Grüne, FDP, Demjanjuk, Schengen, Steuern & Energiewende

Der sanfte grüne Machtwechsel Das Wahlergebnis im Stuttgarter Landtag ist ein Triumph für die Grünen, aber auch einer für Windfried Kretschmann persönlich. Jetzt muss er als erster grüner Ministerpräsident ausgerechnet in einem Bundesland überzeugen, dessen ganzer Stolz seine Wirtschaftskraft ist. Süddeutsche Zeitung

Kretschmanns Verantwortung Winfried Kretschmann steht nicht im Ruf, ein Revoluzzer zu sein. Aber er wird Kräfte in seiner grün-roten Koalition bändigen müssen, die Baden-Württemberg total umkrempeln wollen. Ob er dazu Geschick und Kraft hat, wird über sein politisches Schicksal entscheiden. FAZ

Eine ordentliche deutsche Partei Das Problem mit den historischen Momenten ist, dass man immer erst in der Rückschau sicher sein kann, ob sie wirklich historisch gewesen sind – nachhaltig, einschneidend, die Welt verändernd. Trotzdem spricht viel dafür, dass gestern in Stuttgart ein Stück Geschichte geschrieben worden ist. taz

Es grünt im Klub Mit der Wahl Winfried Kretschmanns zum Ministerpräsidenten etabliert sich die dritte deutsche Volkspartei. ZEIT

Das grüne-rote Experiment Deutschlands Industrieland Nummer eins wird ab dieser Woche grün-rot regiert – ein riskantes Experiment mit ungewissem Ausgang. Was kommt auf die Wirtschaft im Südwesten zu – und wie stabil ist die neue Regierung. Wirtschaftswoche

Grüne Nagelprobe Die Wahl Winfried Kretschmanns zum Ministerpräsidenten Baden-Württembergs markiert eine Zäsur in der Parteiengeschichte der Republik Augsburger Allgemeine

Viel Euphorie in Stuttgart In der Sprache der Politik ist das Eigenschaftswort „historisch“ mit Vorsicht zu genießen, weil es mittlerweile viel zu oft auch für höchst mittelmäßige Ereignisse herhalten muss. Im Falle der Wahl von Winfried Kretschmann zum ersten grünen Ministerpräsidenten Baden-Württembergs darf man jedoch getrost von einem historischen Machtwechsel sprechen. Märkische Allgemeine

Arme, schwache SPD In Berlin wird bereits gewettet, wann der am Donnerstag gewählte, erste grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann entzaubert sein wird – schon in sechs Wochen oder erst in einem halben Jahr? Interessanterweise scheinen es vorwiegend Sozialdemokraten zu sein, die vom Wettfieber gepackt sind und anderes als eine rasche Ernüchterung im Ländle kaum in Erwägung ziehen. Also Mitglieder der Partei, die neuerdings hinter den Grünen als kleinerer Koalitionspartner agieren muss. Lausitzer Rundschau

Baden-Württembergs neuer Superminister will Industrie stärken Für Baden-Württembergs neuen Minister für Wirtschaft und Finanzen, Nils Schmid, bleibt die Autoindustrie das Herzstück der Wirtschaft im Ländle. Ein klares Signal an den grünen Landes-Chef Winfried Kretschmann. Handelsblatt

FDP

Dr. Rösler, übernehmen Sie Wechsel in Berlin: Der neue Wirtschaftsminister Philipp Rösler hat mit einer Vielzahl von Problemen zu kämpfen. Doch für welche wirtschaftspolitischen Überzeugungen steht er eigentlich? Süddeutsche Zeitung

Brüderles Bollwerk An den Hebeln der Macht sitzen in der FDP-Fraktion fast nur Männer aus dem wirtschaftsliberalen Flügel. Eine Neuausrichtung ist mit ihnen nicht zu machen. Dafür sorgt der Fraktionsvize mit einem Vorstoß zu Westerwelles Zukunft für neuen Unmut. Süddeutsche Zeitung

Eine Hochzeit und ein Todesfall In England haben sich zwei Menschen gefunden. In Pakistan ist einer von uns gegangen. Und die FDP kämpft noch. Frankfurter Rundschau

Westerwelles Mädchen Silvana Koch-Mehrin war Westerwelles Mädchen, wenn auch nicht aus dem Stoff, aus dem Kanzlerinnen gemacht werden. Kaum jemand weiß, wofür sie, abgesehen vom Streit um ihre Präsenzzeiten im Europäischen Parlament, politisch eigentlich stand. FAZ

Tschüss, Frau Dr. Koch-Mehrin Und wieder ist eine schillernde Politikerfassade in sich zusammengefallen: Silvana Koch-Mehrin folgt Ex-Doktor Guttenberg – im doppelten Sinn. Erst abpinnen, dann zurücktreten. Gelobt werden muss die FDP-Frau trotzdem. Financial Times Deutschland

Die Selbstzerfleischer Westerwelle-Aufstand, Koch-Mehrin-Verdruss: Pünktlich zu Röslers Parteitag fliegen in der FDP wieder die Fetzen. AZ München

Urteil im Demjanjuk-Prozess

Der Stempel der Schuld Fünf Jahre Haft – das ist eine Strafe, wie sie Bankräuber oder Steuerhinterzieher bekommen. Ist das angemessen für einen Mann wie John Demjanjuk, der Beihilfe zum Massenmord in zigtausend Fällen geleistet hat? Wichtiger als die Höhe des Strafmaßes ist der Schuldspruch selbst. Süddeutsche Zeitung

Späte Sühne Demjanjuk steht für vieles und viele, und viele wollten ihn dafür schuldig gesprochen sehen. Klar ist: Hier geht es nicht (mehr) um Resozialisierung, sondern um Sühne. FAZ

Urteil gegen Demjanjuk sendet starkes Signal Vom Urteil gegen John Demjanjuk geht ein starkes moralisches Signal aus. Ohne Menschen wie ihn wäre der Massenmord gar nicht möglich – diese Lehre ist auch heute noch hoch aktuell Tagesspiegel

Der Demjanjuk-Prozess hinterlässt Beklommenheit Der Prozess gegen John Demjanjuk hat das Vernichtungslager Sobibor dem Vergessen entrissen. Doch das Urteil gegen den KZ-Wachmann kommt zu spät. ZEIT

Recht und Rechtsempfinden Kann es 66 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs eine gerechte Strafe für einen Nazi-Verbrecher geben? taz

Auf dem Anklagebett Es mag eine Geschmacksfrage sein, ob man die Bilder von dem 91-jährigen John Demjanjuk im Gerichtssaal als Genugtuung empfindet oder als notwendiges Übel. Keinen Zweifel kann es dagegen daran geben, dass der alte Mann genau dort hingehörte: auf die Anklagebank beziehungsweise das Anklagebett. Lausitzer Rundschau

Schengen

Rechte Spielchen Dänemark kündigt an, wieder Kontrollen an den Grenzen einzuführen. Europa muss reagieren. Das Land darf sich nicht auf Kosten der EU-Bürger profilieren. Frankfurter Rundschau

Schlagbaum vorm Kopf Rechtspopulisten bestimmen in wachsendem Masse die EU-Politik. Seit Jahren lassen sich die dänischen Parteien von den Rechtspopulisten vor sich hertreiben. Jetzt hat die Dänische Volkspartei die EU als neues Angriffsziel ausgemacht – und nicht nur Konservative und Liberale, sondern auch Sozialdemokraten und sogar die Linkspartei knicken vor ihr ein. taz

Unter Druck Während die Ankündigung Dänemarks, wieder Grenzkontrollen einzuführen, in Deutschland heftige Kritik auslöste, suchen immer mehr Regierungen nach Möglichkeiten stärkerer Kontrollen. Doch eine Durchlöcherung des Schengen-Systems muss die Ausnahme bleiben. FAZ

Es ist etwas faul in Europa Wenn sich die Regierung des dänischen Ministerpräsidenten Rasmussen unter dem Druck der Rechtspopulisten zur Wiedereinführung der Kontrollen hinreißen ließ, dann kommt das einem Eingeständnis gleich, dass ihr das politische Überleben im Zweifel wichtiger ist als der Einsatz für die Freiheiten, die wir in Europa seit Jahren genießen. Tagesspiegel

Grønne Grænse Die Dänen haben Angst – Angst vor dem Euro, vor der EU, vor dem Islam und vor allem vor offenen Grenzen. Nun kündigt Dänemark die Bewegungsfreiheit des Schengener Abkommens. Wo soll das hinführen? FAZ

Grenzen müssen offen bleiben Von einem Tag auf den anderen ist Europa nicht mehr das, was es mal war. Augsburger Allgemeine

Kleinstaaterei Wer hätte ahnen können, dass Schengen, der kleine Ort in Luxemburg, mal zum Symbol für offene Grenzen und Reisefreiheit in Europa werden würde? Wird jetzt Kopenhagen der Name für die Kehrtwende? Nord-West Zeitung

„Grenzkontrollen sind eine politische Schnapsidee“ Hans-Peter Uhl findet deutliche Worte für das Vorpreschen Dänemarks in Sachen Grenzkontrollen. Kritik übt er auch an der Politik Italiens. Die Welt

Europa steht vor einer Bewährungsprobe Erst die schwierige Debatte um die Euro-Rettung, jetzt die Wiedereinführung der Grenzkontrollen in Dänemark: Diese bedenklichen Entwicklungen machen Politikern Sorgen. Sie sehen das europäische Projekt vor einer großen Bewährungsprobe. Rechtspopulisten nutzen die Ängste der Menschen für ihre Zwecke Rheinische Post

Europa fängt an, den Glauben an sich zu verlieren Eine Währung, ein Raum. Aus der Traum? Heute denkt niemand mehr, der auf die EU schimpft und Angst um die Zukunft hat, an die Vergangenheit. Die Welt

Deutsche Steuerschätzung

Leider schon verplant 135 Milliarden Euro Steuern mehr als erwartet nimmt der Staat bis zum Jahr 2015 ein. Das klingt nach viel, aber die schönen Zahlen trügen. Süddeutsche Zeitung

Hoffnungswerte Die Steuereinnahmen sprudeln wieder – dank der guten Konjunktur. Das Geld reicht dennoch nicht. Die Regierung ist daran wahrlich nicht schuldlos. FAZ

Deutsche Wirtschaft wächst über sich hinaus Die deutsche Wirtschaft brummt ohne Ende und legt beim Wachstum kräftig zu. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum gab es sogar den größten BIP-Schub seit der Wiedervereinigung. Experten warnen jedoch vor Konjunkturrisiken. Handelsblatt

Etwas mehr Luft Manchmal kommt es nicht nur anders, sondern sogar besser als gedacht. Das Ergebnis der Steuerschätzung ist ein Glücksfall für den Bundesfinanzminister. Doch die 135 Milliarden Euro Mehreinnahmen, die voraussichtlich in seiner Kasse klimpern werden, können lediglich dafür sorgen, dass er nicht ganz so klamm dasteht. Märkische Allgemeine

Der Arme ist der Dumme Die Steuereinnahmen steigen, hat die neueste Schätzung ergeben – aber wer zahlt eigentlich für den Staat?Es sind vor allem die Verbraucher und abhängig Beschäftigten, die den Staat finanzieren. Die Kapitalbesitzer hingegen kommen billig davon. taz

Energiewende

Schäuble knausert Die Argumente aus dem Finanzministerium, dass die Energiewende nichts kosten darf, sind Unfug. Wenn das Geld gut angelegt ist, dann für einen schnelleren Ausstieg aus der Atomenergie. Und der ist eben nicht zum Nulltarif zu bekommen. Frankfurter Rundschau

Ausstiegspalaver Ob CDU oder FDP, SPD, Grüne oder Linkspartei – alle sind sich einig: Der Ausstieg aus der Atomenergie muss kommen. Nur wann? Ein Ende der Debatte liegt noch in weiter Ferne – trotz Ethikkommission. FAZ

Teure Netze Die Kosten für die Nutzung von Stromleitungen sind in Deutschland viel zu hoch. Eine Reform des Vertriebssystems würde die Endverbraucher entlasten. Frankfurter Rundschau

…one more thing!

Seehofer kritisiert Jury Erst wurde ihm der Kisch-Preis verliehen, dann wieder aberkannt. Nun nimmt Seehofer, Protagonist in dem umstrittenen Text, den Autor vom Spiegel in Schutz – dabei kommt er darin gar nicht gut weg. Süddeutsche Zeitung

Leitartikel

Der schweigende Täter Der Prozess gegen Iwan Demjanjuk hätte auch der Aufklärung über einen Teil der NS-Geschichte dienen können. Aber der Angeklagte, ein Helfer beim Massenmord, wollte nicht reden. Frankfurter Rundschau

Nur ein kleines Rad? Iwan, alias John Demjanjuk, war 23 Jahre alt. Noch dazu sowjetischer Kriegsgefangener. Einer von 150 Wachmännern im Vernichtungslager Sobibor. Keiner, der sich das bestialische Morden an Juden ausgedacht hat. Keiner, der es in führender Position durchsetzte, sondern ein kleines Rad im barbarischen System. Die Frage, ob man so je­manden nach Jahrzehnten noch verantwortlich machen kann, war eine der entscheidenden des Prozesses gegen Demjanjuk. Der Westen

Ein wichtiges Urteil Einige empfanden den Prozess gegen John Demjanjuk angesichts dessen hohen Alters als Farce. Zu Unrecht. AZ München

Europa als Albtraum? Euro-Krise, Flüchtlingskrise, Schuldenkrise: Ein Traum ist Europa nur noch für Menschen, die aus Gegenden fliehen, in denen Freiheit und Wohlstand nicht als langweilig gelten. Und ausgerechnet vor denen fürchten sich die Europäer, die Europa heute für einen Albtraum halten. Doch der reaktionäre Nationalismus ist gefährlich. Süddeutsche Zeitung

Draghis Herausforderung Es ist nicht entscheidend, welchen Pass die Person hat, die an der Spitze der Europäischen Zentralbank steht. Es zählt allein die Qualifikation. So heißt es. Aber ist das auch so? Die Frage, ob ein Amt eine Person oder ob eine Person eine Institution prägt, kann man nur im Einzelfall beantworten. FAZ (Print)

Gefährlicher Luftkrieg Die Annahme, man könne durch gezielte Bombardements Kriege entscheiden und damit Leben schonen, ist ein beharrliches Element amerikanischer Militärphilosophie. Die Risiken sind allerdings oft unkalkulierbar Die Welt

The new tech bubble Irrational exuberance has returned to the internet world. Investors should beware Economist

The Crash and Burn of Old Regimes Washington’s court culture and its endless wars. Mother Jones

Seniors, Guns and Money Those promises of no new taxes will mean savage cuts to benefits for older Americans. New York Times

Missing the message Pakistan must get its head straight about terrorism. Washington Post