Iran, Jemen, Union, US-Finanzaufsicht

95 Prozent Kontrolle über das iranische Volk reichte den Herrschern nicht – die totale Kontrolle musste es sein. Und das wollen sich viele Iraner nicht länger gefallen lassen. Die Hardliner um Chamenei und Ahmadinedschad wollten im Atomstreit kein Risiko eingehen. Deshalb haben sie mit Manipulation und Gewalt versucht, eine Stichwahl zwischen Ahmadinedschad und Mussawi zu verhindern – und dabei jeglichen Anschein von Legitimität verloren, urteilt Die Welt.

Irans geistlicher Führer Chamenei verspricht die Präsidentschaftswahl zu überprüfen. Das klingt nach einem Erfolg für die Opposition. Doch das könnte täuschen, so die Süddeutsche Zeitung.

Das Ideal der Demokratie lebt tatsächlich zwischen Marokko und Ägypten, der Türkei und Afghanistan. Für immer mehr Muslime ist die Demokratie kein Teil einer misstrauisch beäugten Verwestlichung mehr, sondern ein positiv besetzter Begriff. […] Das Wagnis der Demokratie muss honoriert werden. All jene Iraner, die jetzt aufbegehren gegen ihre machtverliebten Theokraten, müssen wissen, dass sie, 20 Jahre nach dem Mauerfall und dem Ende des Sowjetkommunismus, in einer großen Traditionslinie stehen, so der Tagesspiegel.

Jenseits der besorgten Rhetorik bleibt die Reaktion von EU und USA aber frappierend verhalten. Die EU verrät ihre Grundwerte, wenn sie auf die Gewalt gegen die iranischen Regimegegner mit business as usual reagiert. Es sind im Übrigen die gleichen Werte, für die sich die Demonstranten in Teheran verprügeln und verhaften lassen müssen, meint die Finacial Times Deutschland (Print).

Ein Präsident, dem per se unterstellt wird, dass er die Wahlen fälscht, wäre politisch erledigt – egal, ob er tatsächlich gefälscht hat oder nicht. Dass Mahmud Ahmadinedschad dies nicht kümmert, ja dass er über seinen Herausforderer noch Spott und Hohn ausschüttet, macht deutlich, worauf das iranische Modell im Kern angelegt ist: auf reinen Machterhalt, befürchtet das Handelsblatt.

Einen Kandidaten, der für die jetzt zum Vorschein kommende Sehnsucht vieler Iraner nach mehr persönlicher Freiheit gefochten hätte, gab es bei dieser Wahl nie. Die traurige Wahrheit ist, dass sich an den Verhältnissen im Iran so schnell nichts ändern wird. Und dass die Isolation des Landes andauert, meint die Rheinische Post (Print).

Das Regime in Teheran musste eine Stichwahl fürchten. Sie hätte der Opposition weiteren Auftrieb gegeben. Also riefen die Hardliner den Amtsinhaber gleich zum Sieger aus, so die Frankfurter Rundschau.

Irans Demokraten müssen selbst für den Sieg kämpfen, bevor ein wenig Hilfe von außen naht. Noch sind sie ziemlich allein, befürchten die Stuttgarter Nachrichten (Print).

Iran’s supreme leader says the “hand of God” was evident in the election, but millions of Iranians see the hand of a regime that fears a “velvet revolution.” New York Times

Khamenei: The Power Behind the President. Time

Jemen

Seit Jahren schon werden Touristen Opfer von – meist glimpflich verlaufenden – Entführungen jemenitischer Stämme, die damit Zugeständnisse von der Zentralregierung erpressen wollen. […] Die Verschleppung von neun Ausländern bedeutet nun offenkundig eine Eskalation: Drei Entführte wurden tot, teilweise verstümmelt aufgefunden; die übrigen gelten als vermisst. Das spricht dafür, dass gewalttätige Islamisten, möglicherweise Mitglieder von Al Qaida, hinter der Tat stehen, nimmt die Frankfurter Allgemeine Zeitung an.

Auch wenn Sicherheitskreise nun die El-Kaida-Karte ziehen, bleiben Zweifel. Ein den Morden vorgeschalteter nervenzerreißender Erpressungsversuch wäre für die Islamisten „typischer“ gewesen. Somit stehen wir entsetzt und trauernd vor einem grausamen Rätsel, meint hingegen dir Rheinische Post (Print).

Über die Folgen der blutigen Entführung braucht man nicht zu orakeln. Es ist ein fatales Signal an die Hilfsorganisationen, die sich überhaupt noch in dieser Region engagieren. Denn die Opfer waren keine lebensmüden Abenteuer-Touristen, die sich den besonderen Kick holen wollten, sondern Helfer, die sich für die Menschen in einem der ärmsten arabischen Länder engagierten. […] Ein Abbruch träfe aber die Zivilbevölkerung, die weitere Destabilisierung der Region wäre die Folge. Ein denkbares Kalkül der Entführer könnte damit aufgehen, befürchtet die Leipziger Volkszeitung (Print).

Wer es zulässt, dass das islamistische Terrornetzwerk noch mehr Regionen im Jemen und auf der arabischen Halbinsel erobert, der nimmt in Kauf, dass sich die entsetzlichen Gräueltaten häufen und das Elend vieler Menschen wächst. […] Nur wenn es gelingt, im Jemen einen funktionierenden Schutz für Entwicklungshelfer aus aller Welt zu schaffen, kann die Krise dieses Staates überwunden werden, meint die Hannoversche Allgemeine Zeitung.

In die Trauer über die Toten mischt sich so zusätzliche Bitterkeit, weil das gesamte jemenitische Volk unter dem Verruf leiden wird, in den der Wüstenstaat durch solche blindwütigen Terrorakte noch weiter geraten wird, so die Märkische Allgemeine.

CDU / CSU

Was CDU und CSU dem geplagten Steuerbürger versprechen, ist mager. […] Beim Einzelnen kommt wenig an, doch Bund und Länder büßen Milliarden Euro ein. Die desolate Lage der öffentlichen Kassen lässt nennenswerte Steuersenkungen auf absehbare Zeit kaum zu, nimmt die Frankfurter Allgemeine Zeitung an.

Warum sollte man auch deutlich(er) werden? Damit der rote Noch-Partner und Hauptkonkurrent Stichworte oder gar Kampfmunition geliefert bekommt? Damit der blaugelbe Wunsch-Mitregierer zusätzlich Gelegenheit erhält, sich als steuerpolitischer Oberlehrer aufzuspielen und über die Hasenfüßigkeit der Schwarzen zu mosern? fragt die Frankfurter Rundschau.

Steuersenkungen sind nicht bloß das Hobby einer Kleinpartei, nein, auch die große Volkspartei Union hält sie jetzt und hier für sinnvoll. Einen besseren Gütestempel kann sich Westerwelle gar nicht wünschen. Er kann jetzt noch mehr auf die Pauke hauen, glaubt der Tagesspiegel.

Parallelen zum Jahr 2005 drängen sich förmlich auf. Damals kosteten unklare Aussagen zur Steuerpolitik Angela Merkel fast ihre Kanzlerschaft. Heute droht die Union mit ihrem Steuerthema überdies ihren neuen Star in Wirtschaftsfragen zu beschädigen, meint das Handelsblatt.

Nach dem Wahltag wird dann Tacheles geredet. Es wird um die Frage gehen, wie die sozialen Sicherungssysteme in Zeiten dann rasant steigender Arbeitslosigkeit zu finanzieren sind, ohne die Beiträge drastisch zu erhöhen. Mindestens ebenso dringend wird das Problem der ausufernden Staatsverschuldung zu bearbeiten sein. Steuersenkungen wird es nicht geben. Adam Riese ist dagegen, davon ist die Mitteldeutsche Zeitung überzeugt.

Verkehrte Welt: Da rechtfertigen Kanzlerin Merkel und ihr Herausforderer Steinmeier Staatshilfen vor dem BDI. Und wer spuckt den beiden in die Suppe? […] Ausgerechnet BDI-Präsident Keitel fordert in Sachen Hilfsforderungen Schamgrenzen für Unternehmen, so die Neue Osnabrücker Zeitung (Print).

US-Finanzaufsicht

Die USA planen einen großen Schritt bei der Regulierung der Finanzmärkte und wollen ihrer Notenbank gewaltige Macht geben. Umso ernster sind aber die Mängel des Vorhabens zu nehmen, mahnt die Süddeutsche Zeitung.

Die US-Notenbank soll offenbar mit der Kontrolle der bedeutendsten Finanzkonzerne betraut werden. Die Regierung soll künftig systemisch wichtige Unternehmen aufspalten oder sogar zerschlagen können, so die Frankfurter Allgemeine Zeitung.

It is time to overhaul the financial regulatory structure, what principles should frame a truly modern and proactive regulatory architecture of the 21st century? Financial Times

The Administration’s backtracking on regulatory reform has some critics saying that a rare opportunity is being squandered Businessweek

US-Notenbank Fed erhält mehr Macht. Handelsblatt

A New Financial Foundation, US-Finanzminister Timothy Geithner schreibt über seine Pläne in der Washington Post

Leitartikel

Die Präsidentschaftswahlen werden neu ausgezählt. Punktsieg für Tausende Studenten, die sich im Namen von Demokratie und Freiheit auf offener Straße zusammenknüppeln ließen. Das Machtwort des Ajatollah ist aber vor allem eine Ohrfeige für Präsident Ahmadinedschad. BILD

So richtig es ist, die Übergriffe auf die Anhänger Mussawis zu verurteilen, so schlecht wäre die Außenwelt beraten, auf die inneren Auseinandersetzungen in Iran einwirken zu wollen. Frankfurter Allgemeine Zeitung

Vor nicht einmal zwei Wochen hieß es, es gebe einen Durchbruch beim Zankapfel Landesbanken. Nun liegen die Änderungsanträge zum Bad-Bank-Gesetz vor – und machen die Konsolidierung des Sektors so ungewiss wie eh und je. Financial Times Deutschland

Schüler und Studierende gehen für die Bildung auf die Straße. Sie haben eine einmalige Chance: Sie können zeigen, wie handlungsunfähig mittlerweile die Politik geworden ist. Frankfurter Rundschau

Die Volksrepublik China ist Ehrengast der Internationalen Frankfurter Buchmesse und auf dem besten Weg, eine politische Zumutung für alle anderen Gäste der Messe zu werden. Die Welt

Democracy could still win in Iran. Financial Times

Israeli Prime Minister Netanyahu undercuts his acceptance of a Palestinian state with his numerous preconditions. LA Times