Wahlkampf, Mord an Menschenrechtlern, NS-Verbrecher-Urteil

Selten haben Programme so wenig gezählt wie bei dieser Wahl. Fast alles dreht sich um die Koalitionsarithmetik. Und die Politiker verstärken mit ihrer Fantasielosigkeit das Desinteresse ihrer Wähler, urteilt das Handelsblatt.

Nun, da die zuversichtliche Vorsitzende aus dem Urlaub zurück ist, legt man im Konrad-Adenauer-Haus offenbar tatsächlich einen Zahn zu. Der Auftrittsmarathon, den Angela Merkel von jetzt an absolvieren soll, ist beachtlich. […] Bleibt die Frage, welche Themen Merkel eigentlich aufs Tapet bringen will, um Unterschiede zur Konkurrenz deutlich zu machen, meint das Hamburger Abendblatt.

Steinmeier versucht eine Diskussion über seinen Deutschland-Plan zu erzwingen. Doch Merkel weicht aus – und lässt Steinmeier hilflos zurück, findet die taz

Dass die Kanzlerin auf Steinmeiers Vision für mehr Arbeitsplätze nur kursorisch eingeht, macht den Herausforderer zum Schattenboxer, der vergeblich auf seinen Gegner wartet. Noch mag es angehen, der Diskussion auszuweichen. Spätestens nach der Wahl aber sind genau solche Ideen gefragt, über die Steinmeier heute schon gern reden würde, gleubt der Kölner Stadt-Anzeiger.

Tiefe Einblicke in die Individuen der politischen Nomenklatura gewinnt die Öffentlichkeit bei deutschen, bei europäischen Wahlkämpfen ohnehin selten. Während US-Politiker sich im Wahlkampf mit Kind und Kegel, Hund und Hut, beim Angeln und Grillen, ganz Mensch, mit Spontaneität und Schwächen, Emotionen und Emphase zeigen, biedern die Wahlkämpfe hier vor sich hin, unter dem Druck „sachbezogen“ zu sein, obwohl weder Politiker noch ihre Wähler Sachen sind, meint der Tagesspiegel.

Glückliches Land, möchte man ausrufen, das sechs Wochen vor der Wahl kein wichtigeres Thema hat als die Ungeschicklichkeit seiner Gesundheitsministerin! Doch leider ist die Beschäftigung mit Nebenthemen kein Beleg für die Abwesenheit wirklicher Probleme, findet die FAZ.

Es ist ohnehin hohe Zeit, dass im Wahlkampf mehr über Inhalte diskutiert wird. Und über ein Thema, das noch alle Parteien meiden: Die Sanierung der Staatskasse nach den Rekordschulden. Werden Leistungen gestrichen, Steuern erhöht? fragt auch die Braunschweiger Zeitung.

Frank-Walter Steinmeier wäre nicht der erste männliche Gegner, den Angela Merkel durch Aussitzen erledigt. Weil die Kanzlerin so beliebt ist, verbietet es sich dem Kanzlerkandidaten, sie frontal anzugreifen. Also provoziert er sie programmatisch. Doch Merkel entzieht sich einer solchen Auseinandersetzung so weit wie möglich, urteilt die Westdeutsche Zeitung.

Steinmeier und der SPD könnte allenfalls eine Wechselstimmung helfen. Eine, die man mit den Händen greifen könnte wie nach 16 Jahren Helmut Kohl. Doch warum, fragt sich der Wähler, soll er Steinmeier gegen Merkel eintauschen? Was würde besser, was anders? fragt der Mannheimer Morgen.

Pushing for Debate. Germany’s Social Democrat candidate for chancellor accused Merkel’s conservative party of avoiding serious debate about the country’s future ahead of national elections. Wall Street Journal

Mord an Menschenrechtlern

Abermals sind Menschenrechtler in Tschetschenien ermordet worden – und in Moskau stehen Putin und Medwedjew wie die begossenen Pudel da, mit denen der tschetschenische Pitbull Katz und Maus spielt. Sie müssen das Gebaren von Präsident Kadyrow dulden – weil sie sich den Kaukasus ohne ihn nicht vorstellen können. FAZ

Kaukasische Blinddarmentzündung. In und um Tschetschenien eitert es heftiger denn je, werden weiter Polizisten umgelegt und Zivilisten verschleppt. Das System vom starken Mann, der alles entscheidet – das System Putin ist im Nordkaukasus gescheitert. Frankfurter Rundschau

Wieder mussten zwei Menschen wegen ihres Engagements für Bürgerrechte in Tschetschenien sterben. Darin zeigt sich, wie schwach letztlich die Regierung in Moskau ist. Handelsblatt

Russischer Rechtsnihilismus. Nach dem Mord an Sarema Sadulajewa und ihrem Mann in Tschetschenien: Es ist an der Zeit, Dmitri Medwedew endlich beim Wort zu nehmen. Tagesspiegel

NS-Verbrecher-Urteil

Der ehemalige Wehrmachtsoffizier Josef Scheungruber wurde jetzt mit 90 Jahren zu lebenslanger Haft verurteilt. Warum solch lange Haftstrafen trotz des hohen Alters der NS-Verbrecher sinnvoll sind. Die Welt

Mord verjährt nie. Künftige NS-Verfahren werden sich an diesem Urteil wegen Mordes zu lebenslanger Haft messen lassen müssen. Süddeutsche Zeitung

… one more thing!

Jay-Z vs. The Game, was amerikanische Außenpolitik vom Streit der beiden Rapper lernen kann Foreign Policy

Leitartikel

Der Wahlkampf kommt nicht in Gang. Auf die Polarisierungsversuche der SPD reagiert das Publikum mit müdem Achselzucken. Auf einmal, und ganz im Gegensatz zu 2005, sind die Versprechungen des Aufbruchs und die Gesten moralischer Überlegenheit hohl geworden. Die Welt

Eingesperrte Demokratie, Birmas Regime heuchelt Milde: Hausarrest statt Haft für Aung San Suu Kyi. Hauptsache, die Symbolfigur der Opposition kommt ihr bei den Wahlen nicht in die Quere. Es ist ein Urteil gegen die Freiheit. Frankfurter Rundschau

Jüngeren droht ohne Vorsorge im Alter regelrechte Armut, der Rentenkonflikt zwischen Jung und Alt. AZ München

Politikern ist das Denken der östlichen Nachbarn näher als das deutscher Banker. Wirtschaftswoche

Sal. Oppenheim – Zuverlässig überschätzt. Die Privatbank hat grundlegende Regeln der Branche missachtet. Der Einstieg der Deutschen Bank kommt einer zweiten Chance für Sal. Oppenheim gleich. Financial Times Deutschland

Es wäre so praktisch, so unkompliziert und so einfach: Man geht in den Supermarkt – und erkennt mit einem Blick, welche Produkte gesund sind und welche nicht! Möglich wäre das – mit der Lebensmittel-Ampel, die die Produkte einteilt. „Rot“ heißt ungesund, „Gelb“ einigermaßen gesund, „Grün“ sehr gesund. BILD

Die Glanzzeiten der Formel 1 sind vorbei. Daran hätte auch Michael Schumachers überraschendes Comeback nur kurzfristig etwas geändert. Süddeutsche Zeitung

Mit dem Comeback-Versuch sind Schumacher aber erstmals geheimnisvolle Fähigkeiten angedichtet worden. Denn anders ist das Urvertrauen nicht nur der Formel-1-Gemeinde in die Durchsetzungsfähigkeit nicht zu erklären. FAZ

Piëchs Auto-Union Börsenzeitung

Verjüngung in Bethlehem: Dass die Fatah ihre Generalkonferenz – es war der erste „Parteitag“ seit zwanzig Jahren – zweimal verlängern musste, lag nicht nur an den heftigen Debatten, sondern auch an der Spaltung der palästinensischen Bewegung. FAZ (Print)

Dreams From His Mother. What we can learn from the scholarship of anthropologist Ann Dunham Soetoro, President Obama’s late mother. New York Times

PhRMA Deal Puts Obama, Congressional Dems at Odds Time

Misinformation, mayhem mar debate on health care USAToday