Ein absurder Steuerkrieg. Binnen vier Monaten vollzieht der Präsident des BDI, Hans-Peter Keitel, eine 180-Grad-Wende. Plötzlich besitzt Haushaltskonsolidierung Priorität vor Steuersenkungen. Und einige Unions-Landeschefs tun es ihm gleich. Die Welt
Steuerschätzer sind skeptisch. Die Steuerschätzung diese Woche wird nur ein geringes Einnahmeplus ergeben – für die Steuersenkungspläne der neuen Regierung lässt sie damit wenig Spielraum Süddeutsche Zeitung
Wolfgang Schäuble ist der bürgerliche Projektmanager, und von ihm wird abhängen, wie schnell sich Enttäuschung im bürgerlichen Lager breitmacht. Viele Bierdeckel zum Üben hat er dabei nicht. Tagesspiegel
Der nüchterne Realist scheut den Wortbruch. Schäuble tut gut daran, die teuren Wunschzettel des liberalen Koalitionspartners gleich zu Beginn seiner Amtszeit wieder einzusammeln. Nur so behält er den notwendigen Spielraum, um vorsichtig von der Stimulierung der Konjunktur auf Konsolidierung umschalten zu können. Handelsblatt
Die Steuerpolitik von Schwarz-Gelb orientiert sich am „Modell Spendierhose“. Das hat inzwischen auch die Bevölkerung gemerkt und mit Unverständnis reagiert. Nachbesserungen am Koalitionsvertrag sind unvermeidlich. Kölner Stadt-Anzeiger
Steuersenkungen waren seit Monaten, ja seit Jahren ein Zentralthema Angela Merkels. Die Verschuldungshöhe war bekannt, ebenso der Stellenwert ausgabenwirksamer neuer Familienleistungen im Denken der CDU. Zu behaupten, „Steuersenkungen auf Pump“ seien eine Überraschung, ist für gestandene Ministerpräsidenten und Verbandschefs so absurd wie die Empörung von Kunden über den angeblich völlig überraschenden Zahlungsvorgang an der Ladenkasse. Berliner Morgenpost
Inzwischen dämmert einem, warum vieles in den Wahlprogrammen so unklar formuliert war: Es war nicht etwa so, dass die Parteien mit Inhalten hinter den Berg halten wollten, vielmehr hatten sie einfach nichts Konkreteres zu präsentieren. Dem Ansehen der Regierung dienen diese verworrenen Debatten nicht. General-Anzeiger Bonn
Schäuble zerpflückt die Liberalen. Eine Steuersenkung, hinter der der Finanzminister nicht steht? Das fängt ja gut an mit der neuen Koalition Nürnberger Nachrichten
Schärfere Töne in der Steuerdebatte. Der Widerstand in Union und FDP gegen die geplanten Steuerentlastungen und eine umfassende Steuerreform wird massiver. Nicht nur CDU-Ministerpräsidenten, sondern inzwischen auch FDP-Landespolitiker protestieren vehement gegen die vor allem von Bundes-FDP und CSU betriebenen Steuersenkungspläne. FAZ
Gesundheitspolitik
Die Profilierungsneurose des Horst Seehofer: Der CSU-Chef stänkert gegen die Pläne des neuen FDP-Gesundheitsministers Philipp Rösler. Was heißt das für das System? Süddeutsche Zeitung
Die Koalition aus Union und FDP hat ihren ersten handfesten Streit. Gegenstand ist die Gesundheitspolitik. Gesundheitsminister Rösler (FDP) fordert einschneidende Reformen für mehr Wettbewerb. CSU-Chef Seehofer widerspricht vehement. FAZ
Horst Seehofer beschwört die Solidarität. Der CSU- und bayerische Regierungschef meint das Gesundheitswesen. Das lässt sich genauso aber auch auf die Finanz- und Steuerpolitik übertragen. Seehofer mahnt seine Unionskollegen in den Ländern, der enormen Steuersenkung auf Pump zuzustimmen. Hannoversche Allgemeine
David gegen Goliath. Dem CSU-Vorsitzenden Seehofer als gewieftem Taktiker steht mit Rösler der unerfahrene junge FDP-Gesundheitsminister gegenüber. Seehofer kämpft gegen einen „radikalen Systemwechsel“, Rösler für mehr Wettbewerb zwischen den Kassen. FAZ
Philipp allein zu Haus. Während die Vorturner der schwarz-gelben Koalition, Kanzlerin Merkel und ihr Außenminister Westerwelle, auf internationalem Parkett zu brillieren suchen, entbrennt bei den Fußtruppen zu Hause nach dem schon notorischen Steuerstreit nun auch noch ein Grabenkampf um die Gesundheitspolitik. Hamburger Abendblatt
Streit um „Kopfprämien“, Ärztekammern prüfen Verträge. Die Spitzenverbände der deutschen Ärzteschaft wollen Clearingstellen einrichten, die Verträge zwischen Ärzten und Krankenhäusern überprüfen sollen. Damit soll verhindert werden, dass Mediziner Patienten gegen Bezahlung an bestimmte Kliniken überweisen. FAZ
Gesundheit global. Politisch hat sich Deutschland am Kampf gegen die häufigsten Leiden der Welt nicht beteiligt. Das war ein Fehler. Die Zeit
Matthias Platzeck zu Deútscher Einheit
Kurz vor Beginn der Gedenkfeiern zum Fall der Berliner Mauer fordert Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck eine Versöhnung mit den Erben der SED. „Zwei Jahrzehnte nach dem revolutionären Umbruch in der DDR müssen wir in Deutschland endlich anfangen, es mit dem überfälligen Prozess der Versöhnung wirklich ernst zu meinen“, schreibt Platzeck in einem SPIEGEL-Essay. (Print)
„Bereitschaft zu tätigem Neubeginn“ Platzeck im Wortlaut
Erschreckende Unkenntis. Matthias Platzeck hat jetzt in einem Text für den „Spiegel“ etwas nachgeschoben, was als umfassendere Begründung für seinen rot-roten Koalitionsversuch in Potsdam gelten soll. Der Osten, so kurz gefasst sein Argument, soll von der alten Bundesrepublik lernen, die es nach 1945 geschafft habe, auch die Täter der Nazi-Diktatur zu integrieren. Lausitzer Rundschau
Platzecks Intervention lässt spüren, was der SPD verloren ging, als er nach 100 Tagen das Amt des Parteichefs abgab. Sein politisches Konzept des mitfühlenden Sozialstaats hätte der von der Agenda 2010 zerrissenen SPD neuen Zusammenhalt geben können. Seine Initiative für Versöhnung kann dem ganzen Land den Anstoß dazu geben. Tagesspiegel
Platzecks gespaltene Wahrnehmung. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) erkennt einen Riss quer durch die ostdeutsche Gesellschaft. Doch zerrissen sind vor allem Linkspartei und SPD. Die Welt
Wie sehr Matthias Platzeck unter Druck steht, den Schwenk zur Linkspartei zu rechtfertigen, zeigt sein Rückgriff auf Kurt Schumacher und die Waffen-SS, um die Notwendigkeit einer „Integrationsleistung“ zu betonen. Märkische Allgemeine
Afghanistan
Abdullah und die afghanische Lösung. Der Rückzug des Karsai-Konkurrenten Abdullah von der Stichwahl ändert nichts daran, dass Karsai ein schwacher Präsident und seine Regierung überfordert mit den Herausforderungen ist. Die Welt
Ratlos in Kabul. Schon der von massiven Fälschungen überschattete erste Durchgang der afghanischen Präsidentenwahl im 20. August war ein Fehlschlag. Nach der Absage Abdullahs droht die für den 7. November angesetzte Stichwahl – falls sie überhaupt stattfinden sollte – endgültig zur Farce zu werden. FAZ
Wenn man sich schon eine Marionette hält, sollte man wenigstens dafür sorgen, dass sie sich nicht verselbstständigt. Sonst macht man sich grob mitschuldig an den Eskapaden, die sich die Figur leistet, wenn sie sich von den lästigen Schnüren befreit. Financial Times Deutschland
Die Wahl in Afghanistan hat sich endgültig zu einem Fiasko entwickelt: Der Rückzug des Herausforderers von Präsident Karsai ist der dritte Akt eines Trauerspiels, das die schlimmen Befürchtungen der Wähler noch übertroffen hat Süddeutsche Zeitung
Ein Land in der Sackgasse. Es war die unverantwortliche Entscheidung, in Afghanistan binnen zweier Wochen einen zweiten Wahlgang durchzuführen. taz
Vom Zauberer zum Zauderer, Barack Obama schiebt die Entscheidung über die künftige Afghanistanstrategie weiter vor sich her. Seine Unentschlossenheit ist gefährlich: Sie stärkt die Taliban – und entmutigt die Verbündeten. Financial Times Deutschland
Transparent Election Is Not Possible, Says Rival to Karzai New York Times
… one more thing!!
Plötzlich ist wieder von „Krieg“ die Rede. Europa hat in Bosnien mit viel Geld nur die korrupten Eliten stark gemacht, nicht den fragilen Staat – jetzt muss Brüssel gegensteuern. Die Zeit
Leitartikel
Die christlich-demokratischen Kritiker der Steuersenkungen haben geschwiegen, als Zeit zum Reden war. Jetzt sollten sie sich an das Bibel-Wort „Deine Rede sei Ja, Ja, Nein, Nein. Alles andere ist vom Übel“ halten – und den Mund. BILD
Vorreiter ohne Verfolger. Zum Verfall der politischen Kultur gehört, dass ein neuer Minister danach beurteilt wird, ob er in Fettnäpfchen tritt oder nicht. Guido Westerwelle hatte sich dieser Prüfung wenige Stunden nach der Amtsübernahme auf einem EU-Gipfel zu stellen. FAZ (Print)
Frei von Vernunft, die nächste Gesundheitsreform AZ München
Falsche Freunde in Kabul. Abdullahs Verzicht auf die Stichwahl zieht dem letzten schwachen Rest demokratischer Politik den Teppich unter den Füßen weg. Hamid Karsai wird Chef in Kabul bleiben, allerdings kein starker. Frankfurter Rundschau
Zerschlagt die Zerschlagungsidee, was tun, damit Banken den Staat nicht erpressen können? Die Welt
Die britische Regierung setzt mit ihrem Plan, Teile der verstaatlichten Banken zu verkaufen, das richtige Signal. Nun muss sie darauf achten, dass es dadurch wirklich mehr Wettbewerb gibt. Financial Times Deutschland
Die antizyklische Finanzpolitik – Geldausgeben in der Rezession, wenn man keines hat, und Sparen im Aufschwung, wenn die Steuern sprudeln – ist in der Theorie richtig, hat aber in der Praxis noch nie funktioniert. Trotzdem ist der Kurs weiterer Steuersenkungen unvermeidlich, auch aus politischen Gründen. Wirtschaftswoche
Der Irrtum, der zur Einheit führte. Wie es zum Fall der Mauer kam. Spiegel (Cover)
Depressionen erkennen und heilen. Wie unterschiedlich Männer und Frauen mit der Krankheit umgehen. Was wirklich hilft. Focus (Cover)
Gorbachev on 1989. A wide-ranging Nation interview with the former Soviet president. The Nation
Deciding Europe’s place in the world. The European Union is giving itself better means to conduct foreign policy, but does it have the will? Economist
Port Mortuary’s Pull. President Obama promised to renovate American society, but is trapped in the money pits of a recession and two wars. New York Times