Steuer- und Familienpolitik, Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung

Alle Strategien sind bereits auf das politische Großereignis des Jahres ausgerichtet, die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen am 9. Mai. An deren Ausgang hängt die künftige Handlungsfreiheit der Bundesregierung. Die schwarz-gelbe Bundesratsmehrheit bleibt nur erhalten, wenn Jürgen Rüttgers seine Koalition mit der FDP fortsetzen kann, meint das Handelsblatt.

Zeile 559 des Koalitionsvertrags von CDU/CSU und FDP: „Alle Maßnahmen des Koalitionsvertrages stehen unter Finanzierungsvorbehalt.“ Mit dieser Auffangklausel in den „Goldenen Regeln für generationengerechte Finanzen“ kann Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) im Regierungsbündnis die Notbremse ziehen. Anderes wird ihm kaum übrig bleiben, wenn die Liberalen weiter unbeirrt auf Steuersenkung pochen, vermutet die Börsen-Zeitung.

Noch hat die FDP ihre Rolle in der Bundesregierung nicht gefunden. Das kleinkarierte Steuersenkungsgezerre droht längst jeglichen wohlwollenden Blick auf die Politik der Bundesregierung zu verstellen. Das Verhaspeln in Einzelheiten lässt Schwarz-Gelb alt aussehen. Die Liberalen müssen bald einen Ausweg aus der Steuer-Sackgasse finden, so die Stuttgarter Zeitung (Print).

Die Liberalen reiten ihr Steckenpferd, die Steuersenkung. Allerdings haben sie kein Konzept, besonders keines dafür, woher das Geld dafür kommen soll. Parteichef Westerwelles Hinweis, dies sei partnerschaftlich vereinbart, zählt nur bedingt: Die Kanzlerin hat dem wohlfeilen Versprechen stets einen Finanzierungsvorbehalt hinterhergeschickt, sieht die Westdeutsche Allgemeine Zeitung voraus.

Aber nach der NRW-Wahl werden Union und FDP sagen müssen, wie sie die desolate Finanzlage des Staates in den Griff bekommen wollen. Keine Regierung kann auf Dauer jedes Jahr 100 Milliarden Euro an neuen Schulden aufnehmen, meint die Märkische Allgemeine.

Kakophonie allerorten innerhalb der Regierung. Stramme Führung ist zwar die Sache von Kanzlerin Angela Merkel nicht. Früher hat sie aber zumindest noch moderiert, urteilt die Volksstimme, Magdeburg.

Familienpolitik

Es ist alarmierend, was der Städte- und Gemeindebund nun fordert: Die Regierung solle den gesetzlichen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz wieder kippen. […] Ohne die SPD, die den Rechtsanspruch in der großen Koalition durchgesetzt hat, wäre von der Leyens Krippen-Erfolg bald dahin. Der Rechtsanspruch ist das einzige Mittel, mit dem die Kommunen zum Ausbau gezwungen werden können, glaubt die Berliner Zeitung.

Falscher Alarm. Der Städte- und Gemeindebund will ermittelt haben, dass im Jahr 2013, in dem alle Eltern einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz bekommen werden, mehr als eine halbe Million Eltern von Kleinkindern nicht bedient werden könne. […] Das Geld für die Demoskopen hätten sich die klammen Kommunen sparen können, wenn sie die im November veröffentlichten Berechnungen des Statistischen Bundesamts zur Kenntnis genommen hätten. Dort ist nachzulesen, dass mit den vom Bund finanzierten zusätzlichen 750 000 Plätzen ein Übersoll erfüllt wird, rechnet die FAZ (Print) gegen.

Man mag die Details der Umfrage, die der Städte- und Gemeindebund präsentierte, hinterfragen. […] Man kann jedoch nicht die Augen davor verschließen, dass immer mehr Eltern Beruf und Familie unter einen Hut bringen wollen. Und dazu brauchen sie Betreuungsplätze. […] Wenn der Ausbau im geplanten Tempo weitergeht, werden hunderttausende Eltern in die Röhre schauen, befürchtet dagegen die Frankfurter Rundschau.

Die Kommunen müssen mitbezahlen, was andere beschlossen haben. […] Zu Recht schlägt deshalb der Städte- und Gemeindebund nun Alarm und fordert mehr Geld. Doch der Appell droht wirkungslos zu verhallen. Denn der Bund muss bald umstellen auf die „Schuldenbremse“. […] Zu befürchten ist eine weiter abnehmende Qualität kommunaler Leistungen, so die Mitteldeutsche Zeitung.

Die stellvertretende FDP-Vorsitzende Cornelia Pieper ist weit über das Ziel hinausgeschossen. Ihr Vorschlag, die Erhöhung des Kindergelds mit Bildungsgutscheinen zu bezahlen, zeugt von einem fehlenden Vertrauen in die Familien, findet die Neue Osnabrücker Zeitung (Print).

Welches Bild von den Eltern im Besonderen und von Bürgern im Allgemeinen haben FDP-Politiker, dass sie den Müttern nicht nur vorschreiben wollen, welche Bildungsangebote diese wahrzunehmen haben, sondern ihnen mittelbar auch noch die Fähigkeit zum sachgerechten Umgang mit Geld absprechen, fragt die FAZ (Print)?

Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung

Die Besetzung des Stiftungsrats ist hochpolitisch, wie der Streit um Steinbach ja zeigt. […] Der Eindruck wird noch stärker werden, dass diese Koalitionsehe nicht im Himmel, sondern im Vorhof der Hölle geschlossen worden ist. Die Kanzlerin muss jetzt endlich klarmachen, was sie in diesem Konflikt will, frdert die Süddeutsche Zeitung.

Steinbach stellt damit das von ihr maßgeblich geförderte Vertriebenen-Zentrum über ihren persönlichen Ehrgeiz. Das sichert ihr die Unterstützung des Bundes der Vertriebenen (BdV), dem ihre Präsidentin manchmal zu nachgiebig ist. Denn Steinbach ist bislang die beste Versicherung gegen Scharfmacher im BdV, die leider immer noch zu zahlreich sind, stellt die Rheinische Post (Print) fest.

Alle, auch Unionspolitiker, könnten jetzt wieder heucheln, wie „respektabel“ die Entscheidung Frau Steinbachs sei – wenn der Schritt nicht einen Preis hätte: die Erweiterung der Stiftung und deren Abkopplung von politischer Bevormundung und Kontrolle. Die FDP, die dieses Kontrollrecht gerade in aller Härte ausübt, wird darauf aber kaum verzichten wollen. […] So steht zu befürchten, dass die Preisgabe des souveränen Rechts, unter Einbeziehung der Vertriebenen darüber zu befinden, wie Deutschland der Vertreibung gedenkt, doch noch mit einem Eklat endet, so die FAZ.

Bisher war Erika Steinbach ein Teil des Problems. Ist sie nun bereit, im Streit um den Rat der Stiftung „Flucht, Vertreibung, Versöhnung” ein Teil der Lösung zu werden? […] Steinbach holt nichts für sich raus, umso mehr für ihren Verband. Die Regierung soll nämlich ihren Einfluss auf künftige Besetzungen verlieren und den Vertriebenen mehr Einfluss im Beirat zusichern. Die Präsidentin würde ihr Gesicht wahren, den Polen käme man entgegen, urteilt die Westdeutsche Allgemeine Zeitung.

Erika Steinbach ist eine honorige Frau. Mit ihrer Bereitschaft zum Verzicht auf einen Sitz im Stiftungsbeirat des Erinnerungszentrums gegen Flucht und Vertreibung baut die Präsidentin des Vertriebenenbundes mehr als Goldene Brücken für die Kritiker. […] Noch mehr Kompromisse kann man von den Vertriebenen wirklich nicht einfordern, findet die Nordwest Zeitung.

Leitartikel

Das versprochene „mehr Netto vom Brutto“ wird in den Geldbeuteln nicht ankommen. Unterm Strich bleibt sogar eher weniger! Vor allem für Rentner und Arbeitslose, die von den Steuersenkungen ohnehin nichts haben. Diese Milchmädchenrechnung macht echt sauer! BILD

Die drei schwarz-gelben Koalitionspartner – oder sollte es treffender heißen: Kollisionspartner? – geben drei Monate nach der Bundestagswahl ein famoses Bild ab.[…] Die FDP musste damit rechnen, dass eine CDU, die aus dem schwarz-roten Zweckbündnis ohne nennenswerte Stimmenverluste hervorgegangen war, dies nicht wegen einer stetigen Anmahnung neoliberaler Wirtschaftsleitsätze geschafft hatte. Die Welt

Wären die Minister Schäuble und de Maizière Unternehmer, die Löhne aus ihrer Firmenkasse zu bezahlen hätten: Man könnte eine Art Gerechtigkeit darin sehen, dass sie sich als Erste mit den Folgen ihrer Voodoo-Ökonomie auseinandersetzen werden. Süddeutsche Zeitung (Print)

Beim Wort nehmen. Wer eine Garantie abgibt, muss sie auch bezahlen – Matthias Maus, AZ-Chefreporter, über den Streit um Kita-Platz-Garantien. Abendzeitung

Eine typische deutsche Debatte. Auch im neuen Jahrzehnt wird die islamistische Terrorszene den Wahnsinn des angeblich heiligen Krieges fortsetzen. Die Drohungen von Al Qaida gegen die Botschaften der USA und Großbritanniens im Jemen künden von unvermindertem Furor. Deutschland debattiert derweil über die Einführung des „Nacktscanners“. Ist der Streit der Dimension der Terrorgefahr angemessen? Tagesspiegel

Im Jemen herrschen Elend, Chaos und Zerfall. Gegen solchen Nährboden des Terrors aber helfen weder Truppen noch eilige Entwicklungshilfe. Da bedarf es kühler Köpfe und langen Atems. Frankfurter Rundschau

Bangemachen bei der Bonisteuer gilt nicht. Die britische Regierung sollte sich von den Drohungen der Investmentbanken nicht einschüchtern lassen. Sie lenken von den wirklich wichtigen Reformen nur ab. Financial Times Deutschland

Spanien im Loch. Spanien war das letzte der großen EU-Länder, das tief in die Wirtschaftskrise rutschte, und es ist auch das letzte, das – vielleicht in diesem Jahr – wieder aus dem Loch herausfindet. FAZ

America is losing the free world. The Obama administration is facing an unexpected and unwelcome development in global politics. Four of the biggest and most strategically important democracies in the developing world – Brazil, India, South Africa and Turkey – are increasingly at odds with American foreign policy. Financial Times

Legislative Democrats should show that they will support lawmakers who have the courage to cross party lines for the good of the state. LA Times