Heiner Geissler, Euro-Krise, US-Schuldenstreit, Fluglotsenstreik, Unterhaltsrecht & Pflegeversicherung

Der alte Geißler Joseph Goebbels „Wollt ihr den totalen Krieg?“ kann mit Heiner Geißlers Äußerung zum Stuttgarter Bahnprojekt nicht verglichen werden. Schon die Ziele hinter der Rhetorik sind völlig gegensätzlich. FAZ

Unsäglich dumm Ist er da wieder: Heiner Geißler, der „schlimmste Hetzer seit Joseph Goebbels“, wie Willy Brandt vor Jahrzehnten sagte? Nein, das ist der Stuttgart-Schlichter nicht. Er hat sich „nur“ unmöglich gemacht. Frankfurter Rundschau

„Sie leben ja wohl auf dem Mond!“ Der Schlichter und sein Schnitzer: „Wollt ihr den totalen Krieg?“, hat Heiner Geißler die Stuttgart-21-Gegner gefragt. Die Aufregung folgt Tage später. Der Politiker verwahrt sich in einem Radio-Interview stur dagegen, dass das Zitat ein Verweis auf Nazi-Propagandaminister Goebbels sei – und ärgert sich lieber über die Medien als über sich selbst. Erst nach Stunden erklärt er sich. Süddeutsche Zeitung

Kleine Anleitung zum korrekten Nazivergleich Schlichter Heiner Geißler hat recht: Man muss noch Nazivergleiche machen dürfen. Als erfahrener Vergleicher müsste der Ex-CDU-Generalsekretär aber wissen, dass dafür einige Regeln gelten. Financial Times Deutschland

Verbal und total Mit Nazi-Vergleichen haben sich bundesdeutsche Prominente noch nie einen Gefallen getan. Erinnert sei an Helmut Kohl, der Michael Gorbatschow mit NS-Propaganda-Minister Joseph Goebbels in einen Topf warf, oder an Herta-Däubler Gmelin, die den damaligen US-Präsidenten George Bush mit Adolf Hitler verglich, weshalb sie sogar als Bundesjustizministerin zurücktreten musste. Lausitzer Rundschau

Demokratie braucht Respekt Wie um Stuttgart 21 gestritten wird, beschädigt das Ansehen der Demokratie Badische Zeitung

Keine Atempause in Stuttgart Vier Tage nach Heiner Geißlers Schlichtungsversuch zeigt sich, dass sein Vorschlag den Streit über „Stuttgart 21“ wohl nicht wird beilegen können. Denn der Bau eines „Kombibahnhofs“ dürfte ein neues Planfeststellungsverfahren erfordern. FAZ

Euro-Krise

Rettungskäufe sofort Jean-Claude Trichet muss diese Woche noch einmal Führung beweisen und sich gegen deutsche Bedenkenträger durchsetzen. Wenn sich der Rat der Europäischen Zentralbank (EZB) trifft, muss der Präsident Anleihekäufe durchsetzen. Wenn nicht, dürfte die Währungsunion eher Geschichte sein, als die Amtszeit von Trichet. Sie endet im Oktober. Berliner Zeitung

Die Kreditvergabe wächst – der Leitzins sollte steigen Die Konjunktur im Euroraum schwächt sich ab, die Dynamik an der Preisfront verringert sich etwas. Gleichzeitig haben auch die monetären Daten – das Wachstum von Geldmenge und Kreditvergabe – gerade erst von Schritt auf Trab gewechselt, von Galopp noch keine Spur. Die Europäische Zentralbank (EZB) kann also erst einmal relativ gelassen bleiben, sollte man meinen. Doch für eine Unterbrechung des geldpolitischen Konsolidierungskurses besteht kein Anlass. Ein weiterer Zinsschritt zu Beginn des nächsten Quartals ist angebracht. Börsen-Zeitung

Italiens Finanzaufseher versuchen es mit Entwarnung Italien stemmt sich gegen den wachsenden Druck der Finanzmärkte. Die Finanzaufseher des Landes versicherten, das heimische System sei stabil. Doch Eurogruppenchef Juncker traut dem Braten nicht. Handelsblatt

Brüssel macht Druck Die EU-Kommission hat sich in die Nesseln gesetzt. Denn es steht ihr eigentlich nicht zu, den Mitgliedstaaten Vorschriften in Sachen Alterssicherung zu machen. Doch in diesem Fall tut Brüssel genau das Richtige. Bonner General-Anzeiger

Der Lohn der Angst Wechselkursbewegungen gehören zur Wirtschaftswelt wie Ebbe und Flut zum Meer. Das Tempo, mit dem der Schweizer Franken in den vergangenen Monaten gegenüber Euro und Dollar aufgewertet ist, ist allerdings atemberaubend. Es ist Ausdruck der Krise Badische Zeitung

Dax im freien Fall Der Dax rauscht unter die Marke von 6700 Zählern. Anleger bringen Geld in Sicherheit: Aktien wie Volkswagen, die im ersten Halbjahr deutlich zugelegt haben, geraten stark unter Druck. Gold nimmt Kurs auf 1700 Dollar je Unze. Manager Magazin

US-Schuldenstreit

Pantoffelhelden des Sparens Präsident Obama und im Kongress vor allem die Demokraten haben das Gros der Einsparungen weit in die Zukunft verlagert. Das Versagen der Politiker droht nun – ähnlich wie in Europa – in einem Konflikt zwischen Finanz- und Geldpolitik zu enden. FAZ

Der Präsident wird zum Insolvenzverwalter Aufatmen in Washington: Auch der US-Senat hat die Erhöhung des Schuldenlimits gebilligt. Damit sind Obamas hochfliegende Träume vom Wandel in Amerika endgültig ausgeträumt. Den Rest seiner Amtszeit wird der Präsident damit verbringen, über leere Kassen zu wachen. Der Sieg ist in Wahrheit eine Niederlage. Süddeutsche Zeitung

Die Erfindung der letzten Minute Genial, was die Republikaner beim sogenannten Kompromiss geschafft haben: Sie gestanden Präsident Obama Forderungen zu, die der zuvor gar nicht hatte. Financial Times Deutschland

„Eine Kapitulation vor dem radikalen Rand“ Washington Als Barack Obama den Schuldendeal verkündete, sah er grau und angeschlagen aus – Sinnbild eines Präsidenten, der immer verbissener um seine Ziele kämpfen muss. Der Zauber von „Yes, we can“ scheint wieder ein wenig mehr verblasst. Lausitzer Rundschau

Europas Probleme Wie man es dreht und wendet: Die USA sind nicht Griechenland und der Schuldenkompromiss, der am Dienstag mit dem Senat auch die letzte Hürde genommen hat, wird das Land wirtschaftlich nicht an den Abgrund führen. Bonner General-Anzeiger

Schuld und Schulden Ein Kompromiss ist gefunden, die größte Volkswirtschaft der Welt haarscharf an der Pleite vorbeigeschlittert. Doch Freude können allenfalls die Protagonisten in Washington empfinden. Tagesspiegel

Schuldenstreit kann viele US-Abgeordnete Job kosten Eine Umfrage zeigt: Im Schuldenstreit haben die US-Politiker ihre Bürger vergrault. Viele Abgeordnete könnte das den Job kosten. Eine Partei muss sich besonders fürchten. Die Welt

Terroristen und Freiheitskämpfer Nun hat auch der Senat dem Kompromisspakt zugestimmt: Die Schlacht um die Schuldengrenze ist geschlagen. Doch die Atmosphäre in Washington ist unverändert hitzig, die Rhetorik giftig. FAZ

Die Weltwirtschaft trifft es später Und was bedeutet das für Deutschland!? Diese Frage ist zwar etwas egozentrisch, aber nicht unberechtigt, wenn aus den USA die Nachricht dringt, dass sich die größte Volkswirtschaft der Welt nun ans Sparen macht. Die Antwort ist: Die globalen Folgen dürften vorerst gering, aber langfristig gravierend sein. taz

Obama drängt Kongress zur Lösung der US-Jobkrise Der US-Schuldenkompromiss ist in trockenen Tüchern. Doch der nächste schwere Brocken wartet bereits auf Obama. Er muss Konjunkturdellen ausbeulen, ohne weitere Rückschläge zu riskieren. Ziehen die Republikaner mit? Handelsblatt

Weiterer Dämpfer für die US-Wirtschaft Die Serie an Hiobsbotschaften für die amerikanische Wirtschaft reißt nicht ab. Erstmals seit zwei Jahren sanken im Juni die US-Konsumsausgaben. Sie machen zwei Drittel der US-Wirtschaftsleistung aus. Handelsblatt

Time to Talk About Jobs Minutes after the debt deal was finished, Democrats said their next priority is to put people back to work The Atlantic

Fluglotsenstreik

Warum die Fluglotsen Verständnis verdienen Mitten in der Hauptreisezeit will die Gewerkschaft der Flugsicherung den Urlaubern das Fliegen schwermachen – trotzdem sind die Motive für den angedrohten Streik verständlich. Denn den Fluglotsen geht es nicht nur um höhere Gehälter. Süddeutsche Zeitung

Chaos vorm Urlaub Dabei hätte die Flugsicherung den Streik mit einem Handstreich vom Tisch wischen können: mit der Anrufung der Schlichtung. Rheinische Post

Öl ins Feuer Ein Streik der Fluglotsen wäre der falsche Weg im Tarifkonflikt. Mitteldeutsche Zeitung

Unterhaltsrecht

Kleine Revolution des Unterhaltsrechts Das Unterhaltsrecht für geschiedene Partner ruft seit Jahrzehnten immer wieder Empörung hervor. Das gilt vor allem dann, wenn einer für das Kind sorgt. Zu unterschiedlich sind die Interessen der Geschiedenen. Berliner Zeitung

Verurteilt zum 16-Stunden-Tag Das BGH-Urteil, das Alleinerziehende zum Vollzeitjob verpflichtet, ist die Konsequenz einer Rechtsprechung, die mit wachsender Vehemenz den Spielraum der Unterhaltsrechtsreform von 2008 ausreizt – zu Lasten derer, die nach einer Trennung die Verantwortung für die Kinder übernommen haben. Süddeutsche Zeitung

Alleinerziehend in Vollzeit Ein Urteil des Bundesgerichtshof erhöht den Druck auf Alleinerziehende, Vollzeit zu arbeiten. Doch die beruflichen Nachteile für Alleinerziehende ließen sich durch ein bisschen Unterhalt ohnehin nicht ausgleichen. Tagesspiegel

Wenn das Recht mit der Zeit geht Das Scheidungs- und Unterhaltsrecht spiegelt den Wandel der Gesellschaft wider. Während 1977 die Frauen mehr Rechte bekamen, werden seit 2008 die Männer wieder unterstützt. Augsburger Allgemeine

Pflegeversicherung

Wer Pflege sagt, muss von Geld reden Niemand kann behaupten, er habe das Problem nicht kommen sehen: Die Deutschen werden immer älter, und eine wachsende Zahl von Senioren ist auf Pflege angewiesen. Die Leistungen der gesetzlichen Kassen und die tatsächlichen Kosten klaffen immer weiter auseinander. Berliner Zeitung

Mut zur Wahrheit Eine Reform der Pflegeversicherung ist notwendig. Nun machen die Jungen in der Union Druck und fordern eine rasche Entscheidung. Augsburger Zeitung

Notstand in Sicht Deutschland wird immer älter. Die Menschen leben länger, sind aktiver und insgesamt erheblich gesünder als früher. Nordwest Zeitung

…one more thing!

Epochenwandel in der Türkei In der Türkei ist am Wochenende eine Ära zu Ende gegangen. Der kollektive Rücktritt der Armeeführung bedeutet faktisch die Kapitulation der Generäle vor Recep Tayyip Erdogan. Der Ministerpräsident und Parteichef der islamisch grundierten AKP wird eine ihm genehme Armeeführung berufen. Das ist neu. Berliner Zeitung

Leitartikel

Jetzt bloß keine Panik Die Ruhephasen, in denen die Politik die Märkte besänftigen kann, werden immer kürzer. Aber was hat sich gerade in Italien und Spanien geändert? Fundamental nichts. Deshalb heißt es Ruhe bewahren. Financial Times Deutschland

Den Pranger für Assad Die Aufständischen in Syrien dürfen nicht allein gelassen werden, auch wenn es eine militärische Intervention wie in Libyen nicht geben wird. Dass Assad an den Pranger gestellt wird, festigt ihre Überzeugung, nicht alleine zu sein. FAZ

Wessen Revolution ist das? Der Prozess gegen Mubarak wird viel darüber verraten, wie sehr sich Ägypten zur Demokratie entwickeln will. Deutlich sichtbar ist eins: Islamisten werden stärker. Die Welt

Obamas Haushalts-Waterloo Der Deal steht, aber er ist faul. Auch wenn die drohende US-Pleite abgewendet werden konnte, stehen die Verlierer des Polit-Geschachers bereits fest und es sind wieder einmal die Ärmsten der Armen. Schuld an der Misere sind aber nicht nur die Republikaner. The European

Mehr Hilfe für Mütter mit Job! Langsam müssen wir Frauen begreifen, dass es vorbei ist mit dem Modell, bei dem man nach einer Trennung zwar den Mann los war – nicht aber den Anspruch auf Unterhalt. BILD

Länderdefizit schrumpft kräftig Die Länderfinanzminister haben im ersten Halbjahr deutlich weniger Kredite aufgenommen als geplant. Ende Juni betrug das Defizit der 16 Länder insgesamt 4,7 Milliarden Euro. Handelsblatt

The New Hama Rules The struggle today across the Arab world is between the “I will make you afraid” leadership and the “We are not afraid anymore” New York Times

Travels Through Islam Discovering a world of change and challenge in the footsteps of the 14th century explorer Ibn Battua TIME