Steuerpolitik, Merkel, Westerwelle, Obama & Afghanistan

Mit Vollgas in den finanzpolitischen Nebel. In der schwarz-gelben Finanzpolitik passt nichts zusammen. Im Bundeshaushalt fehlen in den kommenden vier Jahren mehr als 250 Milliarden Euro. Gleichwohl wollen Union und FDP die Steuern um rund 24 Milliarden Euro im Jahr senken. Wie soll das funktionieren? FAZ

Die große Steuerreform war Ziel der FDP. Jetzt wird sie für diese Legislatur vom christdemokratischen Finanzminister Schäuble ausgeschlossen. Was nun? Die Welt

Woher nehmen, wenn nicht stehlen? Schäuble weckt Träumer auf Nürnberger Zeitung

Entzauberte Protestpartei. Die CDU hat es auf die Demontage der FDP abgesehen, die ihr einen Teil der eigenen Klientel abspenstig machte. Tatsächlich dürfte die FDP durch Regierungsverantwortung entzaubert werden. taz

Eine Reform zu viel. Kopfpauschale im Gesundheitssystem ist nicht per se unsozial. Sie passt bloß nicht zu den Plänen der neuen Regierung, die Steuern zu senken. Die Zeit

Gegenwind, Schwarz-Gelb drückt sich um Steuerwahrheit herum NRZ

Steuersenkungsversprechen im Wahlkampf sind ähnlich seriös wie Diät-Reklame: Sie wiederholen sich regelmäßig alle vier Jahre, stimmen aber selten. Dennoch wird gern daran geglaubt, auch wider besseres Wissen. Berliner Morgenpost

Wahr ist aber vor allem: Union und FDP sind nicht naiv gewesen. Die Steuersenker in beiden Lagern haben mit Macht eine Wahl gewinnen wollen, und dafür haben sie bewusst die Augen vor der finanzpolitischen Lage verschlossen. Der Bürger auch. Lausitzer Rundschau

Erst ab 2010 wird über den von der FDP geforderten Steuerumbau entschieden. Kanzlerin Merkel hat damit den Koalitionsstreit über die Realitätsferne von Steuersenkungen vertagt. Sie baut darauf, dass der politische Alltag die Verfechter von Wahl- versprechen ganz allein einholt. Thüringer Allgemeine

Mit Krisen in der Koalition, das weiß jeder Hobbyökonom, war noch nie gut Krisenbewältigung. Dass ausgerechnet die FDP im Zentrum der Konflikte steht, muss niemanden wundern. Keine andere Partei hat vor der Wahl so pointiert gesagt, was sie nach der Wahl inhaltlich umsetzen will. Und keine andere Partei hat sich für die Einhaltung ihrer Wahlversprechen so ausdrücklich selbst in Haftung nehmen lassen. Tagesspiegel

Steuerschätzung eröffnet keine neuen Spielräume. An diesem Dienstag werden die Steuerschätzer in Hamburg ihre Arbeit aufnehmen. Am Donnerstag wird das Ergebnis vorliegen. Fest steht aber schon jetzt: Es wird die Finanzierung der geplanten Steuersenkungen nicht wesentlich erleichtern. FAZ

Merkel’s bold gamble. In going for economic growth rather than a reduced deficit, the chancellor is staking her second term on the success of policies she long rejected and still admits may not work Financial Times

Merkel vor dem US-Kongress

Angela Merkel wird die Ehre zuteil, vor dem amerikanischen Kongress zu sprechen. Keine leichte Aufgabe in einer Zeit, in der die Amerikaner Militärhilfe erwarten. Die Welt

Ihr eigenes Bild. An diesem Dienstag hält Angela Merkel eine Rede vor den amerikanischen Abgeordneten und Senatoren. Erst ein Mal hat ein deutscher Kanzler vor dem US-Kongress sprechen dürfen: Konrad Adenauer. Gibt es Parallelen zwischen den beiden Auftritten? Tagesspiegel

Deutschland ist Amerikanern ein leuchtendes Beispiel und Angela Merkel die Personifizierung einer großen amerikanischen Idee: Es lohnt sich, für Freiheit und Demokratie zu kämpfen. So, wie es die USA zur Befreiung Deutschlands vom Faschismus bis 1945 getan haben. Dass aus solch einem Einsatz wirklich eine bessere Welt entstehen kann, dafür gibt es in amerikanischen Augen keinen besseren Beleg als die mit ihrer Hilfe entstandene demokratische, vereinigte, prosperierende Bundesrepublik. Berliner Zeitung

Große Aufgaben für Adenauers Erbin. 20 Jahre nach dem Mauerfall spricht Angela Merkel an diesem Dienstag in Washington vor beiden Kammern des Kongresses – eine Einladung von größter Bedeutung. Beim ersten Besuch der wiedergewählten Kanzlerin bei Präsident Obama wird es freilich nur am Rande um Geschichtliches gehen. FAZ

Die seltene Einladung steht aber auch für die Hoffnungen und Erwartungen, mit denen die US-Politik die neue Bundesregierung begleitet. Frankreich, Großbritannien und Italien stehen deutlich im zweiten Glied. Doch mit dem am Wochenende erklärten Ziel, den Klimaschutz-Prozess bei ihrem Auftritt voranzubringen und damit den Kopenhagen-Gipfel vor dem Scheitern zu bewahren, hat Merkel die Messlatte hoch gelegt – vermutlich sogar etwas zu hoch. Schweriner Volkszeitung

Jenseits der Rituale. Die Kanzlerin fährt nach Washington. Es wäre an der Zeit, ein neues Thema anzusprechen – die Demokratie im eigenen Land. Die Zeit

Außenminister Westerwelle

Antrittsbesuch in Paris: Verhalten kommentiert Außenminister Westerwelle den Verbleib des afghanischen Präsidenten Karzai im Amt. Dem französischen Kollegen Kouchner versichert er, „seine Generation habe die deutsch-französische Freundschaft in den Genen.“ FAZ

Der neue Außenminister hat seine Rolle noch zu lernen. Auf der einen Seite darf er nicht im Schatten der Kanzlerin in Deckung bleiben. Aber wie ein Oppositionspolitiker auftreten sollte er auch nicht. Handelsblatt

Werben für Atomwaffen-Abzug aus Deutschland. Außenminister Westerwelle beruft sich bei seinen Antrittsbesuchen in Den Haag und Paris auf Obamas Vision einer nuklearfreien Welt. Süddeutsche Zeitung

Steinmeier hätte nach Polen und Frankreich wohl Russland besucht. Dem einstigen Weltpolitiker Fischer wäre es nie eingefallen, zwischen Warschau und Paris einen Zwischenstopp in Den Haag einzulegen. Gerade mit diesem Besuch aber, dem als Nächstes Aufwartungen in Belgien und Luxemburg folgen werden, nimmt Westerwelle eine bewährte schwarz-gelbe Tradition wieder auf. FAZ (Print)

Die erste Runde ist geglückt. Die Show allerdings gehört der Kanzlerin, der heute die Ehre zuteil wird, vor dem US-Kongress zu sprechen. Und das könnte das bleibende Dilemma des Außenministers Westerwelle werden – die Vorgänger hatten hatten bereits Ähnliches erfahren: Wann immer es ernst wird, wann immer es „gipfelt“ in der Außenpolitik, betreten die Chefs selbst das Parkett. Märkische Oderzeitung

Ein Jahr Obama

Ein Jahr danach, Am 4. November wurde Barack Obama gewählt NRZ

Ja, wir könnten. Vor einem Jahr wurde er zum US-Präsidenten gewählt. Die Hoffnungen waren groß. Doch die USA sind nicht so progressiv, wie es Barack Obamas Sieg erscheinen ließ Tagesspiegel

One year of The One. He has achieved more than his critics claim, but the meat is yet to come Economist

Afghanistan

Karzai ein Sieger mit Flecken. Nach einem Wahlvorgang, der am Anfang ein Betrug und am Ende eine lebensbedrohliche Farce war, bleibt der afghanische Präsident Karzai im Amt. Der mutmaßlich wichtigste Partner des Westens ist ein Mann von beschränkter Legitimität und zweifelhaftem Ruf. FAZ

Afghanistan hat einen neuen alten Präsidenten: Doch Hamid Karsai fehlen Legitimation und Macht. Die USA brauchen jetzt einen neuen Plan für Afghanistan. Süddeutsche Zeitung

Karsai trickst alle aus. Dass die Wahl in Afghanistan zu einem absurden Trauerspiel verkam, ist nicht nur Karsais Schuld. Vor allem die USA haben allzu oft dilettantisch agiert Frankfurter Rundschau

Moral kommt später. Eine Nachwahl gibt es nicht. Dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai fehlt folglich das demokratische Mandat. Doch entscheidend ist etwas anderes. Tagesspiegel

Nach dem Wahldebakel in Afghanistan gibt es nur eine Möglichkeit, Präsident Hamid Karsai dazu zu bewegen, sich mehr um die Zukunft Afghanistans zu sorgen. Die Welt

Rückfall ins Chaos. Die Absage der Stichwahlen in Afghanistan war unter den gegebenen Bedingungen die einzig vernünftige Lösung. Denn eine wirkliche „Wahl“ hatten die Afghanen ohne Gegenkandidaten ohnehin nicht. taz

„Es war richtig, die Wahl abzusagen“ Interview mit dem Grünen-Abgeordnete und Afghanistan-Experte Tom Koenigs über die abgesagte Stichwahl, mangelnde Legitimation von Präsident Karsai und Konsequenzen für den Westen im Tagesspiegel

Konsequenz sollte sein, dass die internationale Gemeinschaft den unterschiedlichen ethnischen Gruppen in den Regionen mehr Autonomierechte einräumt und sie an der Zentralregierung beteiligt. Das wäre zwar noch keine Demokratie, aber etwas weniger Scheitern. Berliner Zeitung

„Ich verstehe jeden, der sagt, in Afghanistan ist Krieg“, Verteidigungsminister Guttenberg im Interview mit der BILD

Afghanistan: Too Big to Fail? Why do America’s leaders always opt for „more“ in counterinsurgency disasters rather than cutting their losses? The Nation

… one more thing!

Klimabremserin Merkel. Die Kanzlerin hat verhindert, dass die EU ihren Beitrag für den Klimaschutz in armen Ländern beziffert. Sie liefert dem Rest der Welt den Vorwand, solche Zusagen ebenso zu verweigern. Financial Times Deutschland

Leitartikel

Angela Merkels schwierige Rede, Washington braucht keine Klima-Belehrung, sondern Militärhilfe Die Welt

Der Amoklauf der FDP. Die Liberalen meinen es ernst mit niedrigeren Steuersätzen. Damit wird Merkels Juniorpartner zum echten Problem und erschwert unnötig die Krisenbewältigung. Frankfurter Rundschau

Ade, Alleinherrschaft. Der Wahlkalender erlaubt der CSU keine taktischen Spielchen. Am 27. September dieses Jahres wurde der Bundestag gewählt, am 28. September des Vorjahres der Bayerische Landtag. Beide Wahlen führten zu schwarz-gelben Koalitionen. weiter FAZ (Print)

Die neue Regierung hat jetzt eine große Chance: bei der Rentensteuer die Fehler der Vorgänger abzuräumen und neu anzufangen. Mit einer rückwirkenden Steueramnestie für säumige Senioren. Und einer einfachen, klaren und verständlichen Besteuerung ab 2010. BILD

Immer an die Kleinen. Das Schachern um die prestigeträchtigsten Posten in Brüssel ist in vollem Gange. Schon jetzt muss Deutschland die Folgen dafür tragen, dass es so spät ins Rennen eingestiegen ist. Financial Times Deutschland

Ein Hauch von Tokio. Die Nadelöhr-S-Bahn-Politik ist längst an ihre Grenze gestoßen AZ München

Congress misses the point of reform. More than a year after the US financial emergency went critical, the underlying causes have yet to be addressed. When it comes to improving financial regulation, the crux of the matter, there has been a lot of talk – usually about the wrong things – and next to no action Financial Times

Talking with Iran — and sending a message. The country’s democrats — and its leaders — need to know that the U.S. is concerned about more than Tehran’s nuclear program. Los Angeles Times