Wahlkampf, Opel, CIA & Bernanke

Angela Merkel scheut die Auseinandersetzung mit Bedacht. Nicht, weil sie sich ihr nicht gewachsen fühlte. Aber in solch einer Sendung müsste sie sich vor einem Millionenpublikum als CDU-Vorsitzende positionieren und um ihre Sache streiten. Das würde ihr ganzes Konzept von der über dem Parteienhader schwebenden Kanzlerin aller Deutschen stören, vermutet die Berliner Zeitung.

Die rot-roten Gedankenspiele vor den Landtagswahlen am Sonntag werten die Linke auf. Dabei hat sich die Partei unter ihrem Chef Oskar Lafontaine radikalisiert und an Zustimmung verloren. Financial Times Deutschland

Das Coming-out der Partylöwen hat begonnen. „Ich war dabei“, bekennt als Erster FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher im Stil einer strafbefreienden Selbstanzeige und macht schon mal Amnestiegründe geltend: „Niemand schien betrunken. Es wurde nicht getanzt. Petra Roth erwähnte Goethe.“ Ob das als Entschuldigung reichen wird? fragt die Börsenzeitung

In Wahrheit entzündet sich die künstliche Debatte allein am Namen Josef Ackermann, der für das, was heutzutage schon als Skandal gilt, eine ebenso geeignete Reizfigur abgibt wie Ulla Schmidt. […] Wundern kann man sich vielleicht, mit wem manche Leute gerne Geburtstag feiern, findet die Süddeutsche Zeitung

Auch sollte eine Regierungschefin immer im Auge haben, was die Bevölkerung noch nachvollziehen kann und was nicht mehr. Am Freitag monierte Merkel bei einem Wahlkampfauftritt in Zingst an der Ostsee, die Banker hätten sich zuletzt „dumm und dämlich“ verdient. Wer so spricht, darf für den Millionen-schweren Ackermann nicht die Spesen zahlen, eint die Mitteldeutsche Zeitung.

Ulla Schmidt bekommt Gesellschaft. […] Angela Merkel wird – wenn auch nicht persönlich – nicht darum herumkommen, zu erklären, warum sie zum 60. Wiegenfest von Josef Ackermann weder Kosten noch Mühe scheute, eine vom Deutsche-Bank-Chef handverlesene Gästeschar großzügig zu Speis und Trank ins Kanzleramt einzuladen. Ausgerechnet den Rendite-Ackermann! finden die Stuttgarter Nachrichten (Print).

Wenn aus Mücken Elefanten und aus Geburtstagsessen scheinbar Staatsaffären werden: Was ist das? Das sicherste Zeichen, dass der Wahlkampf begonnen hat – und bald die nächste Sau durchs Dorf gejagt wird, urteilt die Märkische Oderzeitung.

Glückliches Deutschland, wenn es keine anderen Probleme hat als die Rechnung für ein Abendessen einiger Wirtschaftsgrößen um Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann.
Oder es sich um die Dienstwagennutzung der Gesundheitsministerin oder um bezahlte Formulierungshilfen für den Wirtschaftsminister fetzt. […] Auf Spatzen muss man nicht mit Kanonen schießen, findet Ostsee-Zeitung (Print).

Ehe der Haushaltsausschuss prüfen konnte, ob korrekt abgerechnet wurde, unterstellt die politischen Konkurrenz, es seien Steuergelder verschleudert worden. Die öffentliche Empörung wird geradezu geschürt, indem Medien mit Schlagworten wie «Sauerei« (bezogen auf den Dienstwageneinsatz) oder «Partysause« bedient werden, so die Nürnberger Nachrichten.

Es ist schon sehr interessant zu beobachten, wie »moralisch anständig« Parteien sich manchmal verhalten. […] Richtig ist aber auch, dass jeder, der Verantwortung trägt – ob er Schmidt, Merkel oder Ackermann heißt – sich fragen sollte, ob er ruhigen Gewissens in den Spiegel schauen kann, urteilt das Westfalen-Blatt.

Opel

Angeblich prüft General Motors, ob der Konzern nicht Opel behalten könnte. Das Geschrei aus dem deutschen Unternehmen kam prompt. Dabei hat die Idee ihren Charme. Doch vermutlich handelt es sich nur um eine Drohkulisse in den Verhandlungen, führt die FAZ aus.

Je länger die lange Opel-Nacht im Kanzleramt zurückliegt, umso deutlicher wird: Die deutschen Politiker, von Kanzlerin Angela Merkel bis zu ihrem Vize Frank-Walter Steinmeier, haben sich damals mächtig aufgeblasen – denn sie haben eine Rettung verkündet, die keine war, meint die Süddeutsche Zeitung.

Das hat doch was: Vier Wochen vor der Wahl finden sich die Kanzlerin und ihr Herausforderer plötzlich in einer Art Schicksalsgemeinschaft wieder. Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier, sind von der Hängepartie in Sachen Opel und General Motors kalt erwischt worden, urteilt die Kölnische Rundschau.

Es ist – trotz der transatlantischen Partnerschaft – nicht die erste Aufgabe des US-Präsidenten, wirtschaftspolitische Lieblingsprojekte der Bundesregierung zu deren Zufriedenheit zum glücklichen Abschluss zu bringen – wenngleich Obamas Administration durchaus etwas diplomatischer hätte agieren können, gibt Die Welt zu bedenken.

Opel ist das Kompetenzzentrum von General Motors in Sachen abgasarmer und sparsamer Fahrzeuge. […] Vor diesem Hintergrund verwundert es kaum, dass sich starke Kräfte im Konzernverbund dagegen wehren, die deutsche Marke auf- und abzugeben. Für sie dürfte dies so sein, als ob man einem Hinkenden die Krücken entreißt, so die Berliner Morgenpost.

IG-Metall wettert gegen General Motors: „Unter dieser Mutter hat die Tochter keine Zukunft“, zitiert die FAZ.

Es zeigt sich, dass GM nach erfolgreich abgewickelter Insolvenz ein besseres Blatt auf der Hand hält als die Bundesregierung es wohl für möglich gehalten hätte. Ihr eigenes Blatt hingegen hat nicht zuletzt wegen eigener Fehler verloren. Jetzt rächt sich die frühe Festlegung auf den Autozulieferer Magna, urteilt die NRZ.

Da sich die deutsche Politik von GM so offen düpieren lässt, wird eine Lösung für Opel – zumal in jedem Fall tausende Stellen gestrichen werden – keinen Glanz mehr haben, der auf die selbst ernannten Retter fällt. Dann ist es schon besser, unbefriedigende Ergebnisse erst nach der Wahl verkünden zu müssen, findet die Berliner Zeitung.

Nicht nur in der Politik, auch bei den Gewerkschaften hat die Konzentration auf nationale Arbeitsplätze die Suche nach rationalen Lösungen erschwert, meint die taz.

In der Belegschaft hatten viele schon länger den Eindruck, GM wolle sich nicht wirklich von Opel trennen. Möglicherweise würde diese Trennung auch nur auf Zeit sein. Nämlich dann, wenn die US-Mutter sich ausschließlich auf einen Verkauf an RHJ International einlässt. Den mit deutschen Steuergeldern gestützten Verkauf würden unsere Politiker dann als Minimalerfolg feiern – und RHJ International als Finanzinvestor könnte Opel mittelfristig und mit Gewinn an GM zurückverkaufen, nimmt die Westfälische Rundschau an.

GM braucht dringend das technologische Know-how der Rüsselsheimer. Umgekehrt ist Opel im Verbund mit Magna zu klein, um langfristig überleben zu können. Egal, wie am Ende die Lösung aussieht: Ein radikaler Arbeitsplatzabbau bei Opel wird sich wegen der großen Überkapazitäten kaum verhindern lassen. Auch nicht von der Bundesregierung, vermutet der Kölner Stadt-Anzeiger.

CIA

Ende der Schonzeit für US-Schlapphüte. Es ist richtig, wenn sich Obama endlich für eine konsequente Verfolgung von Foltervorwürfen gegen die CIA einsetzt. Auf Befindlichkeiten der Republikaner muss er nicht mehr achten, meint die Financial Times Deutschland.

Süße Worte, harte Maßnahmen. Präsident Obama möchte eigentlich nach vorn schauen. Sein Justizminister Eric Holder hat aber nun einen Sonderermittler damit beauftragt, Ermittlungen gegen CIA-Mitarbeiter zu prüfen. Die Folter-Vorwürfe sind nicht neu. Mehr dazu in der FAZ.

Von My Lai bis Abu Ghraib galt in den USA bisher dasselbe Muster: Allenfalls wurden Sündenböcke gefunden, der Rest war Schweigen, befürchtet die Frankfurter Rundschau.

Was in den Folterkellern der CIA geschah, muss bekannt werden – auch wenn es das Land spaltet, so die Süddeutsche Zeitung.

Es enttäuscht, dass Obama erst nach der erzwungenen Veröffentlichung einen Sonderermittler zur Aufklärung der CIA-Folter ernennt. Die politisch Verantwortlichen muss er jetzt in die Pflicht nehmen, fordert die taz.

In the cold light of day. Details are published of abusive interrogations by CIA staff. Prosecutions could follow Economist

Will Holder’s ‚Reckoning‘ on Detainee Abuse Fall Flat? The Attorney General appoints an investigator, but prosecutions are anything but certain. Newsweek

Prosecuting the CIA, Eric Holder unleashes a special counsel on U.S. war fighters. Wall Street Journal

Our laws condone torture. Investigations into torture can only do so much. The U.S. needs laws that more clearly forbid brutality Salon

US-Notenbank-Chef Bernanke

Der Gott des Geldes. Barack Obama wird US-Zentralbankchef Bernanke für eine neue Amtszeit nominieren. Das ist richtig so, der Fed-Chef hat Bankenkrise und Rezession effektiv bekämpft, meint Die Zeit.

Er habe „eine zweite große Depression abgewendet“, sagte Präsident Obama – und nominierte den US-Notenbankchef für eine zweite Amtszeit, so der Tagesspiegel.

US-Notenbankchef Ben Bernanke darf für eine zweite Amtszeit die wichtigste Zentralbank der Welt leiten – obwohl er Republikaner ist. Er hat in der Krise viele Tabus gebrochen, urteilt die Süddeutsche Zeitung.

„Helicopter-Ben“ ist eine gute Wahl. Zugegeben: Der Mann hat Fehler gemacht. So hat der alte und neue Fed-Chef die Subprime-Krise in ihren Auswirkungen unterschätzt. Doch in der Summe war es ein guter Job. Die Hauptaufgaben für die zweite Amtszeit lauten: Inflation bekämpfen – und Exzesse, so dieFinancial Times Deutschland.

Wie Notenbankchef Bernanke sich bisher bewährt hat und warum er jetzt vor seiner größten Herausforderung steht. Mehr dazu im Handelsblatt.

The case against Bernanke, why Obama’s decision is shortsighted Financial Times

…one more thing!

Das Umsonst-Prinzip revolutioniert die Wirtschaft. Auszüge aus dem neuen Chris Anderson Buch „Free – Kostenlos“, wie die Umsonst-Ökonomie funktioniert und wo ihre Grenzen liegen. WirtschaftsWoche

Leitartikel

Gorleben ist nirgendwo. Das Fast-Endlager für Atommüll ist politisch unmöglich geworden. Der Salzstock in Niedersachsen wurde willkürlich gewählt, seine Eignung nie bewiesen. Die Suche kann neu beginnen. Frankfurter Rundschau

1,4 Millionen Menschen arbeiten kurz, ihre reduzierte Arbeitszeit entspricht ungefähr 360 000 Vollzeitstellen. Das wird als großer Erfolg dargestellt, als Heilsmittel für den Arbeitsmarkt. Arbeitsminister Olaf Scholz wiederholt gerne, dass die Kurzarbeit viele Arbeitsplätze gerettet habe. Von den Kosten spricht er nicht so oft. Die Welt

Der Wahlkampf 2009 ist bisher nicht nur langweilig – jetzt wird er auch noch absurd! […] Jetzt wird der Kanzlerin ein Abendessen mit Wirtschaftsgrößen und Kulturschaffenden als vermeintlicher Skandal vorgehalten. So ein Unfug! BILD

Dinner für Joe – was ist bloß in die Kanzlerin gefahren? AZ München

Steinmeier und Merkel sind von ihrem Typus her politischen Geschwister; sie sind, mehr oder weniger, Techniker der Macht. Süddeutsche Zeitung

Taktisches Traumergebnis in Afghanistan: Die Wahlkommission sieht den Präsidenten nur knapp vor seinem Herauforderer. Dieser Zwischenstand mag angesichts der Betrugsvorwürfe zur Beruhigung der Bevölkerung beitragen. Aussagekräftig sind die Zahlen aber nicht. Financial Times Deutschland

Radikale und noch Radikalere im Islam. Vor einigen Tagen schlug die radikalislamische Hamas eine Erhebung der noch radikaleren islamischen Gruppe „Armee der Helfer Gottes“ nieder. Von einer Moschee aus hatte deren Führer ein „islamisches Emirat Gaza“ proklamiert, bevor er sich selbst tötete. FAZ (Print)

GOP health ideas Obama would do well to embrace: Adopting some Republican plans makes reform harder to demonize. USAToday

Obama and faith, the president’s invocation of God in the healthcare debate is refreshing. Los Angeles Times

China’s stimulus shows the problem of success Financial Times