Wahlkampf, Mindestlöhne, Spähaffäre, Fed, Syrien & Marcel Reich-Ranicki

Es geht um die Wirtschaft, Dummkopf! Weder von der NSA-Ausspähmanie noch dem Drohnendebakel oder der Pädophilenaffäre hängt Deutschlands Zukunft ab. Und schon gar nicht von Neiddebatten. Was das Land braucht, ist ökonomische Vernunft. Die Welt

Ein halber Grund für die AfD Die Alternative für Deutschland kann man allenfalls aus Verlegenheit wählen: Weil keine andere Partei die Euro-Gegner vertritt. Letzter Teil unserer Wahlempfehlungen ZEIT

Merkel kapert Roland Kaiser Er war hier mal Parkplatzwächter, sie ist als Baby in der Tragetasche aus der Stadt gebracht worden: Kanzlerin Merkel und SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück machen zeitgleich Wahlkampf in Hamburg. Sie lässt sein Lied anstimmen, er hätte ein kurioses Ministeramt für sie parat. Süddeutsche Zeitung

Die Monstermutti Es wird Zeit, dass Merkels innerparteiliche Gegner erkennen, dass sie „Mutti“ nichts anhaben können. Frankfurter Rundschau

Tückisches Wahlrecht, listige Kreuze Bundestagspräsident Lammert kritisiert das Buhlen um Leihstimmen bei der Bundestagswahl. Der Streit zwischen Union und FDP hat vor allem eine Ursache: die Änderung des Wahlrechts. FAZ

Erst- und Zweitstimme Die Kanzlerin sagt es, der CDU-Generalsekretär sagt es: „Wir haben keine Stimmen zu verschenken.“ BILD

Im Falle eines Falles Die extreme Personalisierung dieser Bundestagswahl auf Angela Merkel und Peer Steinbrück hat zu einer fatalen Konsequenz geführt.
Bonner General-Anzeiger

Schwarz-Gelb streitet bis zum Ende Das Problem bei Rüstungsexporten ist, dass Lieferentscheidungen im Verborgenen und abseits jeder demokratischen Kontrolle getroffen werden. Berliner Zeitung

Reinkommen, egal wie Die FDP kämpft um den Einzug in den Bundestag. Und wildert unter Unionswählern um Zweitstimmen. Führende Parteimitglieder sind entsetzt. stern

Zu prominent, um Piraten zu gefallen Die Eheleute Domscheit-Berg sind die bekanntesten Figuren im Wahkampf der Piraten. Sie streben nach Einfluss und treten öffentlich auf – genau das macht sie in ihrer Partei verdächtig. An den Domscheit-Bergs zeigt sich das Dilemma der Piraten, die mit ihren Visionen kaum duchdringen, weil sie sich dem politischen Spiel verweigern. Süddeutsche Zeitung

Einmischung im Wahlkampf Wahlempfehlung von der Krankenkasse? SPD und Grüne werfen privaten Versicherern vor, per Post Stimmung gegen die von der Opposition propagierte Bürgerversicherung zu machen. Süddeutsche Zeitung

Unternehmer leisten Wahlkampfhilfe für die FDP Die schwächelnden Liberalen erhalten überraschend Hilfe aus der Wirtschaft. Zwei große Unternehmensverbände setzen auf den Wiedereinzug der FDP in den Bundestag und auf die Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition. Handelsblatt

Göttinger Verhältnisse Zu Jürgen Trittins Stärken zählte nie die Fähigkeit zur Selbstkritik. Fehler gestand er stets nur mit Verspätung ein. Seine Reaktion auf die Pädophilie-Vorwürfe sind nicht das einzige Beispiel. FAZ

Die Grünen und der Barolo-Effekt Jahrelang haben die Grünen einem bestimmten Wählertypus ein unwiderstehliches Angebot gemacht. Nun haben sie viele mit ihren Steuernplänen, dem Veggie-Day und der Pädosexuellen-Affäre verschreckt. Tagesspiegel

Trittin am Pranger Franz Walter betreibt die Aufarbeitung der Grünen-Geschichte als Kriminalwissenschaft. Mit historischer Forschung hat das wenig zu tun. taz

Stimmvieh macht auch Mist Nichtwähler pflegen in Ostdeutschland eine ehrenwerte Tradition. Von vermeintlich besseren Demokraten werden sie – wie in der DDR – dennoch verteufelt. Eine Bankrotterklärung. stern

Bouffiers Pointe beim Wer-mit-wem-Spiel Hessens Ministerpräsident pflegt in der TV-Spitzenrunde seinen onkelhaften Wahlkampfstil. SPD-Kontrahent Schäfer-Gümbel fährt gut damit, nicht zu attackieren. Nur der Grüne Al-Wazir und FDP-Mann Hahn triezen sich immer wieder mal. Interessanter ist aber, was nach der Sendung passiert. Süddeutsche Zeitung

Wo Merkel Mamusia ist Nicht jeder geht so weit die niederländische Zeitung „Volkskrant“, die es „ungerecht“ findet, „dass nur die Deutschen abstimmen dürfen“ am Sonntag. Die Wahlen gingen „alle Europäer an“. Die Bundestagswahlen werden von den Nachbarn mit Argusaugen beobachtet. AZ München

The Sleepwalking Giant Germany’s Boring Election is Bad News For Europe Foreign Affairs

Mindestlöhne

Mein Mindestlohn, Dein Mindestlohn Je näher die Wahl rückt, desto plumper werden die Versuche, Nachrichten auszuschlachten. Die Tarifpartner der Zeitarbeit erhöhen ihren Mindestlohn auf 8,50 Euro. Von der Leyen sieht das als ihren Erfolg und gleichzeitig als Beweis, dass Mindestlöhne auch ohne den Gesetzgeber zustande kommen. Schon das ein Widerspruch. WAZ

Kampf gegen Billigmasche Der Streit um den Mindestlohn ist zwar nicht zum polarisierenden Thema im Wahlkampf geworden, wie es die Opposition geplant hatte. Dennoch trägt der Kampf gegen niedrige Löhne Früchte. Stuttgarter Zeitung

Mindestlöhne und Versäumnisse Kurz vor der Bundestagswahl beglückt die Bundesregierung mehr als eineinhalb Millionen Arbeitnehmer mit einem erhöhten Mindestlohn. Bauarbeiter und Gebäudereiniger dürfen sich freuen. Märkische Oderzeitung

„Behandelt wie Vieh” Niedersachsen ist Deutschlands „Fleischgürtel”. Der Erfolg der Branche wird jedoch von den schlechten Arbeitsbedingungen überschattet. Im Zentrum der Diskussionen steht die Einführung eines Mindestlohns: Die alte Forderung der Sozialdemokraten hat sich nun auch in der CDU durchgesetzt. Le Monde Paris

NSA-Affäre

Schön, dass ihr da wart Sie wollen die Warten-wir-es-mal-ab-Haltung der Kanzlerin in Sachen NSA brechen: Autorin Juli Zeh und 20 andere Schriftsteller versammeln sich vor dem Kanzleramt. Sie lesen vor und übergeben Unterschriften. Am Ende können sie sich nur darüber freuen, sich mal wieder getroffen zu haben. Süddeutsche Zeitung

Reformbedarf Der jüngste Skandal dürfte Wasser auf die Mühlen der Kritiker sein. Der Verfassungsschutz in Niedersachsen hat über Jahre hinweg Journalisten bespitzelt, die im extremistischen Milieu recherchiert haben. Nordwest Zeitung

Der Preis der Bequemlichkeit Datenschutz im Internet NZZ

Geheimgericht rechtfertigt Überwachung von Telefonen Der „Foreign Intelligence Surveillance Court“ veröffentlicht, warum der Geheimdienst NSA seiner Meinung nach die Telefon-Kommunikationsdaten von Amerikanern ohne Anlass speichern darf. Die Argumente überzeugen nicht alle – längst ist ein juristischer Streit ausgebrochen, bei dem es um die Interpretation der Verfassung im digitalen Zeitalter geht. Süddeutsche Zeitung

Mark Zuckerberg’s Advice to the NSA: Communicate Facebook learned the power of transparency the hard way. The Atlantic

Zinsentscheid der US-Zentralbank

Übervorsichtige Fed Der Einstieg in das Ende der quantitativen Lockerung könnte sich deutlich länger hinziehen, als es der Fed-Vorsitzende Bernanke skizziert hatte. Besser kann man nicht demonstrieren, dass die Notenbank sich schon lange am Schlepptau der Fiskalpolitik willig führen lässt. FAZ

Salto rückwärts statt Zinswende Ben Bernanke blamiert sich, die US-Notenbank und die Zunft der Währungshüter. Der Ausstieg aus der Zeit des billigen Geldes ist doch schwieriger als zuvor behauptet. Handelsblatt

Warum es falsch ist, dass die Fed weiter so viele Anleihen kauft Der US-Wirtschaft geht es wieder besser. Trotzdem lässt die Notenbank das Geld billig. Das kann nicht gut gehen, denn sie müsste nun das Suchtmittel absetzen. ZEIT

Überraschung vom Fed Die amerikanische Zentralbank hat die Erwartung an den Finanzmärkten geschürt, dass die aussergewöhnlich expansive Geldpolitik der Institution sich ihrem Ende nähere. Im Herbst könnte ein Ausstieg aus der Politik der quantitativen Erleichterung beginnen. NZZ

Warum die USA mit der Inflation spielen Lahmende Konjunktur, hohe Schulden – alles kein Problem, lässt Ben Bernanke die Welt wissen und setzt auf Inflation. Gut für Anleger, die Edelmetalle besitzen. Wirtschaftswoche

Syrien

Bedenkliche Geschäfte Frieden in der Welt predigen und weltweit als drittgrößter Waffenlieferant Geld scheffeln – im Neuen Testament gibt es dafür eine Bezeichnung: Pharisäer WAZ

Die UN sind leider unverzichtbar Was tun die UN für uns, fragen die Syrer. Wenig, die Mehrheit ihrer Mitglieder sind Diktaturen. Aber immerhin verhandeln sie dort miteinander. ZEIT

Die neuen sanfte Töne sollen den Westen einlullen Der Mär von einem gewandelten Iran widersprechen die Kommentare hochrangiger Regimevertreter. Sie verhöhnen die USA wegen des Verzichts auf einen Militärschlag gegen das syrische Regime. Die Welt

Neue Prioritäten im Orient Der Syrien-Konflikt bewirkt im Orient eine Neuordnung der Kräfte. Die Vereinbarung zur Kontrolle von Syriens C-Waffen markiert einen Anfang. Auch Israel muss sich auf die strategischen Veränderungen einstellen. NZZ

The Geneva Conversion The agreement on Syria’s chemical weapons reached by Russia and the US is important not so much for what it could mean on the ground, which remains to be seen. Rather, the agreement’s main significance consists in the fact that it was struck at all. Project Syndicate

Zum Tod von Marcel Reich-Ranicki

Ein sehr großer Mann Marcel Reich-Ranicki ist tot. Der größte Literaturkritiker unserer Zeit verkörperte, in Verfolgung und Ruhm, das zwanzigste Jahrhundert. Er war ein permanenter Protest gegen Langeweile und Mittelmaß. Niemand vermochte einer ganzen Gesellschaft die Bedeutung von Literatur so zu vermitteln wie er. FAZ

Der Mann, der uns das Lesen lehrte Meistgelesen, meistbeachtet, meistgefürchtet: Der Popstar der Literaturkritik, Marcel Reich-Ranicki, war ein umstrittener Zeitgenosse. Nun endet sein Wirken, reich an Dramatik, Intensität – und Leidenschaft. Süddeutsche Zeitung

„Abwehr – Angriff – zack!“ Marcel Reich-Ranicki ist gestorben – und mit ihm eine Ära der Literaturkritik in Deutschland. Seinen jüdischen Humor hat er nie verloren. taz

Die Literatur war seine Heimat Er hat gelobt und gnadenlos getadelt: Wie kein anderer prägte Marcel Reich-Ranicki die deutsche Literaturkritik. Dem Land der Täter hat er einen großen Dienst erwiesen. ZEIT

…one more thing!

Berlusconi: Ich bleibe in der Politik In den nächsten Wochen entscheidet sich, ob Silvio Berlusconi aus dem Senat ausgeschlossen wird. In einer TV-Botschaft kündigt der italienische Ex-Ministerpräsident schon einmal an, auf jeden Fall weiterzumachen: „Es ist nicht der Parlamentssitz, der einen politischen Führer ausmacht.“ Süddeutsche Zeitung

Leitartikel

Ein Weichgespülter trifft den Kantenlosen Alle locker bleiben: In Hessen bemühen sich CDU und SPD um Friede, Freude, Eierkuchen. Die Kandidaten haben abgerüstet und verunsichern so die Wähler. Jeder fünfte weiß nicht, wen er wählen wird. Die Welt

Nichts zu verschenken Gewiss haben die Parteien das Recht, das Wahlrecht in ihrem Sinne einzusetzen. So tun sie so, als ob es um eine Präsidentenwahl ginge. Man soll das Wahlvolk aber nicht für dumm verkaufen, weder vor noch nach dem Urnengang. FAZ

Die kleinen Merkels Zweitstimme FDP – das ist also die finale Botschaft der Freien Demokraten. Doch eines drückt sie sicher nicht aus: Stolz und Selbstbewusstsein. Vielmehr ist sie das konsequente Finale dieses FDP-Wahlkampfs. Kleiner kann sich die Partei nicht mehr machen. Süddeutsche Zeitung

Demokratie in Gefahr „Die machen doch sowieso, was sie wollen“ – „Es ist ganz egal, wen man wählt, die sind eh alle gleich“ – „Ich weiß nicht mal, wer das kleinere Übel ist“: Das sind sie, die Sprüche der Nichtwähler. AZ München

Jede Stimme zählt Es steht Spitz auf Knopf, ob die FDP über die Fünf-Prozent-Hürde schafft. Ebenso knapp dürfte es für Schwarz-Gelb werden. BILD

Deutschland, eine Insel der Zufriedenen Die Deutschen sehen sich positiver und werden freundlicher gesehen, als viele glauben. Die Deutschen haben auch nach wie vor ein positives Bild von den USA und Präsident Barack Obama, ungeachtet der NSA-Abhöraffäre. Tagesspiegel

Koalition der Mutwilligen In Thüringen ist das Verhältnis von CDU und SPD zerrüttet. Wer Lust auf eine Große Koalition hat, dem vergeht sie beim Blick in das ostdeutsche Bundesland. ZEIT

Putins Lügen, Putins Wahrheit Manches meint Russlands Präsident Putin ernst, manches ist dreist gelogen, und es ist für die westliche Öffentlichkeit und ihre Regierungen wichtig, Aufrichtiges und Gelogenes voneinander zu trennen. Es ist nicht alles falsch, nur weil Putin es sagt. Berliner Zeitung

A Veiled Debate The burqa question is back, this time in Britain. Wall Street Journal