CDU / CSU, FDP, Euro-Rettungsschirm, Schulden-Krise, Japan, Libyen, Fussfessel & Leichtathletik-WM

Vorläufig gebändigt Die CSU will keine „wahre“ europäische Wirtschaftsregierung haben – wohl aber „wahre“ Sanktionen gegen Euro-Staaten. Die sind aber ohne Übertragung von Souveränität nicht zu haben. FAZ

Maximal flexibel Horst Seehofer bringt seine CSU auf Angela Merkels Euro-Kurs und will zugleich den Eindruck erwecken, die Partei hätte eine eigene Strategie. Doch auch wenn das neue Thesenpapier viele Fragen offenlässt, wird eines deutlich: Die Wandlung der Christsozialen zur Euro-Partei wird nicht aufzuhalten sein. Süddeutsche Zeitung

CDU und CSU liegen wegen Euro-Rettung im Clinch Streit über die Euro-Rettung: Während die CDU für vertiefte Integration wirbt, verteidigt die CSU nationale Souveränität. Und Theo Waigel wünscht sich Horst Köhler zurück. Die Welt

Seehofers gefährliches Spiel Horst Seehofer hat wenig mehr zu verlieren als seine Macht in Bayern. Die Kollateralschäden nimmt er billigend in Kauf. Für Merkel wird es dadurch noch schwieriger, eine mutige und nachhaltige Europapolitik durchsetzen. taz

Mehrheit in Sicht Erst nach dem Papstbesuch kommt die Zeit der ernsthaften Zählappelle: Die Koalition bangt bei den Euro-Hilfen um die eigenen Stimmen im Parlament. Dabei steht noch nicht einmal genau fest, was im Gesetz stehen soll. FAZ

Konservative halten Abschiedsreden auf sich selbst Der große Altkanzler ist nicht naiv: Helmut Kohl weiß, dass seine Donnerrede ermächtigt, eine Phalanx gegen die Kanzlerin zu bilden. Die Welt

Jetzt mehr Integration für Europa fordern Besonnene Köpfe in der CDU beginnen endlich, den Populisten auch in den eigenen Reihen Paroli zu bieten. Wenn etwa der Abgeordnete Wolfgang Bosbach, auch er ein überzeugter Europäer, seine Partei davor warnt, sich auf eine EU als Schuldenunion einzulassen, kommt das zwar beim Volk gut an. Zur Bewältigung der Krise trägt es dagegen wenig bei. Berliner Morgenpost

FDP

Westerwelle erwägt Vertrauensfrage Nach Zeitungsinformationen erwägt Außenminister Westerwelle, in der heute beginnenden Klausurtagung der FDP-Bundestagsfraktion die Vertrauensfrage zu stellen. FDP-Fraktionschef Brüderle sagte indes: „Davon ist mir nichts bekannt. FAZ

Westerwelle kämpft um sein Amt Trotz aller Kritik – der Außenminister gibt sich noch nicht geschlagen. Guido Westerwelle erwägt laut einem Medienbericht, in der Bundestagsfraktion die Vertrauensfrage zu stellen. Die Parteiführung um Philipp Rösler will mit einer Entscheidung über die Zukunft des Außenministers allerdings noch warten. Wichtige FDP-Politiker stärken Westerwelle den Rücken. Süddeutsche Zeitung

Mäßiger Staatsmann-Darsteller Ach, was könnte uns die FDP egal sein! Wie entspannt könnten wir ihr zuschauen auf dem Weg zur Kleinstpartei! Können wir aber leider nicht. Denn erstens regiert sie. Zweitens missbraucht sie für ihre Selbstzerfleischung nichts Geringeres als Deutschlands Rolle in der Welt. Frankfurter Rundschau

Die Wahrheit über Guido W. Seine Partei hat über Guido Westerwelle ein hartes Urteil verhängt. Er ist zu zwei weiteren Jahren als Außenminister verurteilt worden, allerdings wurde die Strafe angeblich zur Bewährung ausgesetzt. Tagesspiegel

Und plötzlich waren alle für einen Libyen-Einsatz Westerwelle ist ein billiger Sündenbock für den erbärmlichen Zustand einer außenpolitischen Debatte, den er keinesfalls als einziger zu verantworten hat. Die Welt

Der Außenminister kämpft um sein Amt Guido Westerwelles Position als Außenminister ist so schwach wie nie. Bei der FDP-Klausurtagung will er laut einem Zeitungsbericht die Vertrauensfrage stellen. In der FDP will man davon nichts wissen. Stern

Diplomatische Demütigung Die hochgezogene Augenbraue wird zur Geste des Tages. Westerwelles Botschafter lassen ihren Außenminister während der Botschafterkonferenz spüren, dass er angeschlagen ist. Und während im Amt noch konferiert wird, sieht sich sein Sprecher zu einem ungewöhnlichen Dementi gezwungen. Süddeutsche Zeitung

Tragisch Mit dem drohenden Abgang Westerwelles als Außenminister sind die Probleme der FDP noch lange nicht behoben. Mitteldeutsche Zeitung

Ein Trauerspiel Noch vor zwei Jahren war Guido Westerwelle der strahlende Wahlsieger, der seine Partei zu ungeahnten Erfolgen geführt hatte. Doch nachdem er im Mai bereits den FDP-Vorsitz aufgeben musste, ist er nun auch zum Außenminister auf Abruf geworden. Märkische Allgemeine

Den Glanz längst verloren Als vor 20 Jahren der deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher seine Kollegen aus Frankreich und Polen zu einem Dreiertreffen nach Weimar einlud, war das Ausdruck für eine neue Zeit. Märkische Oderzeitung

Minister von Röslers Gnaden Westerwelle ist so angeschlagen, dass die FDP Auftritte absagt, um bloß nichts mehr sagen zu müssen. Merkel hält zu ihm. AZ München

Westerwelles Rolle Diese Koalition ist wie Westerwelle: Noch im Amt, aber gefühlt längst am Ende. FDP-Chef Philipp Rösler hat dafür gesorgt, dass „AA“ derzeit sowohl für „Auswärtiges Amt“ als auch für „Auf Abruf“ steht. Rheinische Post

Euro-Rettungsschirm

Euro-Rettungspläne verhindern die Rettung Eine Transferunion löst nicht die europäische Staatsschuldenkrise. Es gibt nur zwei Alternativen für Länder wie Griechenland: Sanierung oder Insolvenz. Financial Times Deutschland

Bundesregierung widerspricht IWF IWF-Chefin Lagarde stößt mit ihrer Forderung nach frischem Kapital für Europas Geldhäuser bei Banken auf Widerstand. Die Bundesregierung stellt sich demonstrativ hinter die Geldinstitute: Es gebe keinen dringenden Handlungsbedarf. FAZ

Deutsche Banken feierten mit Aus Sicht des früheren britischen Premierministers Gordon Brown trägt Deutschland eine Mitschuld an der Euro-Krise. Deutsche Banken hätten die Getränke spendiert für rauschende Feste in Spanien, Irland und Portugal. Handelsblatt

Und nun die Offenbarung Die deutschen Geldinstitute haben nur wenige Tage Zeit: Sie müssen den Behörden erklären, inwieweit sie sich in Griechenland engagiert haben – und wie sie sich die Umschuldung vorstellen. Doch da gibt es noch ein hässliches Problem: die Bad Banks. Süddeutsche Zeitung

Griechischer Teufelskreis In der Bevölkerung spricht sich zwar herum, dass das Griechenland der Vergangenheit nicht das Griechenland der Zukunft sein kann. Eine Katharsis, ein reinigender Neubeginn aus der Krise, ist aber nicht in Sicht. FAZ

Schulden-Krise

Der Fed fehlt eine klare Strategie Ben Bernanke verheddert sich in vergeblichen Versuchen, die Wirtschaft noch ein Stückchen aus dem Tal zu schieben. Das Doppelmandat der amerikanischen Notenbank ist stete Verlockung, per Geldschwemme die Beschäftigung zu bessern. FAZ

Alberne Konjunkturerklärungen Vielen kommt jetzt die Theorie gelegen, die schwache Börse schwäche die Konjunktur. Die Wirklichkeit ist einfacher: Die schwache Konjunktur lässt die Börsenpreise in den Keller gehen. Financial Times Deutschland

Ein Leben ohne Schulden ist möglich, aber sinnlos Wenn der Sparer der Dumme ist: Die globale Schuldenkrise verführt Politiker und Ökonomen zu einem riskanten Therapievorschlag – einer höheren Inflation. Vor allem in den USA ist dieser Gedanke weit verbreitet, aber auch in Europa liegt der Preisanstieg über der üblichen Schmerzgrenze von zwei Prozent. Mit dieser Voodoo-Ökonomie die Schulden zu senken, mag verlockend klingen – doch es ist ein extrem gefährlicher Plan. Süddeutsche Zeitung

Japan

Japan wird weiterwursteln Der Machtwechsel in Tokio ist ein Stück japanische Politik in Reinkultur. Denn Noch-Finanzminister Noda bekommt kein starkes Mandat, um die Probleme des Landes zu lösen. Financial Times Deutschland

Bescheidene „Revolution“ Die versprochene Revolution der „Reformer“ von der Demokratischen Partei (DPJ) – eine Politik fürs Volk statt für die Konzerne und weniger Macht für die Beamten – ist schwer ins Stocken geraten. Dabei hat Fukushima gezeigt, wie notwendig der Wandel ist. taz

Kluger, aber blasser Finanzexperte Die Welt muss sich schon wieder den Namen eines neuen japanischen Premiers merken. Nur drei Tage, nachdem die Demokratische Partei (DPJ) ihren einstigen Hoffnungsträger Naoto Kan zum Rücktritt gedrängt hatte, hob sie am Montag quasi im Eilverfahren Yoshihiko Noda auf den Schild als Parteichef und damit de facto auch als neuen Ministerpräsidenten – der nunmehr sechste Premier in fünf Jahren. Lausitzer Rundschau

Libyen

Der Fuchs Gaddafi narrt seine Häscher Über die Flucht von Gaddafi kursieren viele Gerüchte. Die USA glauben, er halte sich in Libyen auf. Andere vermuten ihn in Algerien, wo Frau und drei Kinder jetzt sind. Die Welt

Zum Schutz der Zivilbevölkerung Reden wir hier nicht über Guido Westerwelle oder andere Kollateralopfer des Libyen-Krieges. Reden wir über diejenigen, die in diesem Konflikt nicht nur im übertragenen Sinne um ihr Überleben fürchten müssen. Berliner Zeitung

Eitel Freude in Iran Iran unterstützt die libyschen Rebellen mit Glückwünschen, Lebensmitteln und Medikamenten. Teheran hat Gaddafi von Anfang an verabscheut – und noch eine Rechnung mit seinem Regime offen. Süddeutsche Zeitung

America’s Secret Libya War The U.S. military has spent about $1 billion on Libya’s revolution, and secretly helped NATO with everything from munitions to surveillance aircraft. John Barry provides an exclusive look at Obama’s emerging “covert intervention” strategy. The Daily Beast

Elektronische Fußfessel

Sparfuchs als Überwachungsmeister Der Einsatz der elektronischen Fußfessel wird künftig bundesweit zentral überwacht: Immer mehr Bundesländer schließen sich dem Staatsvertrag an, der diese Kontrolle organisiert. Die Fußfessel ist deswegen so attraktiv, weil sie Strafvollzugskosten spart, zumal dann, wenn man fachfremdes Personal bei der Überwachung einsetzt. Das klingt wenig vertrauenserweckend – ist aber nicht der einzige Kritikpunkt. Süddeutsche Zeitung

Trügerische Sicherheit mit Fußfessel Sollte die Politik die Absicht haben, in der Bevölkerung unentwegt Angst und Schrecken zu verbreiten, dann muss sie nur einen Vorschlag der Deutschen Polizeigewerkschaft aufgreifen. Deren Vorsitzender empfiehlt, den Aufenthaltsort entlassener Schwerkrimineller öffentlich zu machen. Berliner Zeitung

Teuer und sinnlos taz

Nur Kosten und Ärger Die elektronische Überwachung potenzieller Rückfalltäter ist keine gute Idee. Badische Zeitung

Mehr Sicherheit Einige Bundesländer lassen Sexualstraftäter künftig mit Fußfesseln überwachen. Die Methode ist umstritten, denn niemand kann hundertprozentig garantieren, dass die Geräte nicht manipulierbar sind. Märkische Oderzeitung

Alarm beim ersten Schritt in die verbotene Zone Wiesbaden Das System verfolgt den Mann auf Schritt und Tritt. Sobald er den Fuß in die für ihn verbotene Zone setzt, schlägt es Alarm. Lausitzer Rundschau

Leichtathletik-WM

Geschrei für den Geldbringer Bolt Die Regel, wonach der erste Fehlstart zur Disqualifikation führt, erregt nach dem WM-Aus von Usain Bolt die Leichtathletik. Dabei gab es gute Gründe, sie einzuführen. Und es wäre lächerlich, wenn sie jetzt kippen würde, bloß weil seine Hoheit Usain von Bolt es nicht hinkriegte. Oder wollte sich da jemand ohnehin nur vor der Dopingkontrolle drücken? Süddeutsche Zeitung

Lasst ihn rennen! Es klang wie eine Drohung, was Lamine Diack im WM-Austragungsort Daegu über den Läufer Oscar Pistorius sagte. Berliner Zeitung

So weit die Prothesen tragen Oskar Pistorius durfte bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaft der Nichtbehinderten antreten – und dass völlig zu Recht. Tagesspiegel

Carbon gegen Muskeln Der Auftritt von Oscar Pistorius bei der Leichtathletik-WM wirft viele Fragen auf. Augsburger Allgemeine

….one more thing!

Ein frohes Zuckerfest! Zafer Senocak erinnert sich daran, wie er als Kind das Ende des Ramadan feierte. Für ihn ist das Zuckerfest das soziale und Genuss verheißende Antlitz seiner Religion. Frankfurter Rundschau

Leitartikel

Raus aus der Defensive Die CDU und die schwarz-gelbe Koalition können so weitermachen wie bisher und die Wahlen verlieren – oder sie können mit den Themen Europa und Euro-Rettung doch noch Profil gewinnen und Tritt fassen. Nun haben es drei führende Christdemokraten endlich gewagt, klare Positionen in der Debatte zu beziehen, und auch der Rest der Koalition wird sich entscheiden müssen: Es ist ihre letzte Chance. Süddeutsche Zeitung

Westerwelle muss nicht zurücktreten Guido Westerwelle war sicher nicht geschickt, als er die deutschen Sanktionen im Zusammenhang mit dem Sturz Gaddafis lobte. Doch das reicht nicht, um seinen Rücktritt zu fordern. Das Bashing schadet der FDP mehr als die Aussagen des Außenministers. Financial Times Deutschland

Gesetzloses Klima Vor einigen Jahren wäre es noch undenkbar gewesen: Die Bundesregierung legt ihr geplantes Klimaschutzgesetz auf Eis. Die Luft scheint insgesamt heraus zu sein aus dem einstigen Top-Thema. Der Alarmismus verliert an Kraft Die Welt

Schatten über Asien Die Korruption bremst den Aufstieg Indiens. Daraus zieht die Regierung nur halbherzig Konsequenzen. Das Land, das sich gerne als junge, dynamische Demokratie präsentiert, wird in Wahrheit wie eine Stammesgesellschaft regiert. FAZ

Wie viel Europa ist genug? Rutscht Europa in die Krise, ist „mehr Europa“ die Antwort. BILD

2011, the year of global indignation Many revolts have pitted a well-connected elite against ordinary citizens who feel excluded and angered by corruption Financial Times

Seduced by the cult of experts It isn’t surprising that Obama and his economic advisors‘ predictions have been so wrong. Los Angeles Times