Rente, Union, Iran & Klonfleisch

Rente eignet sich prima für den Wahlkampf. Deshalb spendiert die Bundesregierung den 20 Millionen Rentnern ab Juli eine Renten-Erhöhung. „Das kann ich auch“, dachte sich SPD-Mann Florian Pronold. Er lässt wissen, dass die Rente mit 67 wegen der Finanzkrise wieder abgeschafft werden soll. So einfach, so populär – so dumm. AZ München

Je breiter die Kluft wird zwischen Arbeitsende und Rentenbeginn, je mehr ältere Arbeitslose vor der Hartz-IV-Schwelle ihre Finanzreserven aufbrauchen müssen, desto besser werden die Kassen geschont. Frankfurter Rundschau

Getreu dem Prinzip „nach uns die Sintflut“ nimmt die SPD jetzt auch noch die Rente mit 67 ins Visier. Dabei lehrt die Erfahrung, dass die frühe Ausmusterung älterer Arbeitnehmer die Beschäftigungschancen der Jüngeren nicht verbessert. Die Welt

Die Forderung klingt populär, mehr als Wahlkampfgetöse ist sie aber hoffentlich nicht. Denn sollte die SPD tatsächlich den Zug zur Aufweichung der Rente mit 67 auf die Gleise setzen, würde sie sich selbst eines weiteren Stücks ihrer Glaubwürdigkeit berauben. Lausitzer Rundschau

Grundsätzlich führt an der Rente mit 67 kein Weg vorbei. Ein Zurück in die Zeit vor der Reform kann und darf es nicht geben. Wichtiger als alte Debatten wiederzubeleben ist es nun, um jeden Job zu kämpfen – damit die Zahl der Beitragszahler nicht unnötig stark sinkt und nicht noch stärkere Absenkungen des Rentenniveaus erforderlich werden. Neue Osnabrücker Zeitung (Print)

Angesichts der Warnungen vor einer zunehmenden Altersarmut in Deutschland sind Abschläge ein Problem. Die nächste Bundesregierung sollte daher eine umfassende Rentenreform weit oben auf die Tagesordnung setzen. Märkische Allgemeine

Die SPD kann es sich eigentlich nicht leisten, gerade jetzt ein weiteres Spaltbeil in die eigenen Reihen zu treiben. Pronold wird den Sozialdemokraten mit seinem Renten-Vorstoß am Ende keinen Gefallen getan haben. Thüringer Allgemeine

Union

Sollte es zu Schwarz-Gelb nicht reichen, dann will die CDU für die Neuauflage von Schwarz-Rot vorgesorgt haben, anstatt sich von den Grünen und von der FDP erpressen zu lassen. Das Regieren ist das Ziel, fast jeder Weg dorthin ist recht. FAZ

Das einzige wirkliche Programm der Union heißt also Angela Merkel. Das kann man so machen, Amtsbonus und Umfragen sprechen genauso dafür, wie die Mühen ihres Herausforderers. Man kann das Verwaschene dieses Programms aber auch so lesen, dass es eine einheitliche Vorstellung von Politik in der Union nicht gibt, dass Gegensätze mit Langeweile übermalt werden, nicht zuletzt jene zwischen CDU und CSU. Süddeutsche Zeitung (Print)

Kürzlich hat Angela Merkel gesagt, dass die Union immer halte, was sie verspreche. In ihrem Wahlprogramm hat die Union fast nichts versprochen. Das kann sie locker halten. Berliner Zeitung

Traurig, aber wahr: Wenn sich Politiker um Redlichkeit und Ehrlichkeit bemühen, dann ernten sie damit wohl Zustimmung bei vielen Bürgern – doch die Wahlkampf-Planer und die Populisten pfeifen sie prompt zurück. Nürnberger Nachrichten

CDU und CSU wollen nach dem Wahlsieg die BaFin in die Bundesbank integrieren. Die Unabhängigkeit der Währungshüter soll gewahrt bleiben. Financial Times Deutschland

Grüne und CDU verbindet mehr, als das Führungspersonal derzeit zuzugeben bereit ist. Vom Hirngespinst zur Option der Stunde. taz

Iran

Es wird einsam um Chamenei. Mit massiver Präsenz und martialischen Drohungen haben die Sicherheitskräfte zwar die Kontrolle über die Straßen wiedererlangt. Aber das Regime um Chamenei treibt sich selbst in die Isolation. Oppositionsführer Mussawi hat sich durch seine Unnachgiebigkeit großen Respekt verschafft. FAZ

Die Protestbewegung fühlt sich inzwischen so stark, dass sie ein Wahlergebnis nur akzeptiert, wenn es aus international überwachten Neuwahlen stammt. So weit wird es jedoch nicht kommen. Chamenei hat sein Schicksal so eng mit dem Ahmadinedschads verknüpft, dass ein Sturz des Präsidenten auch ihm gefährlich werden würde. Financial Times Deutschland (Print)

Die Opposition fordert das theokratische Herrschaftssystem heraus. Aber ihre tatsächliche Stärke ist ungewiss. Handelsblatt

Warum sind die Proteste westlicher Regierungen gegen Wahlbetrug und das Niederschießen und Niederknüppeln von Demonstranten im Iran so zurückhaltend und butterweich? Fast könnte man meinen, den Führern der westlichen Demokratien sei es unangenehm, eine Lanze für Werte wie Freiheit oder Menschenrechte zu brechen. Leipziger Volkszeitung (Print)

Klonfleisch

EU-Agrarminister wollen Milch und Fleisch von Nachkommen geklonter Tiere auf dem europäischen Markt zulassen. Über Produkte, die die Welt nicht braucht – und die sich trotzdem weiterverbreiten. Tagesspiegel

Klonen wirft Fragen auf, die weit über Zuchttechnik hinausreichen – Fragen nach der Grenze menschlicher Eingriffe in die Natur. Es ist deshalb höchste Zeit, dass die Agrarminister fordern, diese Fragen umfassend und prinzipiell zu regeln – in einem eigenen Rechtsakt und nicht nebenbei als Randnote. Kölnische Rundschau

Klonen lässt die Vielfalt schrumpfen und macht die Landwirtschaft noch mehr zur Industrie als bisher. Süddeutsche Zeitung

Argumente gegen kopierte Rinder, Schweine, Ziegen, Schafe sind anderer Art. Klontechniken und -tiere sind patentierbar. Monopolisten könnten nicht nur die Bullen, sondern alle ihre Kälber und vielleicht sogar Fleischprodukte mit Lizenz-Gebühren belegen. Das könnte besonders für die Bauern ins Geld gehen. Außerdem droht die Vielfalt der Nutztierrassen weiter reduziert zu werden. Vor allem aber gibt es ethische Bedenken. Darf der Mensch der Evolution – oder dem lieben Gott – derart ins Handwerk pfuschen? Märkische Oderzeitung

Leitartikel

Nach der Union stürzt sich nun auch die SPD auf grüne Themen. Das verspricht ein paar Wählerstimmen. Den Wunsch-Koalitionspartner Grüne jedoch schwächt es. Financial Times Deutschland

Mit dem forcierten Krippenausbau hat die Bundesregierung den zweiten vor dem ersten Schritt getan. Mit den Kita-Streiks, die nun schon in die sechste Woche gehen, erhält sie dafür die Quittung. FAZ

Krisengewinnler ist die Linke bislang nicht. Das kann sich ändern Die Welt

Der Verbraucher hat ein Recht darauf zu wissen, woher das Schnitzel auf seinem Teller kommt, ob er die Milch einer Klon-Kuh trinkt oder Frühstückseier von geklonten Hühnern isst. Dann (und nach Abwägung auch der ethischen Fragen) kann jeder selbst entscheiden. BILD

Die Kleriker sind angezählt Mit seinem Hin und Her bei der Überprüfung der Wahlen macht sich der mächtige Wächterrat angreifbar. Das iranische Volk dagegen gewinnt immer mehr Ansehen in der Welt. Frankfurter Rundschau

Entscheidend für ein gewaltloses Ende der iranischen Krise könnte sein, ob Chameneis Widersacher Alternativen im Rahmen des Systems ausmachen. können. Wie also könnte eine islamische Republik ohne Chamenei, Ahmadinedschad und ihre radikalen Gefolgsleute aussehen? Neuwahlen erscheinen angesichts der Betrügereien unvermeidlich. Aber da die Islamische Republik auch als System inzwischen beschädigt ist, reichen Wahlen nicht aus. Süddeutsche Zeitung

What does it take to make a successful revolution? Every element on these lists, with two possible exceptions, is now present to some degree in Iran Financial Times

Who’s going to fix California? We could appoint delegates or elect them, but just randomly selecting them might be the most promising idea. Los Angeles Times