Abwrackprämie, Familienpolitik

Die Abwrackprämie ist eine Wohltat, gegen die es viel einzuwenden gibt: Dass ihr jegliche ökologische Komponente fehlt zum Beispiel. Dass sie einseitig die Autobranche begünstigt, während andere Industrien in die Röhre gucken. Dass sie Aufschwung nur vorgaukelt und das Erwachen böse sein wird. Schließlich: Dass ihr unerwartet großer Erfolg Steinbrücks Haushalt sehr teuer zu stehen kommt, urteilt der Berliner Kurier.

Der Traum vom deutschen Babyboom ist zerplatzt. Doch es war eben naiv, zu glauben, die Menschen seien in ihrem Kinderwunsch so leicht von Sozialtechnokraten zu manipulieren. Den Verfechtern der neuen Familienpolitik in der großen Koalition geht es ohnehin nur am Rande um höhere Geburtenraten. Das Hauptziel ist es vielmehr, die Erwerbstätigkeit der Frauen zu erhöhen, so Die Welt.

Der Volksmund weiß, dass man den Tag nicht vor dem Abend loben soll. Familienforscher beurteilen die geburtenfördernde Wirkung staatlicher Leistungen generell skeptischer. Gerade das nach der Gehaltsstufe bemessene Elterngeld hat allerdings dazu beigetragen, dass Kinderwünsche weiter verschoben werden. Für achtzig Prozent der Mütter unter 26 Jahren beträgt das Elterngeld heute weniger als 500 Euro im Monat. In der Summe erhalten sie damit weniger als mit dem 2006 abgeschafften Erziehungsgeld.
Konsequent wäre, wenn die Ministerin nun auch den Rückgang der Geburten als ihren „Erfolg“ annähme, glossiert die FAZ in ihrer Printausgabe.

Ursula von der Leyen (CDU) hat zu früh gejubelt. Angeblich steigende Geburtenzahlen führte die Familienministerin voreilig auf ihre politischen Initiativen zurück. Das Argument fällt ihr jetzt voll auf die Füße. Auch die Ministerin weiß ja, dass Geld nicht den Ausschlag für den Kinderwunsch gibt, so der Kölner Stadt-Anzeiger.

Die Deutschen bekämen dank des Elterngeldes mehr Kinder, jubelte die Familienministerin erst kürzlich. Jetzt widerlegt die Statistik ihre Aussage. Das ist eine Blamage für Ursula von der Leyen – aber nicht für die gesamte Familienpolitik, befindet die FTD.

Dieser angebliche Erfolg von Elterngeld und anderen Maßnahmen stellte sich jetzt als politische Scheinschwangerschaft heraus. Seriös gibt die Geburtenstatistik 2008 politisch gar nichts her. Die Experten sprechen von Zufallsschwankungen, glaubt die Heilbronner Stimmer (Print).

Ja, mehr Kinder braucht das Land. Doch offenkundig benötigt ein solcher Mentalitätswandel deutlich mehr Zeit als es der neu justierten Familienpolitik lieb ist. Obendrein hängt der Kindersegen beileibe nicht nur von staatlichen Fördermaßnahmen ab. Mit dem Kinderkriegen ist mitunter auch ein gewisses Armutsrisiko verbunden. Demzufolge muss die Vereinbarkeit von Kind und Karriere weiter vorangebracht werden, so die Mitteldeutsche Zeitung.

Die Menschen brauchen zum Kinderkriegen vor allem eines: soziale Sicherheit. Doch das Gegenteil finden die Menschen vor: Die permanente Angst, den Job zu verlieren, schafft ein Klima, in dem viele froh sind, allein über die Runden zu kommen, so der Nordkurier.

Die Geburtenzahlen sinken wieder. Und gleichzeitig schwanden die (berechtigten) Hoffnungen der Familienministerin, die die Wirkung ihrer politischen Aktivität bis dahin als sozusagen statistisch untermauert ansah. Ein Rückschlag, zugegeben, aber keiner, der Ursula von der Leyen von dem beschrittenen Weg abbringen sollte, meint die Nordwest Zeitung.

Die neue Familienpolitik hebt sich wohltuend vom jahrelangen Stillstand und von eklatanten Versäumnissen der Vergangenheit ab. Doch reichen diese Korrekturen längst nicht aus, muss deutlich mehr getan werden, um Deutschland kinderfreundlicher zu machen, urteilt die Schweriner Volkszeitung.

Nun musste von der Leyen ihr kleines Babywunder selbst entzaubern. Denn da versetzte die nun komplette Jahresbilanz der ministeriellen Zuversicht samt Eigenlob einen Dämpfer. Politisch aber ist sie ein Bumerang für den Versuch der Familienministerin, die Rolle des Klapperstorchs zu reklamieren. Die Zahlen zeigen eher, wie heikel es ist, Geburtenraten politisch zu instrumentalisieren, so die Frankfurter Rundschau.

Leitartikel

Gute Folter? US-Ärzte haben Menschen in CIA-Gefängnissen fit für Qualen und Torturen gemacht – und sich selbst zu Folterknechten. Süddeutsche Zeitung

Als Barack Obama in seine Air Force One stieg und wegflog, war es ein wenig so, als habe jemand in Europa das Licht ausgemacht und gesagt: Die Party ist vorbei. Selten entfalten Treffen der Mächtigen so viel sympathischen Glanz in der vergangenen Woche. WAZ

Seit Monaten schon steht der Friedensprozess im Nahen Osten still – und das wird wohl so bleiben. Es wäre eine große Überraschung, wenn dem neuen Ministerpräsidenten Netanjahu der Aufbruch gelingt, der seinem Vorgänger Olmert misslang. FAZ

Lieber keine Klassenreisen mehr, weil drei Schüler nach Alkoholkonsum in der Türkei starben? Das ist der falsche Schluss. Die Fahrten sind eigentlich eine Chance für anderes Lernen. Frankfurter Rundschau

Die Landesbanken befanden sich mangels tragfähigem Geschäftsmodell schon lange vor Ausbruch der Finanzkrise in einer existenziellen Krise. Dennoch reichte seither nicht einmal die Erkenntnis, dass sich die Institute in Besitz der Länder und Sparkassen noch schlimmer verzockt haben als die Privatbanken. FTD

Jetzt nimmt die Regierung für die Fans der Abwrackprämie richtig Geld in die Hand! Zwei Millionen Autokäufer können jetzt gefördert werden. Ein Paukenschlag! Das kommt gut an beim Autokäufer – und auch beim Wähler, der schon im September sein Kreuzchen machen muss. BILD

Ein Land spielt Dopingpuzzle. Von überall sind Teile herbeigebracht worden, wer wie viele Hormonpillen in der ehemaligen DDR schluckte und wer von der staatlich angeordneten Zwangsfütterung mit Anabolika wusste. Jetzt wächst bei Deutschlands obersten Sportfunktionären der Glaube, dass sich mit einer Generalamnestie, wie sie fünf noch aktive Leichtathletiktrainer mit DDR-Vergangenheit erreicht haben, alles zum Guten fügt und das unrühmliche Kapitel beendet werden kann. Die Welt

A cap-and-trade system to reduce greenhouse-gas is actually a carbon tax. So let’s stop hiding the ball and have a strategy, message and messenger that tell it like it is, schreibt Thomas L. Friedman in der NYT.