Bundeshaushalt, Landtagswahlen, Atommoratorium, Atomenergiedebatte, Japan & Libyen

Fortschritt ohne Leistung Der beste Freund dieser Koalition ist und bleibt die Konjunktur. Anders lässt sich die positive Entwicklung des Haushalts ohne erkennbare Sparleistungen in Schäubles Planungen kaum erklären. Frankfurter Rundschau

Die sichere Seite? Zum ersten Mal in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik zeigt sich der Finanzminister nachgiebig: Die Bundeswehr muss beispielsweise über fünf Milliarden weniger sparen als geplant, was sich der frühere Verteidigungsminister zu Guttenberg durchaus als Verdienst zurechnen darf. Bonner General-Anzeiger

Schöne Visionen So sehr die Atom-Diskussion oder das Biosprit-Desaster auch an den Nerven der schwarz-gelben Koalition zerrt – wenigstens die Konjunktur meint es in diesen Tagen noch gut mit ihr. Dank der prächtigen wirtschaftlichen Entwicklung hat Kassenwart Wolfgang Schäuble weniger Probleme bei seiner aktuellen Haushaltsaufstellung als ursprünglich befürchtet. Lausitzer Rundschau

Landtagswahlen in Deutschland

Störfall NPD An den Laternenpfählen der Ausfallstraßen in Sachsen-Anhalts Städten hängen Kolonnen von NPD-Plakaten. Das gleiche Bild in den Dörfern. Dort, wo die demokratischen Parteien eine Wählermobilisierung für „nicht lohnend“ halten, hat sich die NPD eine Schneise durch das Nichts geklebt. Berliner Zeitung

Böhmers Erbe Deutschland schaut nicht gerade gespannt auf die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt. Selbst in dem mitteldeutschen Flächenstaat hält sich das Interesse in Grenzen, obwohl dort am Sonntag eine fünfjährige stabile Zusammenarbeit zweier Politiker endet, die sich mochten und im Politikstil ähnlich waren. FAZ

Die doppelte Zunge der NPD CDU und SPD führen einen Kuschelwahlkampf und machen es damit extremen Parteien leicht: Die NPD liegt in Umfragen bei 5 Prozent. Der „Junker Jörg“-Skandal jedoch zeigt, wie verlogen die Wahlkampagne der Rechten ist. Stern

Kurt Beck gegen Julia Klöckner Es war das allererste Fernsehduell von einer Landtagwahl in Rheinland-Pfalz. Seine Spannung bezog das Wortgefecht aber nicht nur aus der natürlichen Gegnerschaft zweier Spitzenkandidaten. Beck und Klöckner hegen auch eine persönliche Abneigung gegeneinander. FAZ

Der Zuspitzer und der Bürgerversteher Das Duell zum baden-württembergischen Landtagswahlkampf zwischen Stefan Mappus und Nils Schmid war ein Hin und Her. Schmid hat sich als kompetenter und ernstzunehmender Herausforderer präsentiert, während Mappus auf die Erfolgsgeschichte des Landes setzt. FAZ

Atommoratorium

Merkel, Stimmen und Stimmungen Die japanische Katastrophe und die deutsche Atompolitik – die Kanzlerin gibt dazu am Donnerstag eine Regierungserklärung ab. Es werden weniger die sachlichen Entscheidungen, als vielmehr der Ton sein, der Aufschluss darüber gibt, ob und was Merkel (nicht) verstanden hat. Tagesspiegel

Aktionismus statt Demokratie Die Bundesregierung ist gerade recht stolz auf sich selber. Sie habe in Verantwortung für das Wohl des Landes und seiner Bürger politisch gehandeltWas tut die Regierung denn sonst eigentlich? Berliner Zeitung

Verfügungsmasse In der Sache kann die Opposition das Atom-Moratorium kaum kritisieren, also nimmt sie das Verfahren unter Beschuss. Denn abermals erweckt die Regierung Merkel den Eindruck, bestehende Gesetze seien für sie nur beliebige Verfügungsmasse. FAZ

Kaum mehr zu bändigen Beim Blick auf die Entscheidung der deutschen Regierung, kurzfristig sieben ältere Atomkraftwerke vom Netz zu nehmen, schwanken unsere Nachbarn zwischen Zustimmung und schroffer Ablehnung. Sehen die einen eine Vorreiterrolle, sprechen die anderen von Panikmache, Aktivismus und irrationalem Regierungshandeln. Märkische Allgemeine

Ein neuer Energiekonsens muss her Die Atomkraft hat in Deutschland keine Zukunft mehr. Jetzt muss der Ausbau der erneuerbaren Energie vorangetrieben werden – am besten gemeinsam von Regierung und Opposition. Sonst bleibt die Ökoenergie in der Stromleitung hängen. Financial Times Deutschland

Jetzt kommt der Lackmustest für den Ökostrom Atomstrom verstopft die Netze und lässt dem Ökostrom keinen Platz mehr. Ob diese Behauptung stimmt, wird sich in Kürze zeigen. Die Welt

Globale Atomenergiedebatte

Wie der Turmbau zu Babel Die atomare Katastrophe in Japan ordnet sich in eine fatale Reihe ein. Die Menschheit lernt offenbar nicht aus ihren Fehlern. Frankfurter Rundschau

Die Kernschmelze des Kapitalismus Atom- und Finanzkrise hängen zusammen. Die japanische Schuldenmisere und die weltweite Energieknappheit werden auch die Probleme der Euro-Zone weiter verschärfen. Am Ende des Jahrzehnts wird sich das kapitalistische System von Grund auf geändert haben. Financial Times Deutschland

Wer investiert noch in Reaktoren? Ein Atomkraftwerk zu bauen bedeutet, 5 bis 10 Milliarden Euro in Beton festzumauernMit Fukushima erweist sich so ein Investment einmal mehr als reiner Horror für jeden Investor. taz

Verschweigen und verharmlosen Wie die Internationale Atomenergiebehörde IAEA und ihr japanischer Chef mit der Katastrophe umgehen. Berliner Zeitung

Kalifornien wähnt sich sicher Die USA und ihre Meiler in Bebengebieten. Berliner Zeitung

Ein Volk von Aussteigern Prompt ist sie wieder da, die Rede von der „German Angst“, diesem angeblichen Nationalleiden, das dazu geführt hat, dass die „Angst“ als deutsches Lehnwort in viele Sprachen eingewandert ist wie die „Bratwurst“, der „Zeitgeist“ und der „Blitzkrieg“. Berliner Zeitung

Kein Spott mehr über „German Angst“ Lange sind die Deutschen belächelt worden, weil sie es so bitter ernst meinen mit dem Umweltschutz, der Klimarettung und natürlich der Atomenergie, die als Teufelszeug einem Glaubenskrieg ähnlich bekämpft wird. „Le Waldsterben“ spotteten die Franzosen einst, als sich in den 80er-Jahren wegen der Autoabgase die Sorgen um den deutschen Wald kumulierten. Berliner Morgenpost

Japan

Wenn der Tenno spricht Mit Verwunderung reagierte die Welt auf das lange Schweigen von Kaiser Akihito zur Katastrophe in Japan. Doch mit seiner späten Rede hat der Tenno genau das Zeichen gesetzt, das seiner Rolle zukommt. Süddeutsche Zeitung

Stolz und Tragödie Japans Nach Erdbeben, Tsunami und Atomkrise steht Japan nicht nur vor logistischen Herausforderungen. Das Land braucht auch eine neue gesellschaftliche und politische Vision. Kölner Stadt-Anzeiger

Schluss mit höflich! Japans Selbstbetrug muss enden Japans Staat, Politik und Gesellschaft verharrten zu lange in vormodernem Denken. Die Katastrophe deckt den Schwindel auf. Die Welt

Kampf an allen Fronten Für Japans Politiker tickt eine Zeitbombe. Erst muss Premierminister Naoto Kan eingestehen, dass diese Erdbebenkatastrophe das größte Desaster des Landes seit dem Ende des 2. Weltkrieges ist. Nun erklärte der Chef der Präfekturpolizei von Miyagi, Naoto Takeuchi, er habe keinen Zweifel, dass es mehr als 10 000 Tote allein in seinem Bezirk geben wird. Bonner General-Anzeiger

Fukushima-Techniker im Wettlauf mit der Zeit Experten geben den verbliebenen Arbeitern noch 48 Stunden, um den Reaktor zu kühlen. Gelingt das nicht, droht extreme Verstrahlung. Zeit

Das letzte Kommando Sie bewegen sich inmitten radioaktiver Strahlung, erleben Explosionen, Brände und kochendes Kühlwasser. Einige Dutzend Techniker versuchen im havarierten Atommeiler Fukushima-1, das Schlimmste zu verhindern: die nukleare Explosion. Viel Zeit bleibt ihnen nicht mehr. Süddeutsche Zeitung

Kamikaze: historische Ausnahme Sollen sich Einzelne für andere opfern? In Fukushima passiert das gerade. Historiker Conrad über Kamikaze als als Symbol für Japans Gesellschaft. Süddeutsche Zeitung

„Alles hat sein Risiko“ Helmut Schmidt über die Zukunft der Atomkraft und das Krisenmanagement der japanischen Regierung. Zeit

Japans Lehre für die Welt Die Menschheit muss jetzt umlernen. Dazu braucht es nicht einmal Mitgefühl, es reicht schon der Verstand. Zeit

Libyen

Kälteeinbruch Der Westen ist in einer schwierigen Lage. Mischt er sich militärisch in Libyen ein, wird ihm „Ölimperialismus“ vorgeworfen. Tut er es nicht, werden sich die Aufständischen daran erinnern, dass im Westen niemand einen Finger gerührt hat, um ihre Niederschlagung zu verhindern. FAZ

Im Stich gelassen Gaddafi triumphiert – es scheint nur noch eine Frage der Zeit, bis sein mörderischer Rachefeldzug gegen die Aufständischen in Libyen beginnt, während Europa, die USA und der Rest der Welt untätig zuschaut. Frankfurter Rundschau

Der Westen lässt Arabien im Stich Die Machthaber Libyens, Bahrains und Saudi-Arabiens haben rasch verstanden: Der Westen kann den Freiheitsbewegungen nicht mehr helfen. Zeit

Welch deutliches Signal Die gesamte internationale Gemeinschaft fordert ein Ende der Gewalt in Libyen. Unterstützung aus dem Ausland haben die Aufständigen bis jetzt noch nicht erhalten, so dass sich dieses Thema bald von selbst erledigt haben dürfte. FAZ

Westerwelles Halbwahrheit Während die verzweifelten Aufständischen in Libyen einer Niederlage entgegengehen, erweckt Guido Westerwelle den Eindruck, als könne Gaddafi mit Kontosperrungen aus dem Amt getrieben werden. Das ist unehrlich. Süddeutsche Zeitung

…one more thing!

Bürgerbewegung Der Konflikt in Bahrain erinnert irgendwie an die Zeiten der „Heiligen Allianz“, mit der einst die europäischen Königshäuser verzweifelt versucht hatten, sich gegen revolutionäre Umtriebe im frühen 19. Jahrhundert zu stemmen. Bonner General-Anzeiger

Leitartikel

Nach der Wende ist vor der Wende Drei Monate soll das Moratorium laufen. Wie viel Ausstieg aus der Atomenergie darin steckt, ist völlig offen. Bundeskanzlerin Angela Merkel ist für ständige Schwenks bekannt. Frankfurter Rundschau

Angela Merkel in der Falle Deutsche Reaktoren mit dem Argument abzuschalten, sie seien nicht sicher genug, ist für die Koalition fatal. Die Regierung hat die Kraftwerkslaufzeiten verlängert – und steht nun vor den Trümmern ihrer politischen Glaubwürdigkeit. Die Welt

Die Kernschmelze der Union Erst die Familienpolitik, dann die Wehrpflicht – nun die Atomkraft. Die CDU trennt sich von ihren Kernpositionen. Für Merkel ist das gefährlich. Zeit

Zu Ende gedacht? Viel schneller als üblich hat die Kanzlerin ihr Urteil gebildet, ihre Entscheidung durchgesetzt. Bei Klimaschutz, Energiepreisen und Importabhängigkeit sind mehr Fragen offen denn je. Was ist also praktisch erreicht – außer ein wenig (Über-)Druck aus dem Wahlkampf-Kessel zu lassen? Bild

Keine Angst! Die Reaktion der Deutschen auf Fukushima. AZ München

Ende mit Schreckenl Es kann verfrüht sein, aus größeren Erfolgen von Demonstranten den Sieg oder aus heftigen Antworten der Herrschenden die Niederlage einer Demokratiebewegung abzulesen. Das hat die kurze Geschichte der arabischen Aufstände gezeigt. Financial Times Deutschland

Der Niedergang der konservativen Ideologie Freier Markt, Euro, Familie, Gott, Wehrpflicht – auf vielen Gebieten haben die Konservativen bereits Kränkungen erlebt. Mit ihrer Wende in der Kernenergiepolitik verlieren sie einen letzten Halt. Tagesspiegel

Die Wiederkehr des Verdrängten Es ist erstaunlich, in wie vielen Fragen, die ihre Selbsterhaltung betreffen, die Menschheit keinen Schritt vorankommt. Zeitdiagnostiker melden uns seit Jahrzehnten ständig neue Epochenschwellen: vom „Ende der Ideologien“ über die „globalisierte Welt“ bis zum Eintritt in die Wissensgesellschaft. FAZ

The Anemic Recovery Continues Who can blame consumers for holding back when 50 million Americans depend on taxpayer-supported programs? The modern-day soup line is a check in the mail. Wall Street Journal

The Tea Party and American Foreign Policy What does rise of the Tea Party movement mean for U.S. foreign policy? Since today’s populists have little interest in creating a liberal world order, U.S. policymakers will have to find some way to satisfy their angry domestic constituencies while also working effectively in the international arena. Foreign Affairs