Wahlkampf, NRW-Bespitzelungsaffäre, Telefonüberwachung, Siemens & UNO-Gipfel

Merkels bröckelnde Mehrheit alarmiert FDP. Rückschlag für die CDU von Kanzlerin Angela Merkel – Hoffnungsschimmer für die Aufholjagd von SPD-Herausforderer Frank-Walter Steinmeier. Wenige Tage vor der Bundestagswahl ist Umfragen zufolge ein mögliches schwarz-gelbes Bündnis wieder fraglich geworden. Merkels Wunschkoalitionspartner von der FDP ist leicht verstimmt und sucht die Schuld für die unsichere Mehrheit bei der Union. Handelsblatt

In der Union wächst die Sorge, dass es wieder wie 2005 nicht reicht für Schwarz-Gelb. Schon versuchen gestandene Christdemokraten wie Koch und Pofalla, die letzten Getreuen zu mobilisieren. Alle warnen vor der großen Koalition. Süddeutsche Zeitung

Kanzlerin Hasenfuß. Im Wahlkampf meidet die Kanzlerin die Konfrontation. Das mag strategisch geschickt sein. Für die Demokratie ist es schädlich. Die Zeit

Dass Frank-Walter Steinmeier Beamtenapparate führen kann, hat er in seiner Karriere hinreichend bewiesen. Deutlich schwerer fällt es ihm, als Kanzlerkandidat im Wahlkampf die Menschen auf den Marktplätzen für sich zu begeistern. FAZ

Kirchhof ist jetzt Westerwelle. Nichts gelernt aus 2005: Wieder versprechen CDU und FDP, die Steuern zu senken – und wieder könnte Schwarz-Gelb daran scheitern Süddeutsche Zeitung

Ein Prosit der Ungemütlichkeit: Seehofers Derbheiten gegen Merkel und die FDP. Kaum zu fassen, wie er sich einlässt. Tagesspiegel

Grünen-Kampagne in Stuttgart, der Kampf des Cem Spiegel

Gerade die Jungen, Mobilen und Leistungsbereiten fremdeln mit Schwarz-Gelb. Merkel und Westerwelle vertreten zwar ihre Interessen, haben aber noch keinen Anschluss an ihre Gefühlswelt gefunden. Anmerkungen zur Generation Tigerente Die Welt

Überhangmandate retteten 2001 Schröder die Kanzlerschaft BILD

Vom Haifischbecken zum Bermudadreieck – die Perspektive, die dem Gesundheitswesen ab Sonntag droht. Ärztevertreter, Pharmalobbyisten und Kassenchefs werden sich zwar auch nach der Bundestagswahl wie Haifische über die Beiträge der Versicherten hermachen Nürnberger Nachrichten

Bei der Bundestagswahl wird ein Rekord an Nichtwählern erwartet. Die Pflicht der Wähler, Parteien zur Eindeutigkeit zu zwingen, wird zu gering geschätzt. Die Welt

Nur zwei Drittel der Berechtigten sind entschlossen, bei der Bundestagswahl mitzuentscheiden. Ein Sechstel überlegt sich noch, was es tun will. Wie bloß kann sich jemand für einen Demokraten halten, wenn er sich an der Demokratie nicht beteiligt? FAZ

Der neue Typus des Nichtwählers wirft sich in die Pose des Widerständlers, der aus der Herde des Stimmviehs ausschert. Wem werden diese linksintellektuellen Demokratieverächter den Weg ebnen? FAZ

NRW-Bespitzelungsaffäre

NRW-Staatskanzlei überwachte SPD. Ein Vertrauter von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers wusste von systematischer „Gegnerbeobachtung“ per Video. Tagespiegel

Neue politische Dimensionen erreicht die Bespitzelungsaffäre in NRW. Die Glaubwürdigkeit des Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers steht auf dem Spiel. Nun muss die Justiz klären, inwieweit hier gegen Gesetze verstoßen wurde. Kölner Stadt-Anzeiger

Rüttgers ohne Maske. Die Düsseldorfer Staatskanzlei wurde Kampfinstrument der CDU. Nun muss Ministerpräsident Rüttgers seinen Intimus opfern – oder das Versöhner-Image ist vollends zerstört Süddeutsche Zeitung

Schäbiges Tun, Rüttgers‘ Regierungszentrale im Zwielicht NRZ

Telefonüberwachung

Allzu fleißige Lauscher. Sicherheitsbehörden haben im Vorjahr 26,6 Millionen Mal bei Telekommunikationsfirmen nachgefragt. Die Zahl hat sich im Vergleich zu 2002 verfünffacht. Verfünffacht! Frankfurter Rundschau

Die Abhör-Republik.
Die Zahl der Telefonüberwachungen steigt stärker als jede Kriminalitätskurve. Das Fernmeldegeheimnis – ein Grundrecht – stirbt aus. Was stoppt die Überwachungsraserei? Süddeutsche Zeitung

Die deutsche Justiz nutzt zunehmend das umstrittene Mittel der Telefonüberwachung. Die allermeisten Abhöraktionen gelten dabei Drogenhändlern. Gerade in diesem Bereich wird inzwischen wohl fast routinemäßig überwacht. Kölner Stadt-Anzeiger

Der absurde Krieg gegen die Drogen führt zu ständig neuen Abhörrekorden. taz

Bei laufenden Ermittlungsverfahren überwacht die Polizei offenbar immer häufiger Telefone und Computer, besonders in Bayern. Spiegel

Siemens

In Deutschland bahnt sich die erste Milliardenklage gegen einen Topmanager an: Siemens macht den vollen Korruptionsschaden geltend, wenn Ex-Chef Heinrich von Pierer nicht sechs Millionen Euro zahlt. Süddeutsche Zeitung

Der Kampf zwischen Siemens und seinen Ex-Vorständen geht in die nächste Runde. Aufsichtsratschef Gerhard Cromme erhöht den Druck – doch was hat er wirklich in der Hand? Financial Times Deutschland

Teures Symbol. Siemens will sechs Millionen Euro von Ex-Chef Heinrich von Pierer. Ihm und dem Konzern möge ein Prozess erspart bleiben Tagesspiegel

Cromme mistet aus. Über Jahrzehnte war der Münchner Siemens-Konzern ein deutsches Vorzeigeunternehmen. Vorstandschef Heinrich von Pierer war gern gesehener Berater von Kanzlern ganz unterschiedlicher Coleur. Und heute … Westfälische Rundschau

UNO-Gipfel

Wie Prediger redeten Barack Obama und Muammar al Gaddafi vor der UN-Vollversammlung. Der amerikanische Präsident verkündete seine Botschaft der Hoffnung und des Wandels. Der libysche Revolutionsführer hingegen hielt eine Aufrechnungs- und Vergeltungspredigt – und sprach acht Mal so lange wie ihm zugestanden war. FAZ

Der Sicherheitsrat müsse Terrorrat heißen
: Vor der UN-Vollversammlung wütete der libysche Revolutionsführer Gaddafi und zerriss die UN-Charta Süddeutsche Zeitung

Ahmadineschad wirft Israel Völkermord vor. Der iranische Präsident hat mit scharfer Kritik an Israel für einen Eklat in der UN-Vollversammlung gesorgt. Er nannte das Vorgehen gegen die Palästinenser „Völkermord“ und warf den Juden vor, die internationale Politik zu dominieren. FAZ


Das UN-Treffen wird zum Meilenstein. Dank der Signale aus China und Japan.
Nur so kann Obama die Klimaschutz-Zauderer im eigenen Parlament überzeugen. Frankfurter Rundschau

Obama calls for new era in world relations
CNNPolitics.com

Think of Me as FDR, not Bush
. Addressing the General Assembly, Obama outlines a liberal internationalist agenda. The Nation

Did the UN Climate Summit Achieve Anything? Not really
. Obama made no commitments, while China offered a vague pledge to cut pollution. Mother Jones

Nice words. Leaders offer little of substance at the latest climate change gathering in New York Economist

Der Realitätsschock war überfällig
. Falsche Erwartungen sind keine gute Basis für Politik. Mit der Enttäuschung sollte man es auch nicht übertreiben. Selbst ein auf Normalmaß gestutzter Obama ist für Deutschland auf vielen Gebieten immer noch ein besserer Partner als Bush. Tagesspiegel

… one more thing

Bundespräsident Köhler unterzeichnet (Begleitgesetz zum) Lissabon-Vertrag. Der EU-Reformvertrag von Lissabon hat in Deutschland die letzte Hürde genommen. Stimmen ihm nun auch Polen, Tschechien und Irland zu, kann er in Kraft treten. Die Zeit

Leitartikel

Es war kein mitreißender, emotionaler Wahlkampf, der unsere Herzen berührt und unseren Geist gefesselt hat. Aber ist es deswegen auch eine langweilige Wahl am kommenden Sonntag? Nein! Es ist eine Schicksalswahl. Fürs Land, aber auch für die große Traditionspartei SPD. BILD

Schlafwagen-Wahlkampf klappt eben doch nicht – immerhin AZ München

Der Ruf der deutschen Solarindustrie nach Qualitäts- und Umweltstandards ist ein durchsichtiges Manöver. Statt neue Schranken zu fordern, sollte sich die Branche dem Wettbewerb stellen Financial Times Deutschland

Entspannung mit Fußangeln. Die UN bieten Obama die Chance, für eine Welt ohne Atomwaffen zu werben. Vorreiter sollen die USA und Russland sein. Ihr Verhältnis ist auf dem Weg der Besserung, gut ist es noch nicht. Frankfurter Rundschau

Glanz und Elend Pittsburghs, die Verwandlung vom Stahlstandort zum Hightech-Zentrum Die Welt

Obama erlebt eine Zeitraffer-Präsidentschaft. Nach nur acht Monaten im Amt hat er Höhen erklommen, die manchem seiner Vorgänger in vier Jahren nicht vergönnt waren. Nun aber ist er im Tal der Tränen angekommen, die Präsidentschaft gerät in Not. Süddeutsche Zeitung (Print)

Kränze aus Lob und Anerkennung. Großbritannien kramt, wie oft in unsicheren Augenblicken, in diesem Herbst wieder in seiner Geschichte und begegnet außerordentlich vielen Deutschen dabei. Das ist angesichts des Datums „70 Jahre Kriegsausbruch“ kein Wunder. FAZ (Print)

Germany’s Economic Challenges: The next government can reform the labor market or see a repeat of the malaise of the 1990s. Wall Street Journal