Gedenken Zweiter Weltkrieg, Bundestagswahl & Arbeitsmarkt

Zum 70. Jahrestag des Weltkriegsausbruches zeigt sich, welche politische Brisanz die Deutung von Geschichte hat. Die Welt

Der Fingerzeig von Danzig: Ein weiterer Gedenktag in diesem Jahr voller Erinnerungen ist abgearbeitet, so routiniert wie kultiviert konnte sich die Kanzlerin auf der Westerplatte zu deutscher Verantwortung und Schuld am Krieg bekennen. Tagesspiegel

An der Schuld gibt es nichts zu klittern, 70 Jahre nach Kriegsbeginn nach vorne blicken – und nichts vergessen NRZ

Auch 70 Jahre danach ist der 1. September eine offene Wunde geblieben und ein Datum, das geradezu körperlich schmerzt. Da sind die Millionen Toten auf allen Seiten, deren Namen in Yad Vashem eingeschrieben sind, in polnischen Gedenkstätten und russischen Heldenhallen, die auf den Soldatenkreuzen stehen in Amerika, in Frankreich, Großbritannien, Deutschland, in ganz Europa und Japan. Märkische Allgemeine

Zuhören lernen. Beim Rückblick auf jenen 1. September 1939, an dem Nazi-Deutschland die polnischen Nachbarn überfiel, steht es den Deutschen nicht gut an, auf die Mitverantwortung anderer zu verweisen. Lausitzer Rundschau

Deutsche und Polen leben in dem Bewusstsein, dass die Narben dauerhaft sichtbar bleiben. Das entbindet sie aber nicht von der Aufgabe, die geschichtliche Wahrheit zu achten. Es ist ein Verdienst von Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier, zur Regierung Tusk wieder einen stabilen Gesprächsfaden gesponnen zu haben, nachdem die Zwillingsbrüder Kaczynski Polen fast um seine Reputation gebracht hätten. Hannoversche Allgemeine

Kanzlerin Merkel spricht zu Recht von immerwährender Verantwortung der Deutschen. Eine Aussage, die nicht nur im Ausland vernommen werden sollte. Ein Land, in dem ausländerfeindliches Gedankengut bei Jugendlichen fast schon normal ist. Ein Land, in dem oft die Schuld mit dem Unrecht der Vertreibung schöngerechnet wird. Ein Land, in dem das Wissen der Schüler oft nicht einmal bis in die Zeit vor dem Mauerfall zurückreicht. Leipziger Volkszeitung (Print)

Merkels Verweis auf die Vertreibungsfrage, den sie zum Glück bei ihrer Rede auf der offiziellen Gedenkfeier in Polen nicht wiederholt hat, war nicht angebracht. Auf kein anderes Thema reagieren die Polen sensibler und emotionaler. Dafür muss man als Deutscher Verständnis aufbringen ­ und deswegen zuweilen schweigen. Es ist nicht etwa fehlendes Geschichtsbewusstsein, das Bundeskanzlerin Merkel motiviert hat. Es ist schlichtweg der Wahlkampf in Deutschland, der sie dazu gebracht hat. Berliner Zeitung

Putins Anwesenheit bei der Gedenkfeier auf der Westerplatte und die bekundete Bereitschaft, die Vergangenheit mit der Öffnung der Archive vorbehaltlos aufzuarbeiten, verdeutlicht Bewegung auch auf russischer Seite. Das wird zu keiner schnellen Entspannung führen, aber Möglichkeiten für ein normales Miteinander eröffnen Märkische Oderzeitung

Gedächtnisschwund in Russland: Moskau vergisst gerne beim Rückblick auf den Zweiten Weltkrieg seine Rolle im Baltikum und den Hitler-Stalin-Pakt. Putins Besuch in Warschau könnte die starren Fronten lösen. taz

Vor 70 Jahren begann das tragischste Kapitel in der Geschichte Europas, so hat Angela Merkel gestern ihre Ansprache in Danzig begonnen. Westfalenpost

Bundestagswahl

Mit dem Erfolg im Saarland ist die Linke im Westen angekommen. Doch was bedeutet das für die politische Landschaft der Republik? Die SPD ist mehr denn je gezwungen, Stellung zu beziehen. Süddeutsche Zeitung

Guido Westerwelle setzt auch nach den Landtagswahlen alles auf eine Karte. Es hat zwar nur in Sachsen zu einer Koalition mit der Union gereicht. Der FDP-Chef schwört aber Stein und Bein, dass er mit Sozialdemokraten und Grünen nicht regieren will. Das ist riskant Handelsblatt

Im Saarland stehen die Grünen vor einer Richtungsentscheidung. Sie müssen sich festlegen, mit wem sie zukünftig regieren wollen: mit SPD oder CDU. Im Bund und in vielen Ländern haben sich die Grünen zuletzt viele Optionen offengehalten. Das führt zwar zu politischer Beweglichkeit, birgt aber auch die Gefahr der Beliebigkeit. Und so müssen die Grünen jetzt Farbe bekennen. Berliner Zeitung

Die Union lässt sich nicht zu einem Rot-Socken-Wahlkampf herab. Das linke Lager hingegen droht mit einer scharfen Kampagne. Die Welt

Was die CDU der SPD voraus hat: Sie ist und bleibt ein Machtverein. Allerdings hat sie, auf die absoluten Wählerzahlen geschaut, ihr Potenzial inzwischen ausgereizt. Tagesspiegel

Merkels Kurs ins Nirgendwo. Durch das Kokettieren mit der Linkspartei ist die SPD machtpolitisch zumindest ein Stück weit zurückgekehrt. Die Union bleibt dagegen bei ihrer Taktik, bloß nicht mit konkreter Politik Wähler zu vergrätzen. Diese ist nicht nur riskant, sondern birgt Gefahren für die Zukunft. Kölner Stadt-Anzeiger

Mit ihrem Verzicht auf eine Rote-Socken-Kampagne vor der Bundestagswahl liegt die Union genau richtig: Die einschlägigen Diskussionen, die sich die SPD in den nächsten Wochen leisten wird, dürften in ihrer abschreckenden Wirkung alles übertreffen, was sich bürgerliche Wahlkampfstrategen je ausdenken könnten. Nürnberger Zeitung

Das Spiel mit Jamaika ist nur auf den ersten Blick absurd: Obwohl sich Liberale und Grüne an der Oberfläche spinnefeind sind, birgt die Bündnisoption durchaus Chancen – und die beiden ausgebufften Macht-Manager Rüttgers und Trittin sondieren das Terrain. WAZ

Arbeitsmarkt

Bislang sind weit weniger Menschen auf der Straße gelandet als befürchtet. Ideen, wie sie wieder in Arbeit kommen, wären allerdings ein besseres Wahlkampfthema als die Opel-Rettung Süddeutsche Zeitung

Die Arbeitslosenzahl steigt trotz Krise kaum an. Dafür sind nicht die Politiker der großen Koalition verantwortlich, sondern statistische Tricks. Das böse Erwachen kommt erst nach der Wahl. Die Welt

Am Ende der scharfen Rezession ist es auf dem Arbeitsmarkt noch ruhig. Sowohl die Kurzarbeit hat dazu beigetragen als auch ein Umdenken bei den Firmen: Mitarbeiter in schwierigen Zeiten zu halten zahlt sich im Aufschwung aus. Doch ein ganz anderer Trend bereitet Sorge. Kölner Stadt-Anzeiger

In der EU ist die Arbeitslosigkeit so hoch wie seit 1999 nicht mehr. Das war das Jahr, in dem der weltweite Internetboom in sich zusammenbrach. Und Deutschland? Damals ebenfalls schwer getroffen, steht das Land zurzeit da, als würde es sich nicht um den größten Konjunkturabsturz seit der großen Depression handeln Märkische Allgemeine

Ruhe vor dem Sturm: Gut gemacht. Und gut kaschiert: Die Regierung hat mit Arbeitsmarktpolitik und einigen statistischen Tricks ihren Beitrag dazu geleistet, dass es keine Horror-Zahlen aus Nürnberg gibt – zumindest nicht vor der Bundestagswahl Nürnberger Nachrichten

Doch bildet die Statistik das wahre Ausmaß der Unterbeschäftigung nur mit großen Lücken ab. Neben den 1,4 Millionen Kurzarbeitern blendet sie etwa ebenso viele Erwerbslose in arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen aus. Auf die Dauer wird kein Staat gegen eine sinkende Arbeitskräftenachfrage der Unternehmen ansubventionieren können. FAZ

Türkei

Erdogan lässt sich weder in seiner Kurdenpolitik noch in der Öffnung gegenüber Armenien beirren, denn er weiß: In einer Entschärfung der beiden Konflikte liegen riesige Chancen für die Türkei Handelsblatt

Türkisch-armenisches Tauwetter mindert auch in Eriwan die Angst und trägt indirekt zur Lösung des Berg-Karabach-Konflikts bei. Und damit gewinnt die Türkei im Kaukasus einen vollkommen neuen Spielraum. Das macht sie für die EU interessant, die bereits seit Jahren die Öffnung der Grenze zur Republik Armenien fordert. Berliner Zeitung

Die langjährige Feindschaft zwischen Armenien und der Türkei scheint zu Ende zu sein. Beide Länder wollen die Grenze öffnen. Was bleibt ist eine unaufgearbeitete Völkermord-Debatte. taz

…one more thing!!

Japans neuer Regierungschef will noch mehr Geld ausgeben als sein Vorgänger. Dabei leistet sich Nippon schon jetzt die höchsten Schulden unter den Industriestaaten. Die Regierung hat Anleihen ausstehen, deren Wert der Wirtschaftsleistung von zwei Jahren entspricht. Das Land steuert auf den finanziellen Kollaps zu. Handelsblatt

Leitartikel

Regierungsbildung in Erfurt, Dresden und Saarbrücken wird zum Wahlkampfmanöver. Denn überall ist die Abhängigkeit der beiden großen Parteien von den kleinen deutlich. Das gibt den Wählern einen zusätzlichen Anreiz, bei der Bundestagswahl die FDP, die Grünen oder die Linke zu unterstützen. FAZ

Steuern, aber wohin? Die Liberalen wollen mit einem Steuerkonzept punkten, an das sie offenbar selbst nicht glauben. Auch wenn Wahlkampf ist: Etwas mehr Aufrichtigkeit täte der Partei gut. Financial Times Deutschland

Der anachronistische Zug, gibt es keine schwarz-gelbe Mehrheit? Die Welt

Die Wahlkampf-Lüge, Stillhalteabkommen zwischen Industrie und Regierung AZ München

Täter und Opfer. Im Osten Europas ist die Geschichte noch immer eine Macht – und gleichzeitig Tagespolitik, so wie der Streit um Pipelines oder abtrünnige Provinzen. Und doch: Die Konflikte um die entsetzliche, hochkomplexe und deshalb so europäische Geschichte dieser Region sind überwindbar. Süddeutsche Zeitung

Europas lange Heilung: Kaczynski, Merkel, Putin – drei Reden zum 70. Jahrestag des Angriffs auf Polen. Die Lehre aus der kriminellen Kriegsgeschichte kann sich nicht in Reue erschöpfen, sie ist politisch zu ziehen. Frankfurter Rundschau

Augenmaß ist das Gebot der Stunde. Es wäre hilfreich für das soziale Klima in diesem Land, wenn sich diese Erkenntnis in den Chefetagen herumsprechen würde. BILD

Social Security: Inflation is nonexistent, so why should seniors get a raise? USAToday

The Obama Slide. Most Americans still admire the president and want him to succeed. But if he doesn’t proceed in a manner consistent with the spirit of the nation and the times, voters will find a way to stop him. New York Times