Koalitionsverhandlungen, Bankenaufsicht, Berlusconi & Literaturnobelpreis

„Entlastungen, Konsolidierung und Investitionen“. Union und FDP haben sich auf ein „Finanztableau“ für ihre Koalitionsverhandlungen geeinigt, bleiben aber uneins über das Ausmaß von Steuersenkungen. Die Arbeitsgruppe Innen und Justiz stellt eine „gewisse Begradigung“ beim Thema Internetsperren in Aussicht, so die FAZ.

Wohltaten für Familien und Hartz-IV-Empfänger. Merkel und Westerwelle versprechen Unterstützungen in Milliardenhöhe – und düpieren damit ihre Finanzexperten, meint die Süddeutsche Zeitung.

Im Bundeshaushalt klaffen Milliardenlöcher. Zwingt die Realität Union und FDP, die in Aussicht gestellte Steuerreform wieder abzusagen? Hat die Wirtschafts- und Finanzkrise jede Hoffnung auf Entlastung auf Jahre hinaus begraben? Das wäre fatal, findet Die Welt.

Es ist Quatsch zu sagen, für Entlastungen sei per se kein Geld da. Die Frage ist eher, was am effizientesten ist, um rasch die Gefahr von Krisenrückschlägen zu bannen. Da gibt es Wichtigeres, als Steuersätze zu senken, meint die Financial Times Deutschland.

Union und FDP wollen trotz Rekordverschuldung in den kommenden vier Jahren die Steuern senken und mehr Geld in die Bildung investieren, so die Wirtschaftswoche.

Keine Zumutungen? Die Koalitionäre geben sich spendabel, findet die Westfalenpost.

Die FDP besteht trotz miserabler Finanzlage auf einer umfassenden Steuersenkung. Beginnt so seriöse Politik? Vielleicht. Denn es kann besser laufen als befürchtet, glaubt der Aktuelle Prognosen geben Anlass zur Hoffnung, meint der Kölner Stadt-Anzeiger.

Wirtschaftsweise warnen vor Steuersenkung, Sachverständigenrat hält vielmehr Steuererhöhungen für unvermeidbar, so die Börsenzeitung.

Mitten in die Koalitionsverhandlungen von Union und FDP hinein fahren die fünf Wirtschaftsweisen schweres Geschütz auf: Die Ökonomen wenden sich gegen das «Märchen», dass niedrigere Steuern das Wachstum ankurbeln und sich damit die Geldprobleme der Regierung zum großen Teil von selbst lösen, führen die Nürnberger Nachrichten aus.

Die Migranten in der CDU appellieren an Kanzlerin Merkel, ihre Belange stärker zu berücksichtigen – und fordern einen Minister mit Migrationshintergrund, berichtet die Süddeutsche Zeitung.

Die neue Koalition darf sich nicht nur über den Gesundheitsfonds streiten. Viel wichtiger ist es, endlich auf die Kostenbremse zu treten, fordert das Handelsblatt.

Die Koalitionäre von Union und FDP müssen den Verkauf der Bahn auf die lange Bank schieben – wegen der Krise. Doch auch ohne Teilverkauf können sie die Weichen falsch stellen, befürchtet die taz.

Schwarz-Gelb sagt Atomausstieg ab. Die Laufzeitbefristung für deutsche Atomkraftwerke soll aufgehoben werden. Darauf haben sich offenbar Union und FDP verständigt. Der Weiterbetrieb der AKW soll allerdings an hohe Auflagen gebunden werden. Dabei geht es vor allem um die Sicherheitsstandards älterer Anlagen, so der Spiegel.

Der Erwartungsdruck an die künftige schwarz-gelbe Regierung ist groß, denn ein „Weiter so“ war nicht der Wählerauftrag. Zugleich ist der Handlungsspielraum eng. Doch trotz der desolaten Finanzlage können die Herausforderungen gemeistert werden, schreibt der Ökonom Hüther in einem offenen Brief an Kanzlerin Merkel im Handelsblatt.

Bankenaufsicht

Der erste Kompromiss der schwarz-gelben Koalitionsverhandlungen steht. Die Bundesbank soll allein für Bankenaufsicht zuständig werden. Bislang teilt sie sich die Aufgaben mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin), die auch über Wertpapiergeschäfte und Versicherungen wacht, so die FAZ.

CDU und FDP legen die Bankenaufsicht in die Hände der Bundesbank. Das belegt vor allem eines: Die Regierung will unter allen Umständen aktiv wirken. Dabei leuchtet nicht ein, was sich dadurch verbessern würde. Im Gegenteil, befürchtet die Financial Times Deutschland.

Die Bankenaufsicht hat Fehlentwicklungen übersehen. Der Hauptgrund dafür war jedoch nicht die Arbeitsteilung, sondern die Ausstattung: hoch qualifizierte Experten fehlen, gibt Die Welt zu bedenken.

Versicherer wollen keine Aufsicht durch Bundesbank. Nachdem sich CDU, CSU und FDP in den Koalitionsverhandlungen darauf verständigt haben, die Bankaufsicht unter dem Dach der Bundesbank zu bündeln, ist weiter offen, ob dies auch für die Versicherungsaufsicht gelten soll. Die Versicherer laufen jedoch schon jetzt Sturm, so die FAZ.

Berlusconi

Mitten in Europa amtiert ein Ministerpräsident, der keine Regeln akzeptiert: Daran ändert auch das Urteil gegen Berlusconi nichts, befürchtet der Tagesspiegel.

Auch wenn der italienische Ministerpräsident gegen Gesetze verstoßen hat – es kann nicht die Befugnis von einigen Richtern sein, ihn aus dem Amt zu drängen. Die Entscheidung muss vielmehr beim Volk liegen: Wenn die Italiener Strafe für Berlusconi wollen, müssen sie ihn abwählen, findet die Financial Times Deutschland.

Der Regierungschef eines der wichtigsten EU-Staaten hat die Immunität verloren und muss sich gleich in mehreren Prozessen den Richtern stellen. Das riecht eigentlich nach Staatskrise. Aber nur eigentlich. Denn wir sind in Italien, und der Betroffene heißt Silvio Berlusconi. Deshalb gelten andere Regeln, bemerkt das Handelsblatt.

Trotz des Verfassungsgericht-Urteils: In der Sache hat Berlusconis Sicht der Dinge sich schon lange durchgesetzt, glaubt die taz.

Nobelpreis für Herta Müller

Die Schwedische Akademie in Stockholm bleibt auch unter neuer Führung unberechenbar: Den Literaturnobelpreis des Jahres 2009 erhält die Berliner Autorin Herta Müller. Die Jury würdigte ihre „Verdichtung der Poesie und Sachlichkeit der Prosa“, mit der sie „Landschaften der Heimatlosigkeit“ schaffe, so die FAZ.

Herta Müller geht das Repräsentative, das gewissermaßen Staatstragende ab. Sie ist keine deutsche Nationaldichterin, denn sie ist auf der Suche nach Heimat, urteilt Die Welt.

Der Hunger – nur er frisst immer weiter, Herta Müller ist eine „Aktivistin des Leidens“ und eine Meisterin der schrecklichen Vergegenwärtigung, so die Süddeutsche Zeitung.

Ceaucescus Geheimdienst verfolgte die Schriftstellerin Herta Müller noch lange nach ihrer Ausreise nach Deutschland. Gleichzeitig wurde sie in Rumänien von der heimischen Landsmannschaft als Spitzel der Securitate verleumdet. Ein Leben am langen Arm der Diktatur, schreibt außerdem die FAZ.

Eine politische Stimme, die auch poetisch singt: Herta Müllers Schreiben vereint die großen Tugenden der Literatur. Ihr Werk plädiert für Gerechtigkeit über nationale Grenzen hinweg. Auch deshalb ist der Nobelpreis für sie eine richtige und wichtige Entscheidung, meit der Spiegel.

Wichtige Bücher von Herta Müller Frankfurter Rundschau

… one more thing!

In First Lady’s Roots, a Complex Path From Slavery New York Times

Leitartikel

Die Bundesbank würde gewiss einen qualifizierten Nachfolger für Thilo Sarrazin finden, dem das Schweigen besser läge. Der Republik aber fehlen solche Streiter für die Freiheit der Meinung. Wieder soll jemand dafür büßen, dass er aus dem Käfig „politischer Korrektheit“ ausgebrochen ist. FAZ

Literaturnobelpreis für Herta Müller, Politik vor Literatur. Ärgerlich ist die undichte Stelle im Zirkel der Juroren – AZ-München

Familienpolitik: Ein Herz für Kitas. Das Kindergeld zu erhöhen ist einfach und klingt gut. Den Kindern, vor allem deren Zukunftschancen, bringt es jedoch wenig. Mehr würde es bringen, die Mittel in den Ausbau der Kinderbetreuung zu stecken Financial Times Deutschland

Ist eine Kindergelderhöhung wirklich der richtige Weg? Und vor allem: Ist sie gerecht? […] Die Pläne von Union und FDP kosten den Steuerzahler mindestens fünf Milliarden Euro. Es wäre viel sinnvoller, dieses Geld dort zu investieren, wo es wirklich zu 100 % den Kindern zugutekommt – nämlich in die Ausstattung der Kindergärten und Schulen! BILD

An der Schweinegrippe scheiden sich die Experten. Wächst da ein Killervirus heran, oder beschaffen sich Pharmakonzerne nur neue Einnahmen? Ein Streit mit offenem Ausgang. Frankfurter Rundschau

Der Spiegel Italiens. Regierungschef Berlusconi benimmt sich wie ein absoluter Herrscher und schadet dem Ansehen seines Landes. Das Volk wählt ihn trotzdem – eine Schizophrenie, die sich erklären lässt. Süddeutsche Zeitung

Silvio Berlusconi gibt wieder einmal den Kraftmenschen, nachdem das italienische Verfassungsgericht seine Immunität aufgehoben hat.[…] In seiner maßlosen Wut keilt der Kopf der italienischen Exekutive gegen andere höchste Staatsgewalten aus. Die Welt

Today’s youth are growing up in the shadow of three bombs the nuclear, debt and climate bombs any one of which could go off and set in motion a radical change in their lives. New York Times

Jumpin‘ Jack Verdi: It’s a Gas, Gas, Gas. Iran and the Pipelineistan opera. Mother Jones

Wake up Europe! It is time for the world’s biggest economy to rise from its slumber and play a global role. Economist