Thomas de Maizière, NSU-Prozess, Lammert, Kinderbetreuung, NSA, Raucherurteil & Berthold Beitz

Hilflos vor der Rüstungsindustrie Kanzlerin Merkel will Verteidigungsminister de Maizière halten, auch wenn er sich bei der „Euro Hawk“-Drohne verhaspelt. Die Chance zum ehrenvollen Rückzug hat der Verteidigungsminister verpasst. Doch die Affäre hat noch eine weitere bedeutende Konsequenz. Süddeutsche Zeitung

Beschädigter Hoffnungsträger Thomas de Maizière galt noch vor kurzer Zeit als guter Manager der Politik mit moralischem Kompass. Nach seiner Vernehmung im Untersuchungsausschuss sind Korrekturen am Bild des Ministers als Hoffnungsträger unabdingbar. Frankfurter Rundschau

Im Sinkflug Es ist nicht die Rolle, die sich Thomas de Maizière gewünscht hat. Und es ist auch nicht das Szenario, das sich der Verteidigungsminister für die wahlentscheidenden Wochen der laufenden Legislaturperiode vorgestellt hätte. De Maizière, über Jahre im tadellosen Ruf ein effizienter wie blitzsauberer Politmanager zu sein, auf dem Zeugenstuhl eines Untersuchungsausschusses – das trifft ihn schwer. Hätte er eine Zeitmaschine, er wäre mit ihr längst in jene Phase zurückgefahren, in der die Probleme beim Drohnenprojekt „Euro Hawk“ von vermutlich lösbar auf wahrscheinlich unlösbar umstellten. Bonner General-Anzeiger

Herr Minister, der Russe kommt Thomas de Maizière verteilt das Drohnen-Debakel vor dem Untersuchungsausschuss sorgsam auf die Zahnrädchen einer Ministerialbürokratie. Die Opposition spricht von einer zweiten Lüge. FAZ

Zwei Monate für de Maizière? Als Machtpolitikerin und als Wahlkämpferin ist die Kanzlerin gewillt, an ihrem Verteidigungsminister festzuhalten. Nach der Bundestagswahl wird sich erweisen, welchen Wert ihr „volles Vertrauen“ hat. FAZ

Thomas de Maizière, ein Minister ohne Geschäftsbereich Das Euro-Hawk-Projekt wurde nicht zu spät, sondern zu früh gestoppt. Denn wenn Deutschland jetzt beim Drohnen-Bau wieder bei Null anfängt, kann das Jahre dauern und noch viel mehr Geld kosten. Tagesspiegel

NSU-Prozess

Geräusch einer Kaffeemaschine Als der vierte Mord der NSU-Serie vor Gericht aufgearbeitet wird, merkt man Beate Zschäpe an, dass sie das alles lieber nicht hören würde. Das Opfer Habil Kiliç wurde skrupellos hingerichtet. FAZ

„Das waren die nicht, das ist unmöglich“ 2001 wurde in München der Lebensmittelhändler Habil Kilic erschossen. Doch Jahre später sind viele Aussagen unpräzise. Eine Zeugin im NSU-Prozess hat damals zwei Radfahrer beobachtet – heute halten die Ermittler sie für die Mörder. Doch die Frau behauptet vor Gericht, die Radler hätten „osteuropäisch“ ausgesehen. Süddeutsche Zeitung

Abgehörte Trauer Die Kinder des ersten NSU-Mordopfers sitzen heute zum ersten Mal seit Prozessbeginn wieder im Gerichtssaal. Sie wollen den Polizisten konfrontieren, der jahrelang Ermittlungen gegen sie führte. stern

Dr. Norbert Lammert

Teilnehmender Beobachter Wenig spricht dafür, dass es sich bei Lammerts Doktorarbeit um Plagiate handelt. Zu kritisieren wäre eher die Fallstudie am eigenen CDU-Kreisverband. FAZ

Die gebremste Verteidigung des Norbert Lammert Bundestagspräsident Lammert versucht in seiner Plagiatsaffäre die Taktik der Transparenz und der leisen Widerworte. Das lässt ihm einige Rückzugspositionen offen, falls sich die Vorwürfe erhärten sollten. Lammert hat also wenigstens noch nichts falsch gemacht, was ihn von einigen Kollegen abhebt. Süddeutsche Zeitung

Rücktritt als Ausweg in die Anständigkeit Erst Guttenberg, dann Schavan, nun Lammert? Immer wieder müssen sich Politiker wegen Plagiatsvorwürfen rechtfertigen. Stellt sich jedoch heraus, dass diese Doktoren tatsächlich gedopt haben, bleibt nur noch der Ausweg rückwärts. Tagesspiegel

Kinderbetreuung

Überschätzter Krippen-Stichtag Auch wenn die Zahl der Krippenplätze und die der Betreuer immer noch nicht ausreicht: Der Krippenausbau ist mitnichten gescheitert. Warum man den Stichtag nicht so wichtig nehmen sollte. FAZ

Wie man an den garantierten Kitaplatz kommt Von Donnerstag an garantiert der Staat Kleinkinder-Eltern einen Kita-Platz – theoretisch. Denn immer noch fehlen Plätze. Wir sagen, was der Rechtsanspruch taugt und wie Sie sich Ihren Platz sichern. stern

„Das Durcheinander neu organisieren“ Von heute an gilt der Anspruch auf einen Kitaplatz für Unter-Dreijährige. Die Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast, spricht im Interview mit der Berliner Zeitung über Kinderbetreuung, Wahlkampf und Steuererhöhungen. Interview mit Renate Künast Berliner Zeitung

NSA

NSA liest E-Mails, Facebook-Chats und Browserverläufe mit Es geht um Milliarden Datensätze, Millionen Menschen und eine Verliererin: die Privatsphäre. Neue Enthüllungen zeigen, wie NSA-Mitarbeiter angeblich auf E-Mails, Facebook-Chats und sogar Browserverläufe zugreifen können – auch in Echtzeit. Es werden so viele Daten gesammelt, dass der Speicherplatz auf den NSA-Servern nicht ansatzweise ausreicht. Süddeutsche Zeitung

Gegen XKeyscore ist Prism harmlos Überwachung in Echtzeit. Eine weitere und sehr potente Spionagesoftware ist dank Edward Snowden bekannt geworden. Die US-Regierung wiegelt ab. taz

Die NSA versucht einen Befreiungsschlag „Helfen Sie der NSA!“ Keith Alexander, Direktor des Geheimdiensts, ist auf der Hacker-Konferenz „Blackhat“ in Las Vegas aufgetreten. Die Argumente und Beschwichtigungen zu den Überwachungsenthüllungen müssen gerade deutschen Beobachtern bekannt vorkommen. FAZ

NSA liest auch Facebook-Chats mit Neue Dokumente von Edward Snowden zeigen, wie mächtig das NSA-Programm XKeyscore ist. Der Geheimdienst kann demnach fast alle Netzaktivitäten überwachen. ZEIT

Kein Held Durch Mannings Enthüllungen sind Menschenleben direkt in Gefahr geraten. Bei den Enthüllungen Snowdens ist das bisher nicht zu erkennen. FAZ

Ein Held, der ins Gefängnis gehört WikiLeaks-Informant Bradley Manning muss hart bestraft werden. Das heißt nicht, dass der Whistleblower moralisch falsch gehandelt hat ZEIT

Warum die Abwägung zwischen Recht und Gerechtigkeit gefährlich ist Bradley Manning legte einen Eid ab, Geheimhaltung zu wahren. Er brach das Recht bewusst, um einem seiner Meinung nach höheren Ziel zu dienen – und stellte sich damit in die Tradition des Utilitarismus. Aber auch die NSA kann ihre Überwachung so rechtfertigen. Tagesspiegel

Raucherurteil

Man kann die Raucher nicht einfach rausschmeißen Ein Mieter, der rauchte und sich weigerte zu lüften, wird amtgerichtlich vor die Tür gesetzt. Das Urteil wirkt unverhältnismäßig. Statt die Fronten zu verhärten hätte das Gericht besser vermittelt Die Welt

Der Feldzug wird ausgeweitet Was zur perfekten Regulierung unseres Alltags noch fehlte, war ein Richterspruch, der sich am Tabakkonsum in den eigenen vier Wänden abarbeitet. Das Düsseldorfer Urteil weist weit über den Einzelfall hinaus. Kölner Stadt-Anzeiger

Bedenkliche Rauchzeichen Rauchen in der eigenen Wohnung gilt als höchstrichterlich geschützte persönliche Freiheit. Doch auch die hat Grenzen, entschied das Düsseldorfer Amtsgericht. Es muss befürchtet werden, dass sich Deutschland immer stärker in ein Land der privaten Gängelungen verwandelt. Märkische Allgemeine

Großer Rauchangriff Was nach der ultimativen Konfrontation im Zigarettenkrieg aussieht, ist eben dies: viel Rauch. Tagesspiegel

Wer wird gleich in die Luft gehen? WAZ

Ein unerbittlicher Kampf Die Nichtraucher zogen feixend große Mengen Frischluft in ihre top-gesunden Lungen. Die Raucher zündeten sich nervös zitternd erst mal eine an. taz

Berthold Beitz ist tot

Der letzte Krupp, der letzte Beitz Berthold Beitz war einer der wichtigsten deutschen Industriemanager der Nachkriegszeit. Der Krupp-Generalbevollmächtigte diente als Wegbereiter der deutschen Ostpolitik im „Kalten Krieg“, Sportfunktionär und großzügiger Mäzen. Ein Nachruf. FAZ

Industrieller Berthold Beitz war der andere Oskar Schindler Berthold Beitz war ein Industrieller und Patriarch, aber auch ein „Gerechter unter den Völkern“. Die Holocaust-Gedächtnisstätte Yad Vashem in Jerusalem ehrte ihn 1973, weil er im 2. Weltkrieg Hunderte jüdische Zwangsarbeiter vor dem sicheren Tod gerettet hat. Er riskierte dabei auch sein Leben. WAZ

Die Zeit nach Beitz Bis zuletzt hatte sich Berthold Beitz trotz seines hohen Alters von 99 Jahren um Thyssen-Krupp gekümmert. Nach dem Tod des Patriarchen müssen die Machtverhältnisse in Essen neu geregelt werden. Süddeutsche Zeitung

…one more thing!

Wahl in Bankrottistan Die Euphorie war groß, als 1980 aus dem rassistischen Siedlerstaat Rhodesien das unabhängige Simbabwe wurde. Nicht nur notorische Schwarmgeister glaubten damals an eine Demokratie im Wohlstand. „Das Beste an Simbabwe sind die Vitalität, der Optimismus und die Entschlossenheit seiner Menschen“, schrieb in jenen Tagen die Schriftstellerin Doris Lessing über das afrikanische Land ihrer Kindheit. Von dieser Aufbruchstimmung ist nichts geblieben. Entschlossen sind allein Präsident Robert Mugabe und seine Clique: Sie wollen auch nach dieser Wahl mit allen Mitteln an den Fleischtöpfen bleiben. Bonner General-Anzeiger

Leitartikel

Nichts als die Wahrheit? Die ganze Wahrheit kann kein Mensch dauerhaft ertragen. Darum werden Tatsachen unterdrückt oder Dinge aufgehübscht. In der Politik soll alles anders sein? Noch die alten Griechen hatten für Lüge und Irrtum dasselbe Wort. FAZ

Der geschrumpfte Minister Der Verteidigungsminister wird wohl davonkommen. Kein Rücktritt. Trotzdem ist der Schaden für den Minister groß. BILD

Im Mahlwerk der Politik Politiker sind faul und wollen sich bereichern – soweit das Vorurteil. Doch der Beruf ist ein Knochenjob, das zeigt der Rücktritt von Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck. Arbeitslast und Umgangston werden immer heftiger. Dadurch entsteht genau die Art von Politikern, die keiner will. Süddeutsche Zeitung

Seid umarmt, ihr Talente Die Krise treibt Europäer nach Deutschland. Doch Spitzenkräfte aus Drittländern kommen kaum – trotz der neuen Blue Card. Gute Gesetze allein reichen nicht, um Leistungsträger zu locken. Wie Zuwanderung gelingen kann Die Welt

Präsident Gnadenlos Das Verfahren gegen Bradley Manning ist eine Kampfansage an mutige Whistleblower und an alle investigativen Journalisten. US-Präsident Obama ist zur Bedrohung der Grundrechte geworden. Die Bundesregierung darf nicht länger wegschauen. Berliner Zeitung

Lang lebt die Königin Nach dem Rummel um den royalen Rangen George richtet sich die Aufmerksamkeit der Briten nun auf die Firma Windsor. Kein Unternehmen wird besser geführt. ZEIT

Ein neues Klima Vorboten einer Revolution oder alter Wein in neuen Schläuchen? Die Worte des Papstes zur Homosexualität sorgen für mächtige Aufregung: Bei Gläubigen, bei Homosexuellen und bei Gläubigen unter Homosexuellen. Die „romantische Begeisterung“ über den neuen Papst ist manchen in der Amtskirche schon fast ein wenig unheimlich. AZ München

The IMF and Greek Losses The Fund supports writedowns—just not on its own loans. Wall Street Journal