Rechtsterror, Italien, Euro-Krise & Berliner Koalitionsverhandlungen

Ein Nehmen, nicht immer ein Geben Durch den Einsatz von V-Leuten begibt sich der Verfassungsschutz auf glitschiges Terrain. Trotz bestehender Regeln ist schon mancher darauf ausgerutscht FAZ

100 V-Leute sollen in der NPD schnüffeln Angesichts der rechten Terrorserie diskutiert die Politik ein neues NPD-Verbotsverfahren, doch offenbar tummeln sich zu viele V-Leute des Verfassungsschutzes in der rechtsextremen Partei: Ihre Zahl soll sogar größer sein als zu der Zeit, als das erste NPD-Verbotsverfahren an den staatlichen Schnüfflern scheiterte. Süddeutsche Zeitung

Das Versagen der Anderen Die Verfassungsschützer des Bundes schimpfen genauso auf ihre Landeskollegen, wie die Bundeskriminaler auf die Beamten in den Ländern. Einig ist man sich nur in der Erkenntnis, dass der jeweils andere die Verantwortung für das Versagen der Sicherheitsbehörden trägt. Frankfurter Rundschau

Verbrecher und Versager Die Serienmörder von Zwickau waren keine Einzeltäter. Sie hatten ein Netzwerk von Helfern und Sympathisanten. Auch die Sicherheitsbehörden geraten ins Zwielicht. ZEIT

Die NPD ist antidemokratisch und gehört verboten Die NPD ist keine demokratische Partei, sondern eine Kampforganisation, die dem zivilen Miteinander den Krieg erklärt hat. Sie schadet dem Land. Die Welt

Muss die NPD verboten werden? Pro und Contra Die rechte Terrorserie hat die Debatte um die NPD neu entfacht. stern

Aus Opfern wurden türkische Kriminelle Der Werdegang der Ermittlungen zu den Neonazi-Morden ist eine Schande. Die Hinterbliebenen wurden jahrelang mit übler Nachrede konfrontiert. Jetzt kommt Wut auf – und auch eine gewisse Genugtuung. Tagesspiegel

Die Fähigkeit zu trauern Auf das Erschrecken folgt der Aktionismus. Dabei wäre ein öffentlicher Staatsakt für die Opfer der rechtsextremen Mordserie ein richtiges Signal. taz

Italien

Experten ohne politischen Ballast Es ist ein Wettlauf mit der Zeit, aber Italien ist gut aufgestellt: Der designierte Ministerpräsident Mario Monti hat sein Kabinett präsentiert, das das Land nun aus der Krise führen soll. Die neuen Minister sind angesehene Fachleute auf ihrem Gebiet. Auf Politiker hat Monti verzichtet – und sieht darin eine große Chance. Süddeutsche Zeitung

Und wieder schlägt die Stunde der Technokraten Die technokratische Versuchung ist ein Schmerzmittel, das vorübergehend Linderung verspricht, bei längerem Gebrauch aber Suchtgefahr nach sich zieht. Die Welt

Montis Kabinett – fachlich top, politisch flop Italiens neuer starker Mann umgibt sich mit kompetenten Männern und Frauen. Politiker gehören dem Technokratenkabinett nicht an. Und genau das ist die große Gefahr für Montis Regierung. Financial Times Deutschland

Ökonomen für Italien Wirtschaftsprofessor Mario Monti hat im Kabinett viel wirtschaftlichen Sachverstand um sich geschart. Doch Montis künftiges Problem ist es nicht, Reformen zu erklären. FAZ

Notregierungin Rom Italiens 63. Regierung der Nachkriegszeit, eine Notregierung, muss jetzt erledigen, was Generationen von Politikern nicht vermochten. Das Land heilen von den Berlusconi-Verheerungen kann eine Expertenregierung nicht. Berliner Zeitung

Alternative zur Heilserwartung Die Politiker suchen in der verwirrenden Vielfalt der Welt gern Halt bei Experten, statt selbst politisch zu führen. Diese Heilserwartung kann jedoch mehr Schaden als Nutzen bringen. Frankfurter Rundschau

Euro-Krise

Die Stunde der Wahrheit kommt Warum Angela Merkel am Ende einer Haftung Deutschlands für die anderen Euro-Staaten zustimmen wird – und wie sie das begründen kann. Financial Times Deutschland

Das Versagen der deutschen EU-Politik Die Bundesregierung hat vom Anbeginn der Krise nicht europäisch gedacht. Doch echte Führung bedeutet, eigene Befindlichkeiten hintenanzustellen ZEIT

Barrosos Worte sind unklar – und verantwortungslos EU-Kommissionspräsident Barroso diagnostiziert eine „systemische Krise“ und schreckt damit Europa auf. Wer aber auf Erklärungen wartete, was er damit meine, wartete vergebens. Es sind genau solch unklare Botschaften, die die Spirale der Schuldenkrise weiter beschleunigen. Süddeutsche Zeitung

Der Stresstest für die Banken ist längst überholt Es ist gerade einmal drei Wochen her, dass die EU zum Befreiungsschlag für die Banken ausholte. Jetzt zeigt sich, dass das nicht ausreichen konnte. Die Welt

Eine bedrohliche Chance Für das angeblich so sichere Deutschland sanken die Zinsen während der vergangenen Krisenmonate dramatisch – bis weit unterhalb der Inflationsrate. Seitdem bekommt Finanzminister Wolfgang Schäuble Kredite also gratis. Daher wirkten Eurobonds bisher wie ein Verlustgeschäft. taz

Fitch warnt vor Bankenbeben in USA Europas Schuldenkrise ängstigt Amerika. Eine Ratingagentur warnt vor einem Schock für US-Banken. Und der Chef des weltgrößten Anleihe-Investors fürchtet: Den USA könnte das gleiche Schicksal drohen wie Griechenland. Handelsblatt

„Noch mehr EZB-Anleihekäufe wären eine Todsünde“ Mit seinem Vorschlag einer gemeinsamen Haftung für die Schulden der Euroländer hat der Sachverständigenrat Freund und Feind verwirrt. Nun nimmt der Vorsitzende zu der Kritik Stellung. FAZ

„Die EZB muss Geld drucken“ Der Euro wird so nicht überleben, meint der erfahrene Vermögensverwalter Jens Ehrhardt. Gemeinsam mit seinem Sohn Jan erklärt er, warum es jetzt es die Notenbank richten muss – auch wenn das die Inflation anheizt. Handelsblatt
Geschäft der Banken bedroht Die Erfahrung, dass der Staat nicht immer ein sicherer Schuldner ist, versetzt die Banken in Aufruhr. Ohne die Fiktion der „risikolosen Anlage“ müssen die Banken umdenken. FAZ

Berliner Koalitionsverhandlungen

„Reicher werden und sexy bleiben“ SPD und CDU haben die Koalitionsverhandlungen in Berlin erfolgreich abgeschlossen. Am 24. November soll Wowereit wiedergewählt werden; in fünf Jahren soll die Hauptstadt keine neuen Schulden machen. FAZ

Wowi wurstelt mit der CDU weiter Die SPD bildet mit der CDU in Berlin eine große Koalition. Ideologische Konflikte? Streit? Ideen? Ach wo. Das Regierungsprogramm ist so pragmatisch, dass man kaum bemerkt, dass der Juniorpartner in der Regierung gewechselt hat. Die Parole heißt: weiter so. Irgendwie. Süddeutsche Zeitung

Die CDU erfüllt die Berliner SPD mit neuer Kraft Die Bildung der neuen Koalition aus SPD und CDU in der Hauptstadt ist unspektakulär verlaufen. Die Zeiten der Skandalregierungen scheint vorbei zu sein. Die Welt

Wowereits Lieblingskoalition Klaus Wowereit gelingt ein geräuschloser Wechsel zu Rot-Schwarz. Nun dürfte wieder mehr gehandelt werden im Senat – und stärker und schneller angepackt. Berliner Zeitung

Akzentlos in der Mitte Die CDU wird Juniorpartner der SPD in einer großen Koalition. Mehr hat sie nicht gewollt, mehr hat sie auch nicht bekommen. Denn die SPD hat sich in fast allen Punkten durchgesetzt. taz

Ein Sachbündnis ohne Masterplan Nach zehn Jahren wird es also wieder eine große Koalition in Berlin geben: Die Verhandlungen zwischen SPD und CDU über ein Regierungsbündnis sind in der Nacht zu Mittwoch abgeschlossen worden. Berliner Morgenpost

Pragmatismus vor Ideologie In Berlin steht eine rot-schwarze Koalition vor dem Start. Ganz auszuschließen war ein solches Bündnis schon vor den Abgeordnetenhauswahlen nicht. Die Spitzenkandidaten von SPD und CDU, Klaus Wowereit und Frank Henkel, hatten im Wahlkampf nicht so heftig aufeinander eingeschlagen, dass sie sich nun entschuldigen müssten. Märkische Allgemeine

Hauptstattkultur Als Kultursenator geht Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit in eine zweite Amtszeit. Auch seine bessere kulturpolitische Hälfte sollte eine neue Chance bekommen. FAZ

…one more thing!

Aufgerüstet für die Weltmeisterschaft In Brasilien erobert der Staat die Armenviertel zurück von der Drogenmafia. Es ist das erste sicherheitspolitische Konzept seit Langem, dasdiesen Namen auch verdient. Frankfurter Rundschau

Leitartikel

Wenn der Staat versagt Der Verfassungsschutz observiert mit Akribie kritische Demokraten – gewalttätige Neonazis lässt er in Ruhe oder beschäftigt sie als V-Leute. Bei solchen Fehlleistungen kann man sich verzweifelt fragen, ob nicht nur die NPD, sondern auch der Verfassungsschutz verboten gehört. Der Staat muss aus seinen Fehlern lernen – und nicht mit Vorschlägen wie einem Neonazi-Register vom Versagen ablenken. Süddeutsche Zeitung

Sehnsucht nach Harmonie Demokratie lebt von der Auswahl zwischen unterschiedlichen Ideen. Doch die Parteien werden politisch immer unkenntlicher. Das schadet der Opposition letztlich mehr als der CDU. Frankfurter Rundschau

Die gute Macht des Geldes In ihrem Widerstand gegen die Überschuldung des Sozialstaats agieren die Märkte im Sinn unserer Verfassung. Sie sind kritischer Teil der Demokratie. In der Krise erleben wir endlich die historische Stunde der Wahrheit Die Welt

Technokrat, der Retter Der Italiener Mario Monti und der Grieche Lucas Papademos gelten als unabhängige, parteilose Technokraten. Ihre Vorgänger wurden von Paris, Berlin und Frankfurt aus dem Amt gedrängt. Auch das ist kein unwesentlicher Aspekt der europäischen Krisengeschichte. FAZ

Wir müssen neue Morde verhindern! Wie würde die Öffentlichkeit auf den Fall reagieren, wenn drei Türken acht Deutsche getötet hätten, nur weil sie Deutsche sind? BILD

Von der Realität überholt Die Haltung der CDU in Bildungsfragen zeigt, wie Glaubenssätze in Überschriften weiter Bestand haben, meint Tissy Bruns. Dabei drängt das praktische Leben längst in eine neue Richtung. Tagesspiegel

Energiewende muss wehtun Das ist typisch deutsch: Erst gerät nach Fukushima das ganze Land in Panik, und die Regierung vollzieht über Nacht eine radikale Kehrtwende ihrer Energiepolitik. Ein halbes Jahr später haben dann alle Angst vor der eigenen Courage. Financial Times Deutschland

Gut investiert Ein Plädoyer für Studiengebühren. AZ München

Demokratie ist kein einseitiges Exportgut mehr Der Aufstieg Chinas und die Schulden des Westens schwächen die Hebelkraft der Demokratieförderung. Doch demokratische Verfahren setzen sich auch so durch. ZEIT

Britain’s Gas-Price Gamble Technological change will always scupper long-term plans. Wall Street Journal