Das Hamburg-Prinzip Als ich vor einem Jahrzehnt meine Semi-Heimatstadt Hamburg verließ, ging dort unter lautem Geschrei eine politische Ära zu Ende. Ein Mensch namens Schill, ähnlich das Böse suchend wie der Kärntner Jörg Haider, brachte eine Phase zum Abschluss, in der der „hanseatische Sozialdemokratismus“ nicht nur die Stadt an der Elbe, sondern auch die deutsche Politik geprägt hatte. Berliner Zeitung
Das Trauma von Hamburg Bei den Wahlen in Hamburg spielt die Schulpolitik keine Rolle mehr. Seit dem Volksentscheid vom Sommer 2010 zittern die Parteien vor dem Bildungsbürger. taz
Politologe erwartet „Katastrophe“ für CDU Sollte der Parteienforscher Ulrich von Alemann Recht behalten, wird die Hamburg-Wahl am Sonntag zum Desaster für die Union. SPD-Kandidat Scholz liegt klar vor dem unpopulären CDU-Bürgermeister Ahlhaus. Handelsblatt
Guttenberg
Legende Guttenberg Die Nörgler, Neider und Niederschreiber sollten jetzt einmal die Klappe halten, forderte die Bild-Zeitung im Dezember… Berliner Zeitung
Die Wiedergeburt von Felix Krull Die Welt liebt zwar den Betrug, doch sie verachtet den Betrüger. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg steht, unabhängig davon, wie die Uni Bayreuth seinen Fall bewerten mag, nun in der Öffentlichkeit als Hochstapler da. Kölner Stadt-Anzeiger
Bruchlandung eines Überfliegers Nur mal angenommen, die Dissertation eines nachrangigen Kabinettsmitglieds, Dirk Niebel etwa oder Ilse Aigner, wiese die gleichen Mängel auf wie die Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg – was wäre geschehen? Vermutlich nicht viel. Eine Meldung hier und da, ein paar höhnische Bemerkungen. Und fertig. Berliner Morgenpost
Karl-Theodor zu Googleberg Einerseits: Ein Skandal, bei dem Guttenberg die Verantwortung mal nicht abschieben kann, denn er hat bei seiner Dissertation gemogelt! Andererseits: Na und? taz
KT – kann täuschen Die Welt der Sprichwörter ist voll von Sätzen, die auf Karl-Theodor zu Guttenbergs aktuelle Lage passen: Hochmut kommt vor dem Fall, ist so eines. Oder: Viel Feind, viel Ehr. Und schließlich: Wer den Schaden hat, muss für den Spott nicht sorgen. Bonner General-Anzeiger
Dr. Guttenberg im Kampfgebiet Karl-Theodor zu Guttenberg flüchtet vor Plagiatsvorwürfen in die Arbeit: Er besucht Soldaten in Afghanistan und übernachtet am gefährlichsten Stützpunkt der Bundeswehr. An der Heimatfront fordern seine Kritiker, ihm sollte der Doktortitel aberkannt werden. Süddeutsche Zeitung
Der kleinste Fehler des Barons taz
Reform- oder Sparpolitik Die jüngsten Probleme um den zu Recht oder Unrecht getragenen Doktortitel einmal beiseite gelassen – dem Bundesverteidigungsminister weht auch im eigentlichen „Kerngeschäft“, der Sicherheitspolitik, ein rauer Wind um die Nase. Märkische Oderzeitung
Universität will Erklärung Guttenbergs Die Universität Bayreuth hat Verteidigungsminister Guttenberg aufgefordert, binnen zweier Wochen zu den Plagiatsvorwürfen Stellung zu nehmen. Statt zum Wahlkampf fuhr Guttenberg am Abend zum Krisengespräch ins Kanzleramt. FAZ
Union spricht von einer „Schmutzkampagne“ Die Nacht zum Donnerstag verbrachte der Verteidigungsminister bei Bundeswehrsoldaten im afghanischen Kampfgebiet. An der Heimatfront sieht er sich Plagiatsvorwürfen ausgesetzt. Die Opposition sieht „Guttenbergs Glaubwürdigkeit“ gefährdet, FDP und Union warnen vor „Vorverurteilungen“. FAZ
Die Stunde der Plagiatssucher Immer mehr verdächtige Stellen aus der Dissertation des Verteidigungsministers tauchen auf – auch durch das Internet. In einer kollektiven „Plagiatssuche“ durchforsten Internetnutzer die Arbeit nach abgeschriebenen Stellen und veröffentlichen sie auf einer Internetplattform. Politisch motiviert sei dies aber nicht, sagen Teilnehmer. FAZ
Wenn es wieder schnell gehen muss Manche Akademiker zahlen dafür, dass andere ihre Doktorarbeit schreiben. Fragt man solche Ghostwriter zur Causa Guttenberg, heißt es: „Hätte er sich bei uns gemeldet, wäre ihm das nicht passiert.“ Süddeutsche Zeitung
Weltwährungssystem
Oh je, Mademoiselle Die Weltfinanzen sind schwer in Unordnung, und aus Paris kommt die scheinbar rettende Idee: Frankreichs Finanzministerin träumt von einer Art „Bretton Woods II“. Doch das bringt nichts. Süddeutsche Zeitung
Risiko Wirtschaftsregierung Der Euro-Krisentopf soll nun mit 500 Milliarden Euro ausgestattet werden. Auch Deutschland macht mit und bietet an, seine Bürgschaften für wacklige Euro-Staatsschuldner zu erhöhen. Als Gegenleistung verlangt die Kanzlerin, die Wirtschaftspolitik im Euroraum solle deutschen Prinzipien folgen. Ihr Manöver ist brandgefährlich. FAZ
The Italian’s job The next president of the world’s second-most-important central bank should be Mario Draghi. Economist
Arabische Revolution
Tahrir, nicht Tiananmen Die Revolution in Ägypten könnte besser ausgehen als in Iran und China. Dem Militär fehle der Machtwille, Religion spiele kaum eine Rolle. Zeit
Märkte auf, Menschen rein Die EU sollte ihre Nachbarschaftspolitik gegenüber Nordafrika jetzt liberalisieren, fordert die Stiftung Wissenschaft und Politik. Nur eine neue Handels- und Migrationspolitik kann helfen. Tagesspiegel
Zynisch und heuchlerisch Tausende Nordafrikaner – überwiegend die Stärksten und Besten – suchen ihr Heil in Europa. Es ist alles andere als heuchlerisch, sie wieder zurückzuverweisen. Wer sollte sonst den Aufbau in der Region tragen? Zynisch wäre es, weitere Flüchtlinge einzuladen, ihre Heimatländer im Stich zu lassen. FAZ
Was heißt hier „Flut“? Erst wenige Tausend Flüchtlinge aus Tunesien haben die italienische Insel Lampedusa erreicht. Aber Europa fühlt sich schon bedroht und überfordert. Zeit
Revolte gegen Gaddafi Seine Nachbarn links und rechts auf der Landkarte hat es schon erwischt, möglicherweise ist auch Libyens erratischer Beduinenoberst bald an der Reihe. Frankfurter Rundschau
Sonderfall Libyen Den Sturz des Revolutionsführers Gaddafi durch eine Revolution miterleben zu dürfen, wäre gewiss ein besonderes Vergnügen, schließlich er als oberster Bruder aller Libyer ein besonders perfides Repressionssystem aufgebaut. Berliner Zeitung
Bahrain wird der nächste Balanceakt für den Westen In Bahrain rächt sich, dass der Westen eine unerträgliche Menschenrechtssituation zu lange hingenommen hat. Für den Iran ist der Staat ein strategischer Dominostein am Golf. Die Welt
Demokratie-Domino Der Nachteil des Domino-Effekts besteht darin, dass er nur funktioniert, wenn die Steinchen in einer bestimmten Reihe stehen. Wenn der Westen also hofft, dass die Regierungen in Nordafrika und Arabien wie Dominosteine in Richtung Demokratie umkippen, dann darf er nicht vergessen, wie unterschiedlich die Verhältnisse sind. Märkische Oderzeitung
Die wiederkehrenden Gesetze der Revolution Was sich in Ägypten abspielt, das haben schon zu anderen Zeiten andere Länder durchlebt. Die Muster ähneln sich – über Kontinente und Jahrhunderte hinweg. Die Welt
Green Movement 2.0? Taking a cue from the Egyptian revolution, opposition activists in Iran reinvigorated their beleaguered protest movement on Monday. Could Washington’s public support help Iranians face down their regime? Foreign Affairs
Revolution U Foreign Policy
Umweltschutz
Amt für Strahlenschutz auf Schlingerkurs mit Folgen Kommunikationspannen passieren. Aber bei einem so heiklen Thema wie der atomaren Endlagerung können sie kaum als Petitesse durchgehen. Die Welt
Rational Für die Lagerung von bei der Kohleverbrennung abgeschiedenem CO2 gibt es einen Kabinettsentwurf. Doch das Engagement der Regierung hat nachgelassen, seit sie glaubt, die Stromversorgung bald CO2-frei und klimafreundlich sicherstellen zu können. FAZ
Vor der Entscheidung Die Stunde der Wahrheit rückt näher. Brandenburgs rot-rote Landesregierung wird sich entscheiden müssen: Ja oder nein zum derzeit von der Bundesregierung vorbereiteten CO2-Einlagerungsgesetz. Das Nein wäre eine energiepolitische Wende um 180 Grad. Märkische Allgemeine
Gülle zu Geld Nicht nur Ökobauern und Grüne sprechen von einer gelben Pest – auch konventionelle Landwirte und konservative Politiker finden, dass gegen die teilweise gigantischen Maislandschaften etwas unternommen werden muss. Doch noch ist offen, wie stark die Korrektur ausfällt. Die vielfach kritisierte Massenproduktion von billigem Fleisch könnte umso attraktiver werden. FAZ
Piecemeal possibilities Paying attention to alternative ways of cooling the planet is a good idea; ignoring carbon emissions isn’t Economist
Watson: Mensch vs. Maschine
Watson und wir Im Kampf Mensch gegen Maschine hat wieder einmal die Maschine gewonnen. Berliner Zeitung
Superrechner Watson ist ein Fachidiot Künstliche Intelligenz ist eine Zukunftsvision aus Hollywood-Filmen. Watson ist zwar ein beeindruckendes Beispiel für das Voranschreiten der Technik. Von Wunderrechnern wie im Raumschiff Enterprise ist der Mensch aber noch Lichtjahre entfernt. Financial Times Deutschland
Das Ende der Quizshow? Watson ist nur ein Rechenknecht, der macht, wofür er programmiert worden ist − und nicht mehr. Eine aufwendige Spülmaschine, kann man sagen. Frankfurter Rundschau
Irren ist menschlich Supercomputer Watson hat es geschafft, und IBM steht groß da. Doch von dem, was Kreativität ausmacht, ist der Superrechner so weit entfernt wie ein Stein. FAZ
… one more thing!
Diskriminierung von Männern beklagt Auf einer Veranstaltung über die Frauenquote hat der Aufsichtsratschef der Deutschen Börse einen Kontrapunkt gesetzt und eine beginnende Männerdiskriminierung beklagt: „Man gibt immer einer Frau den Vorzug vor einem Mann, der gleichermaßen qualifiziert ist“, sagte er. FAZ
Leitartikel
Schwarz, Grün, aus Die Hamburger Wahl wird keinen Neuanfang markieren, sondern nur das Ende eines Irrwegs. Es hat sich etwas getrennt, was nicht zusammengehört. Gemeinsame Projekte von CDU und Grünen gibt es nicht mehr. Die Welt
Liebling Guttenberg Viel glänzende Fassade begründet die Popularität des Verteidigungsministers. Wer auf die Inhalte, auf Afghanistan schaut und weniger auf Anzug und Titel, entdeckt durchaus Angreifbares. Frankfurter Rundschau
Der irdische Guttenberg Als seine Wertschätzung beim Publikum schon in astronomische Höhen geschossen war, wies Karl-Theodor zu Guttenberg mehrfach öffentlich auf eine Regel des politisch-medialen Betriebes hin: Wer schnell und hoch steige, der könne auch ganz schnell einen tiefen Fall erleben. FAZ
Mein Schloss, mein Titel, meine Doktorarbeit So wie Guttenberg seine Truppenbesuche inszeniert, so inszeniert er auch sein akademisches Leben. Der Verteidigungsminister verwechselt sich selbst mit seinen Titeln und Ämtern. Tagesspiegel
Bildung – jetzt sind SIE gefragt! Wenn Politiker Wahlkampf machen, darf dieser Satz nie fehlen: „Wir müssen mehr für Bildung tun!“ Und nach dem Wahltag geht’s dann weiter wie bisher. Immer mehr verzweifelte Eltern suchen für viel Geld Alternativen in Privatschulen – und mit den staatlichen Schulen geht’s noch weiter bergab. Bild
Kein Zivildienst – verpasste Chance Keine Wehrpflicht, keine Zivildienstleistenden mehr. Dieser Fakt wird ein großes Loch in die Situation von Altenheimen und Krankenhäuser reißen. Auch für junge Männer ist es eine verpasste Chance. Der Westen
Wenn Bundesbanker fremdeln Axel Webers Rückzug als Bundesbankchef zeigt, wie schlecht sich Deutschlands Spitzenbanker in Europa zurechtfinden. Und die nächste Fehlbesetzung ist schon durchgewunken. Ein schwacher Trost: Es hätte noch schlimmer kommen können. Financial Times Deutschland
The awakening As change sweeps through the Middle East, the world has many reasons to fear. But it also has one great hope. Economist
Willie Sutton Wept What are the three things you need to know about the current budget debate? New York Times
Senate Dems: We Can Beat GOP Family Planning Cuts But will House Republicans force a government shutdown as a result? Mother Jones
The GOP’s Medicaid Ambush In the budget battle, Republicans see an opening to roll back health care for the poor. Mother Jones
Obama’s Louis XV budget Washington Post