Wahlkampf, Opel & Finanz-/Konjunkturpolitik

Im Wahlkampf verschleiert die Regierung systematisch die wirtschaftlichen Folgen ihrer Entscheidungen. Beide Volksparteien drücken sich um eine Diskussion der polititschen Herausforderungen, urteilt das Handelsblatt.

Typisch deutscher Wahlkampf: Laut verkünden alle Parteien, mit wem sie keinesfalls koalieren wollen. Sie suchen keine neuen Wege, fügen sich in Sachzwänge. Das beraubt unsere Politik jeglicher Inspiration, findet der Der Spiegel.

Noch fünf Wochen sind es bis zur Bundestagswahl – eine kurze Zeit für die Parteien, um ihre unterschiedlichen Positionen den Wählern deutlich zu machen. Vielleicht mag sich so mancher in den schwarz-gelben Reihen darauf besinnen, dass neue Wähler nur dann gewonnen werden, wenn man sie von den Vorschlägen zur Bildungs-, Sozial- oder Integrationspolitik überzeugt, findet die Berliner Morgenpost.

Rot-Rot-Grün – Schrecken im Wahlkampf. Für die beiden Landtagswahlen am kommenden Sonntag sagen die jüngsten Umfragen Ergebnisse voraus, die den Kanzlerkandidaten der SPD ermutigen sollten: Sowohl in Thüringen als auch im Saarland droht die CDU ihre absolute Mehrheit zu verlieren, meint die Financial Times Deutschland.

In Thüringen und im Saarland werden die Grünen entscheiden, ob es zu einer rot-rot-grünen Machtkonstellation kommen kann oder nicht, glaubt der Tagesspiegel.

„Sex sells“, weiß die Warenwirtschaft. Einige Wahlkämpferinnen glauben, mit Sex lasse sich auch Politik verkaufen., meint die Frankfurter Rundschau.

Viel zu spät hat Ulla Schmidt einen Funken von Einsicht erkennen lassen und die Alicante-Tour als Privatreise deklariert. Den Makel der unverfrorenen Selbstbedienung wird die Ministerin wohl nicht mehr los. Deshalb ist sie für ihre Sozialdemokraten in der heißen Wahlkampf-Phase zu einer enormen Belastung geworden, meint die Rheinische Post

Der Fall Schmidt als Warnzeichen: Hüter der öffentlichen Moral betreiben zerstörerisches Mobbing gegen die Politikerin – so wird auch hierzulande ein politischer Betrieb à la Berlusconi vorstellbar, so die Süddeutsche Zeitung.

Von Porsche-Mann Wiedeking bis zu den spanischen Dienstwagenfahrten der deutschen Gesundheitsministerin Schmidt: Gefühl im Bauch nennt sich heute Moral. Und ist doch nichts als Neid und Ressentiment, urteilt die FAZ.

Opel

Für die Rettung des Autobauers spielt die Bundesregierung mit hohem politischem Einsatz. Wenn sie verliert, bedeutet das für Angela Merkel eine riesige Blamage, findet das Handelsblatt.

Das Sommertheater um den Autobauer zeigt die Tragödie der deutschen Politik im Wahlkampf. Keiner traut sich. Merkel klopft Sprüche statt auf den Tisch, Steinmeier gibt wie immer den Braven, Guttenberg vermeidet sein Lieblingswort „Planinsolvenz“. Und General Motors führt sie alle vor, fürchtet die Financial Times Deutschland.

Auf deutscher Seite hat das amerikanische Pokerspiel Ärger und Unsicherheit ausgelöst – trotzdem wollen alle Beteiligten an der bisherigen Opel-Strategie festhalten, meint die Süddeutsche Zeitung.

General Motors fährt schon lange eine unverständliche Strategie mit der deutschen Tochter Opel. Die US-Regierung als GM-Eigentümer sollte das zwielichtige Treiben in Detroit bald beenden , fordert er Tagesspiegel.

Die Nervosität nimmt bei allen Beteiligten auf der deutschen Seite sichtlich zu. Noch fünf Wochen bis zur Bundestagswahl – und noch kein vorzeigbares Ergebnis. Der Fall Opel könnte dem verschlafenen Wahlkampf plötzlich ein handfestes Thema bescheren. Vor allem für die Bundeskanzlerin wird die Sache langsam schwer kalkulierbar, meint die Märkische Allgemeine.

Druck aus dem Kanzleramt. Warum nur liegt Angela Merkel so viel daran, dass General Motors sich schnell für einen Verkauf von Opel an den Zulieferer Magna ausspricht. Für die Bundestagswahl kann Opel kaum entscheidend sein. Gibt es Absprachen in ganz anderen Dimensionen mit Russland? fragt die FAZ.

RHJ aus Belgien ist General Motors da viel lieber. Der setzt nämlich – anders als Magna – auf die Fortsetzung der Kooperation von Opel und GM. Die Interessen der Beschäftigten und im übrigen auch der deutschen Steuerzahler spielen bei solcher Art Taktik und Strategie eine untergeordnete Rolle. Unerträglich! urteilt die Westfälische Rundschau.

Mieses Spiel mit Opel. Das ungenierte Zeitspiel von General Motors deutet darauf hin, dass GM in den nächste fünf Wochen nichts entscheiden möchte. Nach der Bundestagwahl könnte dann doch noch eine Insolvenz von Opel durchgesetzt werden, fürchtet der Kölner Stadt-Anzeiger.

Auf den ersten Blick scheint es gut für die Beschäftigten in den vier deutschen Opel-Fabriken, dass der Verkauf des Unternehmens nicht vorankommt. Sie haben ja ihre Arbeit und ein ordentliches Einkommen. Nach dem Verkauf werden dagegen in jedem Fall Stellen gestrichen. […] Doch was kurzfristig nach Erfolg aussieht, trügt auf lange Sicht. Die Firma Opel gibt mehr Geld aus, als sie einnimmt, gibt die Sächsische Zeitung zu bedenken.

Die souveränste Figur im Trauerspiel um Opel hat bislang Fiat-Chef Marchionne gemacht. Der erfahrene Sanierer wollte Opel zwar auch kaufen. Aber der Italiener hat sein Angebot schon längst wieder zurückgezogen. Er hat wohl besseres zu tun, urteilt die Rheinische Post.

Finanz-/Konjunkturpolitik

Nach den Notenbanken müssen jetzt die Regierungen ran. Zurückhaltung ist manchmal auch eine Art, in einer Auseinandersetzung eine deutliche Botschaft zu senden. Sie lautet: Wir haben unseren Job gemacht, jetzt sind die anderen dran, so das Handelsblatt.

Die US-Regierung wird am Dienstag ihre Prognose für die kommenden Haushaltsdefizite um 2 auf 9 Billionen Dollar heraufsetzen. Die steigende amerikanische Staatsverschuldung droht zu einer ernsten Gefahr für das globale Finanzsystem zu werden, warnen prominente Ökonomen, berichtet die FAZ.

Central bankers from around the world expressed growing confidence on Friday that the worst of the financial crisis was over and that a global economic recovery was beginning to take shape. New York Times

Weltfinanzkrise, aber kaum Konsequenzen: Politiker haben nach schnellen Lösungen gesucht, doch sie haben es versäumt, ihre Rettungsangebote an harte Auflagen zu knüpfen, urteilt die Süddeutsche Zeitung.

Vom Konjunkturpaket der Bundesregierung ist kaum etwas bei der Wirtschaft angekommen. Und dennoch hat sie sich schnell wieder erholt – ganz ohne staatliche Hilfe, meint Die Welt.

one more thing!

Ist Wachstum nur für Ungleichheit zu haben? Der Abstand zwischen Reich und Arm ist größer geworden, schreibt Die Zeit.

Leitartikel

Ein Wahlkampf, in dem es ordentlich kracht und stinkt? Fehlanzeige. Wenn Kanzler, Minister und Co. ohnehin wenig auszurichten vermögen – warum, um Himmels Willen, soll man um die Frage des Amtswechsels ein Fass aufmachen? Frankfurter Rundschau

Anekdoten statt Visionen: Schwarz-Gelb lässt Inhalte vermissen. AZ-München

Das Saarland hatte eigentlich gute Aussichten: Dann kam die Finanzkrise. Die größte Aufgabe der neuen Landesregierung wird deshalb der Abbau des Schuldenbergs von rund zehn Milliarden Euro sein. FAZ

Jeder, der schon mal Verhandlungen geführt hat, sollte wissen, wie wichtig ein Plan B ist. Alternative Lösungen oder andere Optionen können als Druckmittel gegenüber dem Verhandlungspartner eingesetzt werden, wenn nichts mehr geht. Die Bundesregierung hat im Fall Opel offenbar keinen Plan B. Financial Times Deutschland

Für die Opel-Retter Merkel & Steinmeier könnte das alles sehr teuer werden. Weil die Große Koalition unbedingt bis zum Wahltag eine Lösung präsentieren will, kann General Motors den Preis fast beliebig in die Höhe treiben. Und das Verhältnis zum neuen US-Präsidenten ist unnötig belastet. BILD

„Dass ich dich besser fressen kann“ – diese Ansage im Märchen vom „Rotkäppchen“ wagt kein Wolf und kein Finanzminister-Kandidat auszusprechen. Die Inszenierung des Wohlfühlwahlkampfs ist perfekt. Die Dienstwagenaffäre von Ulla Schmidt ist bislang das herausragendste Thema. Wirtschaftswoche

Jeder Staatsanwalt weiß, dass der Kauf eines Dr. med. oder Dr. phil. mit dem Strafgesetzbuch kaum vereinbar ist. Dennoch blieb der Titelhandel lange Zeit ungeahndet. Süddeutsche Zeitung

Es gab eine Zeit, in der Krankheiten privat waren, vor allem lebensbedrohende Krankheiten wie Krebs. Prominente litten still, und die Öffentlichkeit erfuhr erst, nachdem sie ihn verloren hatten, von ihrem langen Kampf mit dem Tod. Die Welt

Still Going Nowhere Man. A brutally frank memo from a high-ranking Norwegian diplomat to the United Nations leaked this week, ripping Ban Ki-moon’s performance to shreds. The evidence against the U.N.’s feckless leader is mounting. Foreign Policy

Blackwater: CIA Assassins? The mercenary firm has a long and dark history with the CIA. Were they Bush and Cheney’s private hit men? The Nation

Fiscal Conservatism and the Soul of the GOP. The Texas governor Rick Perry on Arnold, Sarah, ObamaCare and the future of his party. Wall Street Journal

Still crazy after all these years, the perils of losing one’s grip on reality in American Politics Economist