Koalitionsverhandlungen, SPD & Irland's Ja

Mit deutlichen Differenzen gehen Union und FDP an diesem Montag in ihre erste Koalitionsrunde. FDP-Chef Westerwelle kündigte harte Gespräche an und stellte den Zeitplan von Angela Merkel (CDU) infrage. CDU-Politiker Koch sagte zu den Steuer-Wünschen der FDP: „Die Spielräume sind sehr begrenzt. FAZ

Anfang ohne Zauber. Sieg nach inhaltsleerem Wahlkampf – und jetzt? Der schwarz-gelben Koalition fehlt eine sinngebende Überschrift. Dabei gäbe es eine Aufgabe für sie: Bildung, Bildung, Bildung Süddeutsche Zeitung

Fremd im eigenen Haus: der Wirtschaftsflügel der CDU. Angela Merkel hat die Gewichte in der Union so stark verschoben, dass ein Teil davon sich inzwischen der FDP näher fühlt als der eigenen Partei. Die Wähler haben diese Verschiebung schon vollzogen. Handelsblatt

»Yes we can!« Das Wahlvolk ist realistischer, als Merkel und die SPD wähnen Die Zeit

Inhalt schlägt Polemik. Es reicht nicht aus, wolkige Regierungsmissetaten und soziale Aufstände vorherzusagen. Fundierte Kritik an Entscheidungen der schwarz-gelben Koalition muss her – genug Stoff dafür wird es geben. taz

Bundesbank-Präsident Axel Weber warnt die künftige Bundesregierung vor schnellen Steuersenkungen und die damit verbundenen Risiken. „Eine gegenfinanzierte Steuerreform sollte die Regierung frühestens 2011 umsetzen“, Interview im Handelsblatt

Die neue Bundesregierung wird keinen Manchester-Kapitalismus durchsetzen. Eher schon die Wiederentdeckung bürgerlicher Tugenden. Die Welt

Privat vor Staat war gestern. Zu unübersichtlich ist noch immer das, was demnächst als echte Krise auf das Land zurollt. Die Lust auf Experimente, deren Finanzierbarkeit vor dem Hintergrund gewaltiger Schuldenberge des Staates gerade absurd erscheint, ist eine gelb grundierte Fata Morgana. Hoffentlich erkennt die FDP das Missverständnis beizeiten. Und konzentriert sich darauf, eine auf vier Jahre befristete Regierungspartnerschaft mit der Union mit Lust und Leben zu füllen. Wird schwer genug. NRZ

Schwarz-Gelb muss 40 Milliarden Euro bis 2013 sparen. Vor der ersten Verhandlungsrunde über eine Koalition ringen Union und FDP um Inhalte und Posten. Das Haushaltsdefizit erschwert das Erfüllen von Wahlversprechen. Die Zeit

Wenn die Liberalen als zweitstärkster Partner bei den Finanzen nicht zum Zuge kämen, haben sie Zugriff auf die Wirtschaft. Dann wiederum muss für den CSU-Baron aus Oberfranken ein repräsentativer Posten gefunden werden, zum Beispiel das Verteidigungsministerium. Die wichtigsten Nato-Sprachen spricht er jedenfalls perfekt. Nürnberger Nachrichten

SPD

Aus Ballast Zukunft gestalten. Klaus Wowereit will endgültig mit der Agenda 2010 abrechnen. Das wäre ein Fehler Tagesspiegel

Steine aufs eigene Glashaus. Rente mit 67? War gestern. Agenda 2010? Auslaufmodell. Schneller als ihre Noch-Parteispitze erlaubt, rotiert die SPD nun auch programmatisch um die eigene Achse. Frankfurter Rundschau

Was plötzlich in der SPD als normal gilt. Es ist so berechenbar wie gefährlich. Natürlich muss jetzt der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit der Erste sein, der Rot-Rot-Grün als gleichberechtigte Bündnisoption für die Sozialdemokraten ins Spiel bringt. WAZ

Sigmar Gabriel am Ziel. Er schwamm in der Bugwelle von Gerhard Schröder nach oben, war sein Freund, aber auch sein Kritiker. Der Weg an die Spitze der SPD war für die Kampfmaschine aus Hannover steinig. FAZ

Schritt in den Abgrund. Mit kämpferischen Parolen allein kommt die SPD aus ihrer Krise nicht heraus. Auch die eilfertige Distanzierung von der eigenen Regierungspolitik wirkt wenig glaubwürdig. taz

Vom Koch und Kellner: Rot-Rot hilft der SPD nur, wenn sie dabei der Chef ist Tagesspiegel

Irland’s Ja

Das klare Ja der Iren zum Vertrag von Lissabon wäre vor der Finanzkrise undenkbar gewesen. Nun hängt das Schicksal des Europäischen Reformvertrages nur noch an zwei Männern, doch verhindern können sie ihn wohl nicht. Die EU steht also kurz vor einem historischen Schritt in eine neue Ära. Handelsblatt

Aufatmen allerorts. Die Abstimmungsdramatik gehört wohl bei der EU dazu. Nun kann diese ihre Arbeit effektivieren und bündeln. Ob nun der Weg frei ist zur „Großmacht Europa“, darf allerdings bezweifelt werden. Die Welt

Die Iren stimmen für den EU-Reformvertrag. Trotzdem könnte er noch verhindert werden. Was vielleicht gar nicht dramatisch wäre. Schließlich stellt sich die Frage: Braucht Europa dieses Regel-Konvolut überhaupt? Kölner Stadt-Anzeiger

Der Lissabon-Vertrag wird überschätzt. Es war an diesem Wochenende wieder viel von einer «historischen Entscheidung« die Rede, von Weichen für ein runderneuertes Europa. Die Wahrheit ist aber, dass der Reformvertrag von Lissabon allseits überschätzt wird – von Befürwortern wie von Gegnern. Nürnberger Nachrichten

Finanzkrise kippt Referendum. Die Wirtschaftsliberalen haben den Kampf um die EU gewonnen. Eine neue Chance, Europa demokratischer und sozialer auszugestalten, wird es in den kommenden zwanzig Jahren nicht geben, findet die taz.

For Irish, E.U. May Stand for Economic Unity. Irish voters overwhelmingly approved the European Union’s Lisbon Treaty, but like many other Europeans, they are glumly fixated on domestic issues. New York Times

Self-interest has brought us to this sorry pass Irish Times

Leopards may change their placards, but never their spots. Lisbon’s nuttier opponents will repackage themselves to rebel against some other cause Sunday Independent

… one more thing!!

Die Neuen im Bundestag. Pianistin, Kommunistin, UN-Waffeninspekteur: Etliche Polit-Frischlinge, aber auch manch altgedienter Profi zieht zum ersten Mal ins Parlament ein. Die Zeit

Leitartikel

Europäischer Hürdenlauf. Die Iren haben Ja zu Lissabon gesagt – und nichts ist entschieden. Die EU hat die Rechnung ohne den tschechischen Präsidenten Václav Klaus und britische Oppositionsführer gemacht. Frankfurter Rundschau

Die Europäische Union hat der Welt bewiesen, dass sie die Kraft zur Reform hat. Nun muss sie ihr zeigen, dass sie auch zum Handeln entschlossen ist. Süddeutsche Zeitung (Print)

Unter Europas Schutz und Schirm. Die erstaunliche Eindeutigkeit des irischen Ja zum Vertrag von Lissabon ist so etwas wie ein Hilferuf. Nun geraten aber auch Großbritanniens Konservative in Not, deren Europa-Politik bisher auf der Aussicht eines irischen Neins fußte. FAZ

Wie in einem Spinnennetz hat sich die gerade erst entstehende schwarz-gelbe Koalition im Koordinatensystem der alten Bundesrepublik verfangen.Während die einen in ihr einen Wiedergänger der Thatcher-Reagan-Revolutionen feiern wollen, warnen die anderen vor der Erstarrung in sozialer Kälte.Keins von beidem trifft die Lage. Die Welt

Wo bleibt die Aufbruchsstimmung nach der Wahl? Die Politik hat einen chronischen Mangel an Inspiration. Das zeigte schon der Wahlkampf. Financial Times Deutschland

Die neue Mehrheit ist klar: Schwarz-Gelb. Aber neue Mehrheit bedeutet noch lange keine neue Politik. BILD

Wiesn im Zeichen des Terror, der riskante, aber richtige Umgang mit Terror- Drohungen AZ München

Deutschland erlebt eine Art „Konsumkarneval“, sagt der Psychologe Stephan Grünewald. Der Karneval ist das Fest der letzten Stunde, man weiß bereits, dass die Stunde des Fastens, des Verzichts unvermeidbar ist. Wirtschaftswoche

The First Counterrevolutionary. Thomas Hobbes sensed the revolutionary impulses of early modern Europe and transformed them into a defense of the most hidebound form of rule The Nation

The Atlantic gap. The honeymoon between Europe and Barack Obama’s America is over Economist