CDU-Parteitag, Rechtsterror, OWS, Energiewende & Berliner Grüne

Die befriedete Partei Angela Merkel kam in Leipzig ungeschoren davon. Das „Leipzig 2003“-Syndrom, der Parteitag in neoliberalen Vorzeiten, ist bewältigt; die Mindestlohndebatte wird eine befriedende Wirkung haben. Gestärkt wurde die Kanzlerin und Parteivorsitzende aber nicht. FAZ

Partei im Koma Die CDU feiert sich in Leipzig selbst, doch in Wahrheit befindet sie sich in einem traurigen Zustand: Die Partei ist in ein kollektives Koma gefallen, politische Debatten finden kaum noch statt. Hauptverantwortlich dafür ist Angela Merkel. SPIEGEL

Ein Parteitag für die Große Koalition Mindestlohn und Schulpolitik: Die CDU justiert ihre Positionen neu – und bereitet sich langsam, aber sicher auf die Koalition mit der SPD vor. ZEIT

Der Markenkern der CDU verblasst Die CDU kaum wiederzuerkennen. Von einem schlüssigen Gesamtkonzept fehlt jede Spur: Das bedeutet einen Verlust an Kompetenz, Glaubwürdigkeit und Akzeptanz, warnt Kurt Lauk, Präsident des Wirtschaftsrates der CDU. Handelsblatt

In der Union herrscht methodischer Familienwahnsinn Perfider Wahnsinn ist das Strukturmerkmal der neuen christdemokratischen Familienpolitik: Eine Leistung gebiert immer die nächste. Die Welt

Schlaue Tricks gegen das Betreuungsgeld Mit einem mutigen Antrag stellen sich die Frauen in der CDU gegen das Betreuungsgeld – und setzen die CSU unter Druck. Ihre Forderung: Wenn Eltern den Nachwuchs nicht in die Krippe stecken, sollen sie zwar Geld bekommen – aber anders als geplant. Süddeutsche Zeitung

Rechtsterrorismus

Spitzname „Kleiner Adolf“ Als die Zwickauer Zelle in einem Kasseler Internet-Café Halit Y. hinrichtet, surft ein hessischer Verfassungsschützer dort im Netz. In seiner Wohnung findet die Polizei später Hinweise auf eine rechtsradikale Gesinnung – doch die Ermittlungen gegen den Mann werden eingestellt. Dabei bleiben viele Fragen offen Süddeutsche Zeitung

Verfassungsschützer unter Naziverdacht Er war am Tatort, als in Kassel ein Ausländer ermordet wurde – offenbar von einem Mitglied der Terrorzelle. Der Verdacht steht im Raum, dass ein Geheimdienstmitarbeiter selbst Rechtsextremist ist: Daheim nannte sie ihn den „Kleinen Adolf“. Financial Times Deutschland

Spitzname „kleiner Adolf“ Der Verfassungsschützer, der sich am Tatort eines Mordes der Neonazi-Terrorgruppe befand, hegte wohl rechtes Gedankengut. Er war unter dem Spitznamen „kleiner Adolf“ bekannt. In seiner Wohnung wurden Waffen und Auszüge aus Hitlers „Mein Kampf“ gefunden. FAZ

Das braune Netz Welche Kontakte hatten die Rechtsterroristen in der regionalen Neonazi-Szene? Tatsache ist: In Thüringen und Sachsen arbeiten militante Rechtsextremisten seit Jahren eng zusammen – bis heute. Szene-Bands widmeten ihren abgetauchten Kameraden und den „Döner-Killern“ sogar Lieder. Tagesschau

Gegen Terror hilft Polemik nicht Vielleicht ist das ungeheuerliche Verbrechen ein Beleg dafür, dass wir eben nicht in einem Überwachungsstaat leben, in dem die Behörden alles wissen oder zumindest auf Knopfdruck herausfinden können taz

Verfassung schützen, nicht unterhöhlen Das grässlichste Bauwerk Berlins entsteht derzeit an der Chausseestraße in Mitte. Der bunkergleiche BND-Klotz mit Mauer drum herum signalisiert dem Bürger vor allem eines: Misstrauen. Nun ist der Bundesnachrichtendienst für die äußere Sicherheit zuständig; aber manche Aktion der Schlapphüte im internationalen Einsatz erscheint ähnlich fragwürdig wie das Treiben der Kollegen vom Verfassungsschutz. Berliner Morgenpost

Innenminister Friedrich will Register für Neonazis Die Mordserie der Zwickauer Terrorzelle schockiert Deutschland – jetzt reagiert der Innenminister: Wie Hans-Peter Friedrich der „Süddeutschen Zeitung“ sagte, sollen künftig Daten über gefährliche Rechtsextremisten und politisch rechts motivierte Gewalttaten in einer zentralen Neonazi-Datei zusammengeführt werden. Süddeutsche Zeitung

Beate Z. will auspacken Stuttgarter Zeitung

Bringt Beate Zschäpe Licht ins Dunkel? Kommen die Anti-Terror-Ermittlungen heute entscheidend voran? Die Hauptverdächtige will angeblich aussagen. Derweil debattiert die Politik weiter über Konsequenzen – darunter ein NPD-Verbot. stern

Terrorheimstatt Thüringen Wer glaubt dem Erfurter Verfassungsschutz noch? In den neunziger Jahren trugen sich unglaubliche Dinge zu. Damals warb der Verfassungsschutz auch Neonazis als Quellen an. FAZ

Ein tödlicher Fehler der Sicherheitsbehörden Die Politik ignorierte den Rechtsterrorismus. Auch unseren Staatsorganen wird vorgeworfen, „auf dem rechten Auge blind zu sein“. In der Absolutheit ist die Anschuldigung übertrieben. Aber genau hingesehen haben sie auch nicht – oder wollten nicht. Financial Times Deutschland

Warum die Islamhasser von PI beobachtet werden müssen Es hat mich interessiert, was die Website Politically Incorrect wohl zu den Aktivitäten der rechtsextremen Terroristen zu sagen hat. Darum habe ich heute vorbeigeschaut, was ich sonst aus Gründen meiner geistigen Gesundheit tunlichst vermeide. Es hat gelohnt. ZEIT

Täter, Opfer, Zuschauer Bei der Serie von Ausländermorden versagten nicht nur die Ermittlungsbehörden. Auch wir, die Medien und die Öffentlichkeit, haben über Jahre weggesehen. Frankfurter Rundschau

Was kommt nach der „Schande“? Zuletzt war der Rechtsextremismus in Deutschland kein großes Thema. Doch angesichts der Taten der Jenaer Terrorgruppe überschlägt sich die Gesellschaft plötzlich in Empörung. Doch die Frage ist, was den großen Worten folgt. Tagesspiegel

Der dritte Schritt vor dem ersten Wer jetzt als Antwort auf den rechten Terror ein NPD-Verbot fordert macht den dritten Schritt vor dem ersten. Zunächst muss die Todesspur, die offenbar eine kleine Gruppe Thüringer Rechtsterroristen praktisch ungestört von der Staatsmacht in aller Ruhe über ein Jahrzehnt hinweg legen konnte, rückhaltlos aufgeklärt werden. Tagesschau

Ein NPD-Verbot reicht nicht aus Wer den Rechtsextremismus bekämpfen will, muss es auf breiter Front tun. Nur dann ist auch ein Parteiverbot für die NPD sinnvoll. ZEIT

Unterstützung in der CDU für neues Verbotsverfahren wächst Als Konsequenz aus der Neonazi-Mordserie will die CDU die Chancen für ein neues NPD-Verbotsverfahren ausloten. Das hat der Parteitag in Leipzig beschlossen. Unions-Fraktionschef Kauder stellt den Einsatz von V-Leuten gegen die NPD infrage. FAZ

OWS

Sieg für Occupy Der New Yorker Bürgermeister Michael Bloomberg will auf keinen Fall als Feind der freien Meinungsäußerung dastehen. Vom ersten Tag der Proteste gegen die Wall Street an betonte er, New York sei ein Ort, der friedliche Demonstrationen willkommen heiße. Doch zugleich unternahm er alles, um den Demonstranten das Leben schwer zu machen. Frankfurter Rundschau

Einer Bewegung geht die Luft aus New Yorks Bürgermeister lässt die Zelte der Occupy-Wall-Street-Demonstranten abreißen. Die Bewegung wird zunehmend von Außenseitern bestimmt – und fragt sich bereits, wie sie den Winter überstehen soll. Süddeutsche Zeitung

Occupy geht weiter Occupy hat Fragen gestellt, die längst überfällig warenDie BesetzerInnen gehören nicht in die Hände von Polizisten, nicht in Handschellen und schon gar nicht in die Angeklagtenbänke vor Gericht. Sie sind Hoffnungsträger für ein ganzes Land. taz

Eviction Could Be Good for Occupy Wall Street The movement needs a bigger tent, not a camp in New York The Atlantic

Insider trading another reason to Occupy Congress Forget Wall Street for a bit. Politicians, especially those keen on light regulation, did much to create the financial crisis. Fresh news of U.S. lawmakers trading on inside information is further reason for mistrust. Public ire could usefully target this big problem. Reuters Breakingviews

Energiewende

Kosten der Energiewende geraten außer Kontrolle Deutschland ist immer noch Netto-Stromimporteur und der Ökostrom wird teurer: Die Energiewende muss dringend nachjustiert werden. Die Welt

Energiewende geht das Geld aus CO2-Zertifikate haben angesichts trüber Konjunkturaussichten erheblich an Wert verloren – bei künftigen Versteigerungen dürften die Einnahmen für den Bund niedriger ausfallen als erhofft. Nach der Brennelementesteuer bricht eine weitere Quelle für die Finanzierung der Energiewende weg. Financial Times Deutschland

Chinas Solarfirmen booten deutsche Anbieter aus Die Milliarden-Förderung erneuerbarer Energien belastet zunehmend die Haushalte. Doch deutsche Unternehmen profitieren kaum. Die Welt

Energiewende lässt Preise doch stark steigen Der Traum vom grünen Strom könnte die Kosten für die Ökoförderung laut einer Prognose bis 2013 stark steigen lassen. Zudem droht der Bundesregierung ein Milliardenloch bei ihrem Energiefonds. Augsburger Allgemeine

Netzbetreiber warnt vor Engpässen bei Windparks im Meer Ein Pfeiler des schwarz-gelben Energiekonzepts wankt: Die Anbindung von Offshore-Windparks im Meer bringt Netzbetreiber an die Grenzen ihrer Ressourcen. Das erste Unternehmen hat einen Brandbrief an die Bundesregierung geschrieben und fleht um Hilfe. Süddeutsche Zeitung

Windkraft in der Türkei Die Wirtschaft der Türkei wächst schnell. Weil dadurch auch der Energiebedarf des Landes steigt, droht eine Lücke in der Energieversorgung. Mit Windparks soll der erhöhte Bedarf gedeckt werden. Handelsblatt

Zukunftsenergie oder teure Sackgasse? Kernfusion nach dem Vorbild der Sonne verspricht fast unerschöpflich viel Energie. Vor 20 Jahren wurde das Sonnenfeuer erstmals kontrolliert auf der Erde entfacht. Einsatzreif ist die teure Technik aber noch lange nicht. Handelsblatt

Das Rohr zum Westen Ob Ostsee-Pipeline oder Kraftwerke in Deutschland: Der Kreml orientiert sich wieder stärker nach Westeuropa. Für Europas Energiemarkt ist die russische Strategie Gefahr und Chance zugleich. Süddeutsche Zeitung

Berliner Grüne

Berlins Grünen-Fraktionschef tritt zurück Realos gegen Fundis: Nach dem enttäuschenden Wahlausgang stritten Berlins Grüne wochenlang über den Parteikurs. Fraktion-Chef Ratzmann hat nun seinen Rücktritt erklärt. ZEIT

Der grüne Erfolg als Schnecke Allmählich möchte man nicht nur den Grünen in Berlin wünschen, dass sie ihre Nach-Wahl-Probleme in den Griff bekommen. Man wünscht es besser gleich der ganzen Politik in Land und Bund. Frankfurter Rundschau

Rückkehr zu linkem Kader-Denken Der Rücktritt Ratzmanns zeigt: Das bürgerliche Berlin will die Grünen, doch die wollen das Bürgerliche nicht. Die Partei ist dabei, sich für viele Jahre als ernsthafte Regierungsalternative abzumelden Tagesspiegel

…one more thing!

Die Kapitalismuskritik übersieht den gierigen Staat In Deutschland wird zu viel Hegel und zu wenig Hobbes gelesen. Der Staat ist nicht der Inbegriff der Vernunft, wie die Antikapitalisten wähnen. Er ist oft dumm und gierig. Und das im Namen sozialer Gerechtigkeit. Handelsblatt

Leitartikel

Mächtig wie nie Der Parteitag in Leipzig hat gezeigt: Merkel beherrscht die CDU in einem Ausmaß, wie das selbst Kohl nur in der Zeit nach dem Mauerfall erreicht hat. Alle Rivalen sind aus dem Weg geräumt, der Kurs ist abgesteckt. Atomkraft, Wehrpflicht, Mindestlohn, Schulreform – es gibt klare Ansagen. Für die CDU ist das gut und schlecht zugleich. Süddeutsche Zeitung

Partei der Folgsamen Die Anti-Heldin Merkel hat sich als Führungsperson etabliert. Unter ihr macht die CDU nun alle inhaltlichen Kehrwenden mit. Die Partei merkt es bloß nicht. Frankfurter Rundschau

Cliquen Dass eine terroristische Mordserie trotz vieler V-Leute nicht als solche wahrgenommen wurde, mag daran liegen, dass rechter Terrorismus eine Sache verrückter Klein-Cliquen ist. Oder daran, dass es verrückte Klein-Cliquen auch im Verfassungsschutz gibt. FAZ

Ziel: Vernichtung Selten haben terroristische Täter derart kalt getötet wie die Rechtsradikalen aus Thüringen. Es wird zu klären sein, warum sie so lange unbehelligt blieben. Und die Familien der Opfer verdienen tätiges Mitgefühl Die Welt

Schluss mit der Schlapphut-Provinz! Die Politik hat die Kontrolle schlampen lassen. Jetzt muss sie schnell entscheiden! Schluss mit sechzehn Schlapphut-Provinzen. Der Anti-Terror-Kampf braucht zentrale Steuerung, klare Führung, Datenaustausch ohne Ländergrenzen! BILD

Glaubenskrieg in der Euro-Zone An den europäischen Staatsanleihemärkten wird gerade der Untergang des Abendlands zinstechnisch durchgespielt. Hilfsweise kann es auch der Untergang des Euro sein. Financial Times Deutschland

Merkel Party Seeks Euro Exit Policy Chancellor Angela Merkel’s conservative Christian Democratic Union party passed a resolution calling for changes to European treaties to allow member states to voluntarily exit the euro zone without giving up membership in the broader European Union. Wall Street Journal

Who’s the Decider? From India to Europe to the United States, it’s hard to find real leaders these days. New York Times

Volcker Rule‘ curbs bad bets Collapse of MF Global shows why reform is necessary and why banks are gutting it. USA Today

Berlusconi’s Last Act The infamous Italian leader will exit the stage of the world’s most dangerous economy TIME

Die Kapitalismuskritik übersieht den gierigen Staat

In Deutschland wird zu viel Hegel und zu wenig Hobbes gelesen. Der Staat ist nicht der Inbegriff der Vernunft, wie die Antikapitalisten wähnen. Er ist oft dumm und gierig. Und das im Namen sozialer Gerechtigkeit.