Krankenkassenzusatzbeiträge, Afghanistan und Bankenregulierung

Kartell der Kassen. Etliche Krankenkassen werden gemeinsam bekennen, von ihren Versicherten Zusatzbeiträge zu erheben. Das Vorgehen ist frech – und ein Fall für das Kartellamt. Süddeutsche Zeitung

Unsoziale Gleichheit. Gesetzlich Krankenversicherte zahlen jetzt noch mehr. Gesundheit hat eben ihren Preis? Nein, daran liegt’s nicht. Es ist das Ergebnis einer Politik, die lieber Unternehmen entlastet als einzelne Menschen. Frankfurter Rundschau

Der Auftakt für ein Prämiensystem. Erstmals wollen nun große Krankenkassen einen Zusatzbeitrag erheben. Zwar ist der zugrunde liegende Gesundheitsfonds die Frucht eines schlechten politischen Kompromisses. Wahr bleibt jedoch: An den guten Gründen für eine individuell zu zahlende Kassenprämie hat sich nichts geändert. FAZ

Die Kassen bitten zur Kasse. Das Beispiel der Zusatzbeiträge zeigt, wie weit wir von einem am Markt orientierten Gesundheitssystem entfernt sind. Sonst könnten die den Wettbewerb scheuenden Kassen die Beitragserhöhung kaum so hübsch abgestimmt und gemeinsam verkünden, vermutet Die Welt.

Wer sich nicht wehrt, zahlt drauf. Die abgestimmte Beitragserhöhung riecht nach einer verbotenen Preisabsprache. Und die Behauptung, ein Kassenwechsel lohne sich nicht, ist Volksverdummung. Handelsblatt

Zur Kranken-Kasse bitte! In der Antike wurde der Überbringer schlechter Botschaften getötet. Von derlei blutigen Ritualen werden die Boten unserer Tage verschont. Heute fürchten sie eher die Rache der Masse. Berliner Zeitung

Kosten der Gesundheit. Ein Gesundheitssystem grundlegend zu verändern, kostet einen Staat viel Kraft. Das sieht man gerade in den USA. Jeder ist betroffen, jeder redet mit. Vielleicht kostet es mehr Kraft, als die Deutschen, die froh sind, einigermaßen durch die Finanz- und Wirtschaftskrise zu steuern, derzeit haben. Bonner General-Anzeiger

Der Aufschlag soll keine Frischzellenkur für die Kassen der Kassen sein, sondern dem Wettbewerb auf die Beine helfen.
Genau dagegen sind die Kassen aber offenbar allergisch. Der Zusatzbeitrag soll praktisch flächendeckend kassiert werden. Diagnose: Preisabsprache. Landeszeitung Lüneburg

Von Riester zu Rösler. Ein bedauerlicher Betriebsunfall? Von wegen: Dass die Krankenkassen jetzt reihenweise Zusatzbeiträge erheben und Millionen Versicherten in die Taschen greifen, hat weder etwas mit Misswirtschaft noch mit der Unerfahrenheit des zuständigen Ministers zu tun, meinen die Nürnberger Nachrichten.

Das Gesundheitswesen ist und bleibt leider krank. Schneller als wohl ohnehin befürchtet, steckt Philipp Rösler mittendrin im gesundheitspolitischen Schlamassel. Noch keine 100 Tage Bundesgesundheitsminister, holt auch ihn die alles entscheidende Kostenfrage ein. Für die jetzt von den ersten Krankenversicherungen angekündigten Zusatzbeiträge ist er nicht verantwortlich – die hat ihm noch die große Koalition als Rezept hinterlassen. Berliner Morgenpost

Afghanistan

Ein Grundgesetz für Afghanistan. Der Hindukusch kann nur befriedet werden, wenn die staatlichen Strukturen funktionieren. Dazu ist aber eine Verfassungsreform notwendig – hin zu einem föderalen System. Financial Times Deutschland

Rein oder raus. Der Fall Afghanistan: Peinlich, dass die Bundesregierung nicht klar entscheidet. Tagesspiegel

Zurück ins Dorf. In ihrem „evangelischen Wort zu Krieg und Frieden in Afghanistan“ lässt die EKD-Spitze weiterhin keinen Zweifel daran, dass sie dort zivilen Strategien den Vorrang gibt. Ein eindeutiges Wort zu „friedensethischen Kriterien“ des Militäreinsatzes aber bleibt sie schuldig. FAZ

Jedes Jahr hofft der Westen auf ein neues Allheilmittel Die Afghanistan-Politik muss gleichzeitig militärische, politische und zivilgesellschaftliche Ziele verfolgen. Ein Taliban-Fonds allein hilft so wenig wie frühere Geniestreiche. Handelsblatt

Bankenregulierung

Selbst Banker warnen, das Casino an den Finanzmärkten habe längst wieder geöffnet. Was Finanzminister Schäuble bisher verordnet hat, ist aber bloß weiße Salbe. Wichtiger als die Begrenzung von Boni wäre die Ausarbeitung eines Insolvenzverfahrens für systemrelevante Banken. FAZ

Denkkappe aufsetzen! Eine gemeinsame Position im Dienste der Systemstabilität und im Kampf gegen Finanzmarktexzesse ist gesucht: Woher nehmen und nicht einfach von den Amerikanern stehlen? Im weiten Rund der G 20 herrscht erst einmal Ratlosigkeit, die sich in einem babylonischen Stimmengewirr entlädt. Börsenzeitung

Vereint standen sie . Die von US-Präsident Obama geplante Generalüberholung der Wall Street geht an den fundamentalen Mängeln des Finanzsystems vorbei. Deshalb müssen die Aufsichtsbehörden nun mit einem durchgängigen globalen Regelwerk aufwarten. Mit ihrem Alleingang haben die USA deren Chancen auf Erfolg verringert. Handelsblatt

… one more thing!

The Bernanke Dance. The confirmation process has sparked long-overdue debate about the Fed’s role in the economy, and about Ben Bernanke’s culpability during the Greenspan Bubble Era. New Yorker

Leitartikel

Abschied von der Solidarität. Über eines muss sich jeder verärgerte Kassenkunde im Klaren sein: Gesundheit kostet. Die nun anstehende Beitragserhöhung bei den gesetzlichen Krankenkassen ist aber nichts weniger als der noch ein wenig schüchtern daherkommende Abschied vom solidarischen Prinzip. Tagesspiegel

Sozialstaat in Schieflage. In kaum einem anderen Land der Welt ist der Sozialstaat so gut ausgebaut wie in Deutschland. Allein der Bund gibt in diesem Jahr 177 Milliarden Euro für Soziales aus. Sozialausgaben verschlingen mehr als die Hälfte des Haushalts. FAZ (Print)

Es scheint unendlich schwer zu sein, ein­fache Wahrheiten auszusprechen. Dass in einer Gesellschaft, die älter und älter wird, die Gesundheitskosten steigen, ist so eine. Nun erheben also die ersten Krankenkassen Zusatzbeiträge. Das ist das logische Ergebnis der schwarz- roten Reform namens Gesundheitsfonds. Und wie reagieren die Parteien? WAZ

Israel helfen, wenn es darauf ankommt. Angela Merkel rückt die Erinnerung an den Holocaust als tagesaktuelle Verpflichtung in den Vordergrund. Sie tut das in dem Bewusstsein, dass Dialog und Entspannung keineswegs die einzige Konsequenz sind, die man aus dem Holocaust ziehen kann. Die Welt

Afghanistan ist vermintes Gelände. Das gilt sowohl für die Landstriche am Hindukusch selbst als auch für die Debatte um eine Truppenaufstockung. Financial Times Deutschland

Das „europäische“ Ziel, der zivile Wiederaufbau, bleibt – aber die Mittel werden „amerikanisch“. Es werden weiter Brunnen gebohrt und Schulen gebaut. Aber sie werden nun auch nachts verteidigt, wenn es in Afghanistan lebensgefährlich wird. […] Diese Strategie erhöht massiv das Risiko, das die deutschen Soldaten tragen müssen. Und wahr ist auch: Wenn dieser letzte Versuch den gewünschten Erfolg nicht bringt, ist Afghanistan für den freien Westen verloren. BILD

Die Attacke des US-Präsidenten auf die Finanzkapitalisten in den Banken sitzt. Zu Noch nie seit Ausbruch der Krise hat Amerika Ross und Reiter so klar benannt. Respekt, Mister President! Frankfurter Rundschau

Lernort, nicht Sortieranlage. Die Zeit ist reif für einen Schulfrieden. Nach Jahrzehnten des Kampfes um die richtige Schulstruktur müssen Linke und Konservative aufeinander zugehen. Süddeutsche Zeitung (Print)

Ein Mythos. Ein Marketingcoup, der wenig kostet, aber Kundschaft bringt: Gunnar Jans, AZ-Sportchef, über die Rückkehr Michael Schumachers zu Mercedes. Abendzeitung

When nations turn into hoarders. Across the world, major powers are moving to secure access to energy, food and, in some cases, water. Faith in a trade-based system, with nations buying what they need on open, world markets, is giving ground to an effort by individual nations to secure supplies. Financial Times

Obama the populist. The president is making noises about helping the middle class. Is it a real economic plan, or pandering? Los Angeles Times