausländer. Er reagiert nur hysterisch auf die Veränderung bundesrepublikanischer Verhältnisse. Er ist verrückt!  Frankfurter Rundschau

Die Idee des Bürgergeldes bedeutet keinen Linksruck in der FDP – die Partei verwechselt nur Sozial- und Finanzpolitik. Die Arbeitslosigkeit lässt sich nicht auf einem Bierdeckel bekämpfen, urteilt die Süddeutsche Zeitung.

Um so dringender ist jetzt, dass Schwarz-Gelb wie versprochen die Steuern senkt. Wenn nicht, sollten Union und FDP eine neue Steuer einführen und gleich bei sich selber damit anfangen: Die „Lügensteuer“ für jeden Politiker, der uns „mehr Netto vom Brutto“ verspricht! BILD

CSU-Krise, die Erosion des Systems Seehofer hat sich beschleunigt – AZ-München

Kriegsdienst für eine gute Sache. Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.“ So steht es im Grundgesetz: Kriegsdienst. Und Kriegsdienst leisten die Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan – freiwillig, so wie die Verbündeten auch. FAZ

Die EU ist kein Tabu.Es gibt viel an ihr zu kritisieren.Angefangen von der absurden Alimentierung der Landwirtschaft (von der am wenigsten die Bauern profitieren) bis hin zur Vergeudung von Steuergeldern für zahllose gut gemeinte Kampagnen. Die Welt

Die Regulierungsheulsusen. Härtere Vorschriften für außerbörsliche Derivate ziehen für Unternehmen höhere Kosten nach sich. Richtig so. Ihr Jammern darüber kann man getrost ignorieren. Financial Times Deutschland

A Window On the War in Afghanistan. As Washington debates what to do about the deteriorating situation in Afghanistan, photographer Adam Ferguson captures and describes the daily lives of the men fighting it Time

Obama and the General. The White House finds a four-star scapegoat for its Afghan jitters. Wall Street Journal