Bundespräsidentenwahl, 60 Jahre Bundesrepublik & Opel

Köhler ist beliebt. Er gilt als besonnen und verlässlich. Als einer, der auf dem Teppich bleibt und nicht vergessen hat, dass er aus kleinen Verhältnissen kommt. Vom Flüchtlingskind zum Chef des Internationalen Währungsfonds zum Staatsoberhaupt: Das nötigt Bewunderung, wenigstens aber Anerkennung ab. Mit diesem Votum liegt die Bundesversammlung nahe an der Stimmung im Volk. Mitteldeutsche Zeitung

Die SPD geht geschwächt in den politischen Wettbewerb der nächsten Monate. Das linke Lager aus Sozialdemokraten, Grünen und Linkspartei, dessen drohende Mehrheit in Deutschland viele Unternehmer und ausländische Investoren verunsichert, hat sich bei der Abstimmung in der Bundesversammlung selbst in die Ecke manövriert. Handelsblatt

Aus dem Vorboten von Schwarz-Gelb wurde der erste Bundespräsident, der sein Amt einem – wenn auch informellen – Jamaika-Bündnis verdankt. Sein Interesse an Afrika und mehr globaler Gerechtigkeit bot seit je Anknüpfungspunkte für die Grünen, denen Köhler im Wahlkampf zuwinkte – mit Bekenntnissen zu den Grenzen des Wachstums oder aktiverer Klimapolitik.  taz

Ein Signal ist seine (Wieder-)Wahl nur insofern, als das Land in der Krise doch immer noch zum Bewährten neigt. Seine Repräsentanten in der Bundesversammlung haben dem Ausdruck gegeben; und der Tatsache, dass im Land selber der Präsident angesehen ist wie keiner vor ihm. Dass es ihm an der Gabe der Rede mangelt, bedeutet nicht, dass er sich den Menschen nicht vermitteln könnte. Tagesspiegel

So erstrebenswert es sein mag, nach einer Bundeskanzlerin erstmals auch eine Frau im höchsten Staatsamt zu haben, so umstritten war bis zuletzt die zweite Kandidatur Gesine Schwans. Letztlich ist ihre Nominierung auch ein Relikt aus sozialdemokratischen Chaos-Monaten unter Kurt Beck. Generalanzeiger Bonn

2004 war Köhler Herold und Handlanger des (misslungenen) schwarz-gelben Projekts, inzwischen ist er eine den Machtspielchen entrückte Integrationsfigur. Er kann nun, da er für weitere fünf Jahre gewählt ist, völlig unabhängig agieren als Mutmacher, Antreiber, Impulsgeber, Brückenbauer. Köhlers Versprechen konzeptioneller Führung ist noch nicht eingelöst. Wenn er hier zu einer klareren Linie findet und dem Land die Richtung weist, dann ist der Weg für eine große Präsidentschaft geebnet. Augsburger Allgemeine (Print)

Eine Loveparade fürs Grundgesetz. Habemus Köhler, und die Republik tanzt auf der Straße. Über 750.000 Menschen haben in Berlin den 60. Geburtstag der Bundesrepublik gefeiert. Manche Demokratien brauchen noch immer Militärparaden, wenn’s patriotisch wird – Berlin freute sich über Otto, den Komiker, statt über Leo, den Panzer. Ein lockerer Geburtstag. Es gibt Tage in diesem Land, über die sollte man sich einfach nur freuen. Stuttgarter Nachrichten (Print)

Deutschland, das zeigt dieses Bürgerfest, ist eine zivile Republik geworden. Die Sorge, dass nach dem Abschied von der „Bonner Republik“ das Nationale wieder Oberhand gewinnen könnte, ist offenkundig unbegründet. Das kann man mit Wohlwollen und Erleichterung zur Kenntnis nehmen. Märkische Allgemeine

Die Deutschen sind eine coole Nation geworden. Mag es in der Weltwirtschaft krachen, mögen Banken abstürzen und selbst große traditionsreiche Unternehmen in die Knie gehen – die Bürger bleiben ruhig. Das Land besinnt sich einer alten Stärke. Sie heißt: Solidarität DIE ZEIT

Vor 60 Jahren wurde das Grundgesetz offiziell verkündet. Und von der Union bis zur Linken sind alle politischen Kräfte voller Lob über die gelungene Geburt. Lausitzer Rundschau

Warum wirbt die Regierung nicht für einen Neuanfang von Opel? Dazu dient die vor zehn Jahren geschaffene Insolvenzordnung. Ihr Ziel ist nicht die Zerschlagung, sondern die Rettung angeschlagener Unternehmen. Im Wirtschaftsalltag werden täglich Insolvenzverwalter bestellt, die nicht nur abwickeln, sondern den gesunden Unternehmenskern wieder auf neue Füße stellen. FAZ

Dem Wirtschaftsminister ist es hoch anzurechnen, dass er nicht nur von einer Opel-Insolvenz redet. Denn er rechnet auch kühl durch, was eine Rettung des Autobauers kosten könnte. Financial Times Deutschland

Im großen Spiel um Opel wird der am besten wegkommen, der am geschicktesten pokert. Und zu Guttenberg hat nur einen Trumpf: die Drohung mit der Insolvenz. Dass er ihn jetzt spielt, ist Taktik. Berliner Morgenpost

Deutschen Banken stecken in einer Insolvenzkrise und brauchen neues Eigenkapital. Dafür wäre eine Beteiligung des Staates besser als Bad Banks, meint Ifo-Präsident Hans-Werner Sinn in der Wirtschaftswoche

Leitartikel

Horst Köhlers zweite Amtszeit darf keine Fortsetzung der ersten sein. Die Finanzkrise hat das Land so sehr verändert, dass der alte Präsident ein neuer Präsident wird sein müssen. Süddeutsche Zeitung

Horst Köhler kann sich noch weiter von den Parteien absetzen. Seine Wiederwahl lässt sich nicht als Hinweis auf einen Machtwechsel in Berlin lesen. Frankfurter Rundschau

Ein Mann des Volkes. Millionen waren es nicht, die Horst Köhler zu den Klängen von Beethovens 9. Sinfonie und Schillers „Ode an die Freude“ hätte umschlingen können. Aber immerhin Hunderttausende. FAZ

Das bürgerliche Lager soll sich keinen Illusionen hingeben: Die Wiederwahl Köhlers ist höchstens eine Ermunterung, aber keine Garantie für einen Sieg bei der Bundestagswahl. Nach der Wahl ist vor der Wahl. BILD

Der Mann, der für die linken Studenten der Scherge eines neuen westdeutschen „Faschismus“ war, stand aus Überzeugung auf der Lohnliste realsozialistischer „Antifaschisten“ in Ost-Berlin. Deutsche Geschichte muss deshalb nicht neu geschrieben werden – aber neu gelesen. Financial Times Deutschland

Der ständige Zwang zur Erneuerung der Wirtschaft darf nicht außer Kraft gesetzt werden, es sei denn, wir alle wollen zukünftig in einem Industriemuseum als schlecht bezahlte Aushilfswärter enden, die von neugierigen Chinesen eine Banane durchs Gitter gereicht bekommen. Wirtschaftswoche

Die Armut der Europawahl-Werbung kommt von der Pauvreté. Etwas wird angeboten, und die Hälfte folgt der Einladung nicht. Demokraten verweigern sich ihrem Tempeldienst. Die Welt

Ireland prepares for a European election and, more crucially, another referendum. Libertas or freedom? Economist