Grün-Rot, Arbeitsmarkt, Inflation, OECD, Atommüll & Sony

Politikwechsel Einen „Bildungsaufbruch“, den der künftige Ministerpräsident Kretschmann ankündigt, hat Baden-Württemberg nicht nötig. Aber die Grünen sind sowieso keine revolutionäre Partei mehr. Das „Bewahren“, das auch über dem Koalitionsvertrag steht, ist für sie kein Fremdwort. FAZ

Willkommen in der Wirklichkeit Ein bisschen Revolution soll es im Ländle schon geben, und so hat Grün-Rot ein Integrationsministerium erfunden. Es wird der SPD gehören und de facto ein Ressort für die Widerlegung Thilo Sarrazins sein. Es wäre jedenfalls gut, wenn in diesem bundesweit neuen Ministerium die Themen Integration und Islam entzerrt würden. Berliner Morgenpost

Der grün-rote Feldversuch Baden-Württemberg hat den politischen Wandel gewählt und bekommt ihn nun von der neuen grün-roten Landesregierung in einer vergleichsweise starken Dosis serviert. Augsburger Allgemeine

Ein grün-roter Wettstreit um Bürgerlichkeit Bei der Vorstellung des Koalitionsvertrag präsentieren sich die Grünen behutsam und die SPD staatstragend. Die Wahl wurde gewonnen, doch Bedenken sind zu zerstreuen. FAZ

Grün, rot und naiv In ihrem Kompromiss zu Stuttgart 21 haben Grüne und Rote ein zentrales Problem ignoriert – und müssen nun mit einem neuen Konflikt leben. Die Bahn weigert sich, die Zusatzkosten für den Baustopp zu übernehmen. Und die Bahn ist im Recht. Süddeutsche Zeitung

Die vorsichtige Revolution Der grün-rote Koalitionsvertragkönnte einmal in einer Glasvitrine im Haus der Geschichte landen: Mit dem Papier machen die Partner einen Machtwechsel perfekt, der jahrzehntelang unvorstellbar schien und der erstmals in der Republik einen Grünen zum Ministerpräsidenten machen wird. Inhaltlich widerlegt das Programm dabei all die konservativen Kritiker, die den Weltuntergang im Ländle befürchteten. taz

Stuttgart an Düsseldorf Grün-Rot tritt in Stuttgart mit dem Ziel an, die Landesfinanzen in Ordnung zu bringen. Bald werden sie sich fragen, warum sie eigentlich Steuern erhöhen, während Rot-Grün in Düsseldorf munter Schulden macht. FAZ

Am Anfang war der Fehler SPD-Generalsekretärin Nahles will die Diskussion um den österlichen Kompromiss mit Sarrazin am liebsten sofort beenden. Dabei hätte die SPD-Spitze von Anfang an wissen können, dass die Hürden für einen Rauswurf viel zu hoch sind. Süddeutsche Zeitung

Arbeitsmarkt

Aktivierende Sozialpolitik Mit der Aufhebung des Zuwanderungsverbots aus osteuropäischen EU-Ländern könnte die Zahl der Hilfsbedürftigen weiter steigen. Es muss nach Abhilfe gesucht werden, damit fehlende sprachliche Kenntnisse und berufliche Qualifikation keine Hürden darstellen. FAZ

Wann, wenn nicht jetzt? Fast 70 000 Deutsche gehen im Nachbarland Österreich ihrer Arbeit nach. Die Gastarbeiter aus dem Norden bilden in der Alpenrepublik mittlerweile die zweitgrößte Gruppe unter den ausländischen Beschäftigten, noch vor den Zuwanderern aus der Türkei. Ihre Zahl hat sich in den vergangenen sechs Jahren verdoppelt. Bonner General-Anzeiger

Ganz neue Perspektiven Nein, es besteht wirklich kein Grund zur Panik, wenn in drei Tagen die deutschen Grenzen für osteuropäische Arbeitskräfte geöffnet werden. Die Zeiten, in denen befürchtet wurde, sie würden hierzulande den Bürgern die Arbeitsplätze streitig machen, sind längst vorbei. Märkische Allgemeine

SPD: die Traditionspartei Ein durch die Jahrzehnte von der SPD in der Ausländerfrage umgesetzter Grundwert lautet: Mal so, mal so. Ein anderer: Je nach dem. Mal ist man internationalistisch, mal eher am Interesse der deutschen Arbeiterschaft orientiert. Je nachdem, ob gerade das Gute verteidigt werden soll oder Wahlkampf herrscht. Berliner Zeitung

Inflation

Inflation und Verteilung Inflation ist kein anonymes „Phänomen“ und keine magische „Geldentwertung“, die man fürchten muss wie ein Unwetter. Inflation ist vielmehr das Ergebnis eines sehr konkreten Verteilungskampfs. Derzeit verlangen zum Beispiel die Rohstoffproduzenten höhere Preise von der Industrie. Und der Handel will sich bei den Konsumenten schadlos halten.Derzeit spricht alles dafür, dass die deutschen Arbeitnehmer am kürzeren Hebel sitzen. Denn ihr Preis steigt kaum… Berliner Zeitung

Die riskante Wette der Fed wird nicht aufgehen Die EZB musste für ihre Leitzinserhöhung viel Kritik einstecken. Fed-Chef Bernanke sieht das Inflationsproblem anders, wie er auch jetzt noch mal betonte. Doch niedrige Zinsen sind kein Allheilmittel. Handelsblatt

Fed beharrt auf Nullzins-Politik Amerikas Notenbank gibt zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine Pressekonferenz, an ihrer Geldpolitik ändert sich jedoch vorläufig nichts: Die Zinsen stehen weiterhin bei nahe null Prozent. Süddeutsche Zeitung

Krieg der Worte und Währungen An der Währungsfront droht es ungemütlich zu werden. Die Folgen dürften schon im Lauf dieses Jahres zu spüren sein. Wirtschaftswoche

Bernanke hält an expansiver Geldpolitik fest Es war die erste reguläre Pressekonferenz der amerikanischen Zentralbank: Ben Bernanke gab bekannt, die Federal Reserve werde den Leitzins auf niedrigem Niveau halten. Der im November beschlossene Ankauf von amerikanischen Staatsanleihen für 600 Milliarden Dollar soll beendet werden. FAZ

Dollar’s Race to the Bottom How much further can the dollar plummet? Wallstreet Journal

Letting daylight in on the Fed Bernanke takes an untheatrical step towards transparency Financial Times

Atommüllendlager

Endlager 21 Gerade auch diejenigen, die seit Jahrzehnten den sofortigen Atomausstieg fordern, müssen die Frage beantworten: Wohin mit dem Müll? Es ist bemerkenswert, dass der künftige grüne Ministerpräsident von Baden-Württemberg auch sein Land erkunden lassen will. FAZ

Verfrühter Optimismus Dass es falsch war, bei der Endlagerung von Atommüll allein auf Gorleben zu setzen, dämmert längst auch überzeugten Befürwortern der Nutzung von Atomenergie Augsburger Allgemeine

Atomdebatte ohne Fraktionszwang Die von der Bundesregierung berufene Ethik-Kommission soll Fragen zur Kernenergie klären. Solche Grundsatzentscheidungen gehören jedoch in den Bundestag. Zeit

OECD-Bildungsstudie

Vor dem Bildungs-GAU Eine individualisierte Förderung der Familien selbst, das zeigt der internationale Vergleich der OECD, ist wenig effizient. Wer sozial benachteiligten Kindern wirkungsvoll helfen will, tut gut daran, Geld in Bildungseinrichtungen zu stecken. Frankfurter Rundschau

Das Geld neu verteilen Was haben die Dänen, was wir nicht haben? Sie geben viel weniger Geld aus für die Familienförderung, investieren die Staatshilfen aber klüger und effizienter als der deutsche Vater Staat. Dort ist der Anteil der armen Kinder nicht einmal halb so groß wie bei uns – auch weil dort mehr Frauen gut bezahlte Berufe ausüben als bei uns. Das können sie tun, weil der Staat für eine verlässliche Betreuung der Kleinsten sorgt. Der Westen

Rückwärtsgewandt Misst man den Erfolg von staatlicher Familienförderung an der Geburtenrate, dann steht die deutsche Politik ziemlich kläglich da. Bonner General-Anzeiger

Reiches armes Land Deutschland ist ein reiches Land. Das hat auch der jüngste OECD-Familienbericht eindrucksvoll bestätigt. Lausitzer Rundschau

Sony

Sonys Schweigen ist der eigentliche Skandal Sonys Playstation-Network ist Opfer eines Hackerangriffs geworden. Das darf nicht passieren, kann aber. Was aber gar nicht in Ordnung ist: Die Japaner warteten viel zu lange, bis Nutzer informiert wurden. Financial Times Deutschland

Schlampige Firma, faule Nutzer Sony hat mit dem Verlust von Millionen persönlicher Nutzerdaten millionenfach Vertrauen verspielt. Und doch sind auch wir Kunden schuld – weil wir im Netz viel zu unvorsichtig sind. Süddeutsche Zeitung

Der Preis der Bequemlichkeit Die völlig sichere Online-Welt gibt es nicht. Wer daran teilhaben will, muss das Risiko in Kauf nehmen, dass Informationen in falsche Hände geraten. Augsburger Allgemeine

Der Daten-GAU Die persönlichen Daten von rund 77 Millionen Nutzern der Spielkonsole PlayStation sind bei einem Hackerangriff gestohlen worden. Nun muss Sony erklären, wie der Daten-GAU künftig vermieden werden soll. Online-Netzwerke brauchen Regeln. Kölner Stadt-Anzeiger

Sony und das Datendesaster Datenskandale im Internet gehören zwar zur Tagesordnung. Die Dimension des Hackerangriffs auf Sony al­lerdings nicht: 77 Millionen Betroffene bangen um ihre Daten, müssen Folgen fürchten, denn der Konzern kann nicht ausschließen, dass Konto- und Kreditkarteninformationen in die Hände Unbekannter geraten sind. Der Westen

Systemfehler Daten horten Millionen Menschen verlieren persönlichste Informationen, weil Hacker bei Sony einbrachen. Der Konzern sammelt unnötig viele Daten. Zeit

Playstation war Sonys letzte große Hoffnung „It’s not a trick, it’s a Sony“, lautete das selbstbewusste Motto von Sony in den 90er Jahren. Immerhin hatten die Japaner den tragbaren Kassettenspieler „Walkman“, die CD und das Betamax-Format für Videos erfunden. Inzwischen hinkt der Konzern seiner Konkurrenz hinterher – und dazu kommt jetzt der massive Datenklau im Playstation Network. Rheinische Post

Sony wird kein Einzelfall bleiben Nach der Telekom und Amazon hat es nun auch Sony erwischt. Börsen-Zeitung (Print)

…one more thing!

Eichmann und die DDR Parallel zum Eichmann-Prozess begann die „Aktion J“, zu der das Verfassen anonymer antisemitischer Briefe und Drohungen gegen Juden durch das MfS gehörte. Man wollte den braunen Charakter der Bundesrepublik im Gegensatz zum antifaschistischen der DDR ein weiteres Mal belegen können. Berliner Zeitung

Leitartikel

Grün-Rot: Wein oder Essig Einen Monat nach einer der erstaunlichsten Wahlen ist der grün-rote Koalitionsvertrag in Stuttgart unterzeichnet worden. Klar ist: In Baden-Württemberg gärt es. Damit Wein und nicht Essig daraus wird, muss der künftige Ministerpräsident Kretschmann klug sein wie Marc Aurel, integer wie Mutter Teresa und antriebsstark wie ein Daimler-Lkw. Ziemlich schwierig also. Süddeutsche Zeitung

Macht aus der Nische Die Grünen sind Nummer eins in Stuttgart, erstmals, ein Meilenstein. Doch noch scheuen sie die ganze Verantwortung und überlassen Sozialdemokraten die Kernaufgaben. Frankfurter Rundschau

Das Musterländle wird Musterland – und wichtig für Berlin Vor Winfried Kretschmann stehen harte Jahre: Wie kann der Umbau einer wirtschaftlich erfolgreichen Region in eine umweltschonende Gesellschaft gestaltet werden, die konkurrenzfähig bleibt? Die Blaupause, die in Stuttgart gezeichnet wird, ist wichtig für Berlin. Tagesspiegel

S-21-Gezerre muss raus auf die Bühne Der Streit um den Stuttgarter Bahnhof kann nur gelöst werden, wenn die Öffentlichkeit einbezogen wird. Nach dem Kompromiss der Koalition im Ländle besteht jedoch die Gefahr, dass der Konflikt hinter verschlossenen Türen ausgefochten wird – schmutzige Tricks haben alle Beteiligten auf Lager. Financial Times Deutschland

Land ohne Kanzlerkandidaten Politik ist heute nicht einmal mehr das Feld der erkennbar Ehrgeizigen. Nirgends ist eine besondere Anstrengung auszumachen, es sich, den Parteifreunden und der Bevölkerung zu zeigen, dass jemand aufsteigen, gestalten und Wahlen gewinnen will. FAZ

Auf verlorenem Posten Gut 512 000 Mitglieder hat die SPD derzeit – noch. Und EINER bringt die Genossen in Wallung wie kein anderer. Thilo Sarrazin – ob er nun in der Partei bleibt oder nicht. Egal. Und genau da liegt in der SPD das Problem: Am Ende wird jeder Streit in das alte Rechts-Links-Schema einsortiert. Egal ob es um Rente mit 67, Hartz IVoder Steuern geht. Bild

Ackermann liefert – Börsig noch nicht Die Deutsche Bank ist deutlich besser ins Jahr gestartet als gedacht. Aber gute Zahlen werden in den nächsten Monaten nicht ausreichen, um auch langfristig an den Erfolg des Geldhauses zu glauben. Handelsblatt

Abschalten geht nicht Der gigantische Einbruch in das Sony-Netzwerk zeigt: Die Risiken des Digital-Zeitalters werden unkalkulierbar – doch hierzulande übliche Reflexe führen nicht weiter. Es gibt nämlich keinen Ausstieg aus dem Fortschritts-Dilemma Die Welt

The Gas Price Freakout Ready-made energy incoherence as a gallon climbs towards $4. Wallstreet Journal