Urteil zur Fünf-Prozent-Hürde, Euro-Krise, Berlusconi, Iran & Diplomaten

Immer auf die Großen Das Urteil des gespaltenen Karlsruher Senats soll wohl europafreundlich sein, ist es aber nicht unbedingt. Das Europäische Parlament wird mit der Abschaffung der Fünf-Prozent-Klausel eher destabilisiert, der deutsche Einfluss wird sinken. FAZ

Europa hat kein Parlament Die Bundesverfassungsrichter in Karlsruhe sagen, die Fünf-Prozent-Hürde verstößt bei der Wahl zum Europa-Parlament gegen die Grundsätze der Wahlrechtsgleichheit. Dieses Urteil enthält verschiedene Botschaften. Frankfurter Rundschau

Auch Bundestag muss Ein-Prozent-Parteien fürchten Das Verfassungsgericht stärkt Kleinstparteien in Europa und schwächt damit das Europäische Parlament. Ein gefährlicher Präzedenzfall für Deutschland. Die Welt

Nützlich für FDP und Linke Auch bei der Bundestagswahl sollte nun die Fünf-Prozent-Hürde fallen taz

Beschreitet Deutschland einen europäischen Sonderweg? Mit der isolierten Aufhebung der Fünf- Prozent-Sperrklausel in Deutschland werde in Europa ein „Sonderweg“ beschritten: Drei Verfassungsrichter sind dem Mehrheitsvotum des Zweiten Senats in Karlsruhe nicht gefolgt. FAZ

Ist eh schon wurst Es existiert eine seltsame Bewusstseinsspaltung in Karlsruhe: Die Sensibilität, die das Bundesverfassungsgericht auszeichnet, wenn es um den Bundestag geht, verliert ebendieses Verfassungsgericht dann, wenn es über das Europaparlament urteilt. Mit ihrer Entscheidung beleidigen die obersten Richter das Europaparlament. Ihr Sperrklausel-Urteil ist ärgerlich, mehr noch: Es ist hanebüchen. Es schwächt die europäische Demokratie. Süddeutsche Zeitung

Steine statt Brot Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zu Europa sind häufiger von zweifelhaftem Wert. Das galt 2009 für das grundlegende Urteil zum Lissabon-Vertrag, den das Gericht passieren ließ, wo es aber versuchte, den Primat des Bundestages festzuschreiben. Bonner General-Anzeiger

Das Rütteln an der Hürde Die Fünf-Prozent-Hürde hat gewichtige Nachteile – ihre Vorteile überwiegen. Augsburger Allgemeine

Euro-Krise

Wenn gedopte Staaten Angst bekommen Deutschland und die Niederlande brauchen Griechenland in der Währungsunion. Nur so erhalten sie sich ihren Wettbewerbsvorteil durch einen billigeren Wechselkurs. Der Fall Schweiz ist eine wichtige Lektion. Financial Times Deutschland

Barroso warnt Europa vor einer Spaltung EU-Kommissionspräsident Barroso mahnt in der Krise zu Einigkeit: Eine Spaltung in EU und Euro-Zone würde nicht funktionieren. An Deutschland appelliert Barroso, es solle seiner Führungsrolle in der EU gerecht werden. Während Kanzlerin Merkel auf eine rasche Änderung der EU-Verträge drängt, werden in ihrer Partei die Rufe nach einer freiwilligen Austrittsoption für Euro-Defizitsünder lauter. Süddeutsche Zeitung

Euro-Krise erreicht die nächste Dimension Alle Hoffnungen sind erledigt, dass es gelingen könnte, die Krise regional einzudämmen. Am Ende werden auch Angela Merkel und Nicolas Sarkozy nicht umhin kommen, die gerade getroffenen Gipfelbeschlüsse nachzubessern. Berliner Zeitung

Vom Reißbrett In großer Einmütigkeit präsentierten die fünf Wirtschaftsweisen mit ihrem Jahresgutachten den Vorschlag eines europäischen „Schuldentilgungsfonds“. Das ist umso erstaunlicher, als bislang ein Riss durch die Gruppe ging. Börsen-Zeitung

Frankfurter Götzenanbetung Es gibt eine Institution, die die Euro-Rettung boykottiert und jeder demokratischen Kontrolle entzogen ist – und trotzdem finden sie alle toll: Die Bundesbank. Financial Times Deutschland

CDU-Rebellen machen gegen Euro-Rettung mobil Beim Leipziger Parteitag will die CDU ihre Europapolitik noch ausrichten. Der Parteibasis gehen die Überlegungen nicht weit genug. Ein prominenter Euro-Kritiker und seiner Mitstreiter wollen harte Regeln durchsetzen. Handelsblatt

Silvio Berlusconi

Ciao, Cavaliere Als Erlöser, der aus dem Nichts ein viele Milliarden schweres Unternehmen schuf, stieg Silvio Berlusconi in die Politik ein. Nun ist er als italienischer Ministerpräsident gescheitert – vor allem, weil er stets mehr versprach, als er einlösen konnte. FAZ

Mit dem Politiker stürzt der Unternehmer Bald ist das italienische Silvio-Jahrzehnt vorbei – und das nicht nur in der Politik. Denn in den vergangenen Jahren profitierte der Unternehmer Berlusconi stets vom Premier Berlusconi. Nun gefährdet sein angekündigter Abgang das Firmenimperium. Es gibt bereits erste böse Vorzeichen. Süddeutsche Zeitung

Die gefährliche Leere hinter Berlusconi Der „Cavaliere“ geht. Endlich – mögen viele sagen. Doch wirklich groß ist die Freude nicht. In Rom mangelt es an politischen Alternativen. Es droht ein Vakuum – und ein Desaster für Europa. Financial Times Deutschland

Berlusconis Fall Schon die Ära Berlusconis war eine Hängepartie – sein Fall ist es erst recht. Vieles in Italien erinnert derzeit fatal an die politische Agonie in Griechenland. FAZ

Italiens schleichendes Gift Die antidemokratische Politik Berlusconis lässt sich wohl revidieren. Schwerer wird es, die Folgen seiner Unkultur der Lüge zu kurieren ZEIT

Italien nach Berlusconi – Erwacht, doch nicht erlöst Italien ist plötzlich gezwungen, aus einem selbst gewählten Albtraum zu erwachen. Der Schatten des Mannes, der Politiker wurde, „um nicht im Gefängnis zu landen“ wird aber auch nach seiner Abwahl über dem Land schweben. Tagesspiegel

Der italienische Patient mit den sieben Leiden Italien ist der kranke Mann Europas. Berlusconis Nachfolger wird es schwer haben. Die neue Regierung muss sofort einen Haufen ökonomischer Probleme angehen. Handelsblatt Online diagnostiziert die sieben Krankheiten. Handelsblatt

Italienische Aufgaben Die Kurse italienischer Staatsanleihen brechen ein. Aber das Land muss die Krise allein bewältigen – Hilfe wäre fatal. Das Land hat industrielle Substanz. FAZ

Iran

Irans Bombe kann keiner mehr ignorieren Das fortgeschrittene Stadium der iranischen Atombombe wird für Israel zur lebensbedrohlichen Gefahr, der sich auch europäische Politiker nicht mehr verschließen können. Die Welt

Zweifel an Israels Zerstörungskraft Der IAEA-Bericht nur Propaganda, Israels Angriffspläne nichts als Säbelrasseln: Iran spielt den Konflikt mit dem Western herunter. Teheran sei auf alle Szenarien vorbereitet. Die Einschätzung von Militärexperten dürfte die Iraner bestärken: Israel sei gar nicht in der Lage, durch einen Angriff das Atomprogramm lahmzulegen. Süddeutsche Zeitung

Israel macht keine leere Drohung Im Konflikt um Irans Atomprogramm ist die Lage so ernst wie nie. Ob ein Waffengang verhindert werden kann, hängt von der Schärfe neuer Sanktionen ab – und von der Haltung Russlands und Chinas Financial Times Deutschland

Westerwelle am Zünder Baut Iran nun an der Atombombe? Ist die Gefahr so akut, dass aus Israels Säbelrasseln Krieg werden könnte? Über militärische Optionen solle niemand diskutieren, antwortet Außenminister Westerwelle. Es hat ihn allerdings niemand gefragt. Tagesspiegel

Gescheiterte Sanktionspolitik Der Ruf nach härteren Sanktionen gegen Iran ist nur hilflos taz

Why Obama Should Take Out Iran’s Nuclear Program The Case for Striking Before It’s Too Late Foreign Affairs

Diplomatenstatus

Wenn Hausangestellte wie Putzlumpen behandelt werden Sie wurde wie eine Leibeigene gehalten: Musste bis spät abends schuften, sich schlagen und demütigen lassen. Die Geschichte einer indonesischen Hausangestellten hört sich an wie aus der Antike, doch sie soll sich im heutigen Berlin abgespielt haben. Trotzdem wird der Fall vor Gericht nicht verhandelt – denn den Beschuldigten schützt sein Status als Diplomat. Süddeutsche Zeitung

Rechtsfreie Botschaften in Deutschland In Deutschland scheinen Diplomatenwohnungen rechtsfreie Räumen zu sein. Dabei heißt es in Artikel eins des Grundgesetzes unmissverständlich: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Berliner Zeitung

Misshandlung – Klage gegen Diplomaten abgewiesen Über Monate soll in Berlin ein saudischer Diplomat seine Haushälterin misshandelt haben. Ihre Forderung nach Entschädigung findet vor deutschen Gerichten aber kein Gehör – denn er genießt diplomatische Immunität. Anwälte wollen nun vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. Berliner Morgenpost

…one more thing!

Rüstungskontrolle in Gefahr Wenn der Bundestag nicht verhindern hilft, dass das Verbot für Streumunition eingeschränkt wird, schadet er dem deutschen Ansehen weltweit. Frankfurter Rundschau

Leitartikel

Europas Vielfalt frustriert Bedroht ein Pirat die Entscheidungsfähigkeit des EU-Parlaments? Ist Europa gelähmt, wenn künftig auch ein Vertreter der Rentnerpartei für Deutschland in Straßburg abstimmen darf? Wohl kaum. Financial Times Deutschland

Europa an einem Wendepunkt Der griechische Ministerpräsident muss abdanken, die Ära seines italienischen Amtskollegen kommt durch Druck von außen an ihr Ende: Nie zuvor ist so drastisch vorgeführt worden, dass die EU tatsächlich zu einer Schicksalsgemeinschaft geworden ist. FAZ

Letzte Zuckungen des Systems Berlusconi Silvio Berlusconi hat das moderne, hedonistische Italien geschaffen. Er hat Politik und Unterhaltung verschmolzen, Medien und Justiz korrumpiert – und das deformierte Land nun mit sich in die Tiefe gezogen. Die Krise ist noch nicht überstanden, am Ende aber wird die Demokratie auch in Italien für die nötige Korrektur sorgen – und ihre Würde bewahren. Süddeutsche Zeitung

Italiens verlorene Jahre Die Epoche von Berlusconis dreifacher Regierungsmacht erweist sich für Italien als vergeudete Zeit. Er wollte alte Verkrustungen lösen und ist vollkommen gescheitert Die Welt

Berlusconis Schuld Hoffentlich meint er es ernst: Berlusconis angekündigter Rücktritt ist eine der besten Nachrichten seit langem AZ München

Drohung und Gegenschlag Vielleicht muss der Iran wie eine Atommacht behandelt werden, wenn man verhindern will, dass er zu einer wird. Frankfurter Rundschau

Ein guter Tag für Väter Das niederträchtige Versteckspiel der Mutter hat nicht länger den Segen von Recht und Gesetz. Das war überfällig! BILD

Westdeutsche, auch euer Land ist untergegangen Den Ostdeutschen wird oft vorgeworfen, die Vergangenheit zu verklären. Doch die Sehnsucht nach der Zeit vor 1989 ist im Westen größer. ZEIT

Rome After Silvio Berlusconi changed the face of Italian politics. Parties on both sides of the aisle may find it difficult to go on without him. Wall Street Journal