Wahlkampf, Konjunkturförderung, Sauerland-Prozess, Lebenspartnerschaftsgesetz

Schon sieben Wochen vor der Bundestagswahl hat die Auseinandersetzung mancher Parteien derart kindische Formen angenommen, dass man die restliche Zeit bis zum 27. September eigentlich gar nicht mehr erleben möchte, meint die Süddeutsche Zeitung (Print).

Wer in solchen Zeiten Kanzler oder Kanzlerin sein will, wird zwangsläufig mehr regieren als moderieren müssen. Das gilt für den Herausforderer Frank- Walter Steinmeier, der jetzt so chancenlos dasteht. Aber das gilt auch für die Amtsinhaberin Merkel, urteilt der Tagesspiegel.

Was ist das für ein Bündnis, dessen Protagonisten sich schon lauthals streiten und unüberbrückbare Gegensätze erklären, ehe ihnen die Wähler überhaupt ein Mandat erteilt haben? fragt sich die Berliner Zeitung.

Donnerwetter, die CDU macht Wahlkampf. Obwohl: „Kamp“ ist ein zu kraftvoller Ausdruck. Das vornehme Wegducken scheint einer gewissen Bereitschaft zu weichen, politische Themen nicht mehr komplett zu ignorieren, findet die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (Print).

Konjunkturförderung

Mag sein, dass die eine oder andere Behörde mit der Arbeit, die das Konjunkturpaket II beschert, etwas überfordert ist. Das eigentliche Problem aber liegt woanders: bei den Rahmenbedingungen, meint die Märkische Oderzeitung.

Pauschal auf die Bürokratie zu schimpfen, wäre fehl am Platz. Der Bund hat sich um ein einfaches Verfahren bei der Bereitstellung der zehn Milliarden Euro bemüht, die in diesem und im nächsten Jahr unter anderem in die Sanierung von Schulgebäuden fließen sollen. Wenn es hakt, dürfte das vor allem an den Ländern liegen, die ja die kommunalen Projekte mit eigenen Mitteln bezuschussen müssen, urteilt der Bonner General-Anzeiger.

Der Plan der Bundesregierung zur Elektromobilität ist technisch anspruchsvoll. Wer glaubt, das Elektrofahrzeug der Zukunft könnte schon morgen vor der Tür stehen, irrt. […] 500 Millionen Euro im Rahmen des Konjunkturpakets II sind zwar kein Pappenstiel, aber eben auch nur ein Zehntel dessen, was die Regierung als Abwrackprämie zur Verfügung gestellt hat. Es zeigt sich, dass die Bereitschaft, in die Zukunft zu investieren, schwerer zu begründen ist als der Bestandsschutz für „alte Technologien“, so die Mitteldeutsche Zeitung.

Sauerland-Prozess

Der Hauptangeklagte Fritz Gelowicz schildert seinen Weg aus einer bürgerlichen Familie im Schwäbischen in ein Terrorlager in Nord-Waziristan. So viel Auskunftsfreude war selbst für den erfahrenen Richter ein seltenes Erlebnis. Süddeutsche Zeitung

Im Sauerland-Prozess erlaubt die Aussage eines Angeklagten erschreckenden Einblick in Seelenlage und Hemmungslosigkeit der Beteiligten. Die Welt

In der allgemeinen Begeisterung über den unerwarteten Redefluss der Angeklagten stellt sich niemand die Frage, woher deren plötzliche Kooperationsbereitschaft kommt. Sie könnte etwas mit mehreren Besuchen von Beamten des Bundeskriminalamtes und der Bundesanwaltschaft in Gefängnissen in Usbekistan und Kasachstan zu tun haben. Nürnberger Nachrichten

Das oft bemühte Bild, in Deutschland könnten Dutzende von islamistischen Schläfern auf ihren Einsatz warten, wurde in diesem Prozess nicht ansatzweise bestätigt. taz

In den usbekischen Lagern ist Deutsch Umgangssprache FAZ

Lebenspartnerschaftsgesetz

Schamhafter Aufbruch ins Normale. Es ist ein kleiner, weiterer Schritt Richtung Gleichstellung und Normalität. Heimlich hat die CSU ihre Klage gegen die Homo-Ehe zurückgezogen. Die hätte auch zum Bumerang werden können in Karlsruhe. Frankfurter Rundschau

Der Widerstand bricht: Bayerns Regierung hat die Klage gegen das „Lebenspartnerschaftsergänzungsgesetz“ zurückgezogen. Südedeutsche Zeitung

Bayern hat seine Klage gegen das Gesetz zur Homo-Ehe still und leise zurückgezogen. Auch wenn es aus der Sicht von Lesben- und Schwulenverbänden rechtlich noch viel zu tun gibt, ist der Vorgang doch ein bedeutender Schritt in Richtung Normalität. Kölner Stadt-Anzeiger

…one more thing!!

NPD ruft Mitglieder zur Schöffen-Kandidatur auf. Das „gesunde Volksempfinden“ soll in die Urteile einfließen, Strafen gegen Ausländer sollen höher werden: Die NPD forderte ihre Mitglieder auf, als ehrenamtliche Richter zu kandidieren Süddeutsche Zeitung

Leitartikel

Mit gebremster Kraft voraus. Das Siechtum der Sozialdemokraten lenkt ab von der Malaise der bürgerlichen Volkspartei. Die Union hat sich neuen Wählergruppen geöffnet – mit mäßigem Erfolg. Die alten Zeiten sind vorbei. Frankfurter Rundschau

Auch unser Wahlsystem hat einige ungerechte Seiten. AZ-München

Bildung – Überdruss am System. Die Reformen nach dem Pisa-Schock haben das deutsche Schulsystem umgekrempelt – jedoch völlig uneinheitlich. Nun müssen sich die Kultusminister endlich auf einheitliche Bildungsziele einigen. Financial Times Deutschland

Ja, spinnen die denn, die Börsen? Wir stecken mitten in der schlimmsten Wirtschaftskrise seit 90 Jahren, und der Deutsche Aktienindex (Dax) erlebt einen der steilsten Kursanstiege seiner Geschichte. Die Welt

In jeder Krise steckt eine Chance – selten hat sich eine Binsenweisheit als so richtig erwiesen wie diese. Aktuelles Beispiel: der Klimawandel. BILD

Wie geht es weiter in Iran, und – vor allem – wie soll sich die Weltgemeinschaft der Islamischen Republik gegenüber verhalten? Eine gewisse Ratlosigkeit, das ist nicht zu leugnen, herrscht allenthalben. FAZ (Print)

Als wäre nichts gewesen: Die Sperre von fünf jamaikanischen Sprintern ist wieder aufgehoben worden. An den grundsätzlichen Zweifeln an Bolt & Co. ändert dieses kuriose Intermezzo nichts. Süddeutsche Zeitung

A runaway deficit may soon test Obama’s luck Financial Times

A sure way to fight the threat of religious fundamentalism?
Healthy doubts. Los Angeles Times