Regierungswechsel, SPD, Thüringen & Energiepolitik

Die Rückkehr des Bierdeckels. Der Bierdeckel als Symbol einer radikalen Vereinfachung des Steuerrechts feiert seine Wiederauferstehung in blau und gelb. Es geht um ein verständliches, widerspruchsfreies Steuerrecht. Die Reform ist so notwendig wie nie zuvor. FAZ

Eigentlich hätte es für FDP und Union die Woche des großen Aufatmens werden müssen. Aber seltsam – es scheint, als hielten alle kollektiv den Atem an. Und keiner wagt zu sagen, wie die Zukunft denn nun aussehen soll. Szenen aus den ersten schwarz-gelben Tagen nach der Wahl vom Sonntag. Tagesspiegel

Der Fahrplan steht. Zehn Arbeitsgruppen sollen ab Montag den Vertrag zwischen Union und FDP ausarbeiten. Fraktionschef Kauder will Steuern senken – aber er nennt keinen Termin. Beim Gesundheitsfonds bewegt sich die Union Süddeutsche Zeitung

Auf der einen Seite steht sie einer vor Kraft strotzenden FDP gegenüber, die ihren Erfolg bei der Wahl auch bei den Inhalten umsetzen will und deren Vorsitzender Guido Westerwelle gerade mit überschäumendem Selbstbewusstsein zu kämpfen hat. Auf der anderen Seite lauert die bei der Bundestagswahl gestutzte CSU, die sich wieder einmal neu erfinden und profilieren muss. Außerdem zerren jetzt die unterschiedlichen Parteiflügel noch kräftiger an ihr. Lausitzer Rundschau

Was wird aus Schäuble und Röttgen? Für CDU und CSU haben die Koalitionsverhandlungen vier Tage nach der Wahl begonnen. Am Donnerstag ist die Verhandlungskommission beider Unionsparteien ins Kanzleramt geladen. FAZ

FDP: Angst vor der Blamage. Vor dem Wahlkampf dimmte Westerwelle alles, was nicht sozial klang, in seinen Reden bis zur Unkenntlichkeit herunter. Bis heute ist es nicht heller geworden. Im Gegensatz zur zweiten Reihe hält die erste liberale Garde sich zurück. Handelsblatt

Die Spannungen zwischen CSU und FDP sind nicht gerade ideale Voraussetzungen für effiziente Verhandlungen. Doch wissen auch die Parteichefs Westerwelle und Seehofer, dass es für sie und ihre Parteien keine Alternative gibt. Auf Angela Merkel wartet jedenfalls ein schwieriges Geschäft. Schweriner Volkszeitung

Kein Rausch, kein Triumph, keine Genugtuung: Was macht die Macht mit einem, der lange auf sie warten musste? Drei Tage mit Guido Westerwelle Die Zeit

Dass auch diesmal nicht durchregiert wird, hat der künftige Vizekanzler früh erkannt. Seine uneinlösbaren Steuerversprechen muss Westerwelle aufgeben, ohne sein Gesicht zu verlieren. Er sucht einen Sieg, aber in kleinerer Münze. Zum Charakter dieser singulären Krise passt das Herantastende, Abwägende. Tagesspiegel

Generation Tigerente. Eine Gesellschaft verändert sich, aber wie und wohin, lässt sich so leicht nicht erkennen. Um eine Antwort zu finden, ist es keine Schande, den Boulevard um Nachhilfe zu bitten. Dort geht es leichter, die Dinge beim Namen zu nennen Hannoversche Allgemeine

SPD

„Mehr Sozialdemokratie wagen“ ist das Modell, das Rettung verheißt. Und noch ein Tipp: Besser aufs Führungspersonal achten! Frankfurter Rundschau

Die Entscheidung über die künftige Führung der SPD ist in der Parteispitze gefallen: Sigmar Gabriel soll den Parteivorsitz übernehmen und vier Stellvertreter erhalten: Olaf Scholz, Klaus Wowereit, Hannelore Kraft und Manuela Schwesig. Andrea Nahles wird Generalsekretärin. FAZ

Sozis aufs Sonnendeck. Die SPD sollte aufhören, immer nur Entschlossenheit im Ersetzen ihrer Chefs zu zeigen. Besser wäre: Kollektiv ein halbes Jahr Auszeit nehmen und mit einem Top-Programm für die Zeit nach der Krise zurückkehren. Financial Times Deutschland

Sigmar Gabriel kann die SPD retten. Wenn er scheitert, wird die Partei untergehen. Tagesspiegel

Fünf etablierte SPD-Größen sollen die Partei künftig führen. Hinzu kommt: Manuela Schwesig. Die 35-jährige soll die SPD für Frauen und Ostdeutsche wieder interessant machen. Süddeutsche Zeitung

Der Führungswechsel in der SPD geht bisher erstaunlich laut- und reibungslos über die Bühne. Nach Frank-Walter Steinmeiers Wahl zum Fraktionschef hat sich die Parteispitze darauf verständigt, Sigmar Gabriel zum neuen Vorsitzenden zu nominieren. Nürnberger Nachrichten

Dem Neuanfang wohnt also keinerlei Zauber inne. Eher eine Aussicht auf politische Qual. Die neue Spitze wird sehr genau überlegen müssen, wie, mit welchen Themen und welcher Linie die SPD wieder zu einer mehrheitsfähigen Partei werden kann. Berliner Zeitung

Gabriels Aufstieg. Er wird der fünfte sein. Der fünfte SPD-Chef in zehn Jahren, wenn man denn die beiden kurzen Amtszeiten seines Vorgängers Müntefering als eine zählt. Westfalenpost

Thüringen

Es regiert Genosse Irrwitz. In Thüringen macht Christoph Matschie die Chance zunichte, das Verhältnis zur Linken zu erneuern. Dabei muss die SPD die Linke einbinden, wenn sie nicht untergehen will. Süddeutsche Zeitung

Rot-rot-grüne Scheidung. Linke, SPD und Grüne finden nicht zusammen und fallen nun übereinander her. Jetzt kommt in Erfurt Schwarz-Rot, doch an der SPD-Basis rumort es. Die Zeit

Die Linkspartei wähnte die SPD in der „Matschielanti-Falle“: Doch seit Althaus von der Union aufs Abstellgleis geschoben wurde, hat sich für die SPD ein Schlupfloch aufgetan. Ein Vorzeigeland für Rot-Rot wird Thüringen nicht. FAZ

Die Qual der Wahl. Die SPD in Thüringen hat das Modellprojekt einer rot-rot-grünen Koalition verworfen. Zu Recht Handelsblatt

Rot-rote Bruchlandung. Die SPD hat bei ihrer Suche nach dem geeigneteren Koalitionspartner mit der CDU die richtige Wahl getroffen. Thüringen braucht eine starke Regierung mit verlässlichem Personal. Dies wäre bei einer rot-rot-grünen Konstellation nicht der Fall gewesen. Kölner Stadtanzeiger

Absage an den Genossen Trend. Donnerwetter, das nennt man Mut! Nach dem Desaster der SPD bei der Bundestagswahl hätte jeder auf einen Linksruck in jenen Länderparlamenten gesetzt, in denen noch eine Regierungbildung aussteht. Nürnberger Zeitung

Links blinken…und rechts abbiegen. Die SPD in Thüringen NRZ

Lieber tot als rot. Die SPD in Thüringen ist finster entschlossen, ihren Niedergang in großen Koalitionen weiter zu verwalten. Man muss an ihrem Weitblick gehörig zweifeln. taz

Energiepolitik

Atom von gestern. Die neue Koalition setzt auf eine überholte Technologie, was ein großer Fehler ist. Denn die neue Atomdebatte bremst den chancenreichen Wandel bei der Energieversorgung. Süddeutsche Zeitung

Geld her oder schließen. Der Ausstieg aus dem Atomausstieg ist richtig. Doch für eine Verlängerung der Restlaufzeiten muss die neue Regierung von den Energiekonzernen Gegenleistungen einfordern – sowohl finanziell als auch bei den Klimaschutzzielen. Financial Times Deutschland

Die erneuerbaren Energien erneuern. Die neue Koalitionen sollte die Kosten für Strom aus Sonne, Wind, Wasser, Erdwärme und Biomasse sehr kritisch unter die Lupe nehmen. Und die Unternehmen müssen Pläne entwickeln, wie sie sich besser in den Markt integrieren – auch mit weniger staatlicher Unterstützung Handelsblatt

.. one more thing!!

Iran’s New Hard-Liners. Who Is in Control of the Islamic Republic? Foreign Affairs

Leitartikel

SPD in die Kur. Thüringen zeigt es: Politik ist keine Mathematik. Rot plus Rot plus Grün ergibt mitunter null. Die Sozialdemokratie braucht eher Zeit zur Besinnung als rasch neue Bündnisse Frankfurter Rundschau

Last Man Standing, Sigmar Gabriel ist der grobe Keil für den groben Klotz AZ München

Die Ergebnisse der Bundestagswahl werden sich mehr und womöglich grundsätzlicher auf die hergebrachten Verhältnisse in der deutschen Innenpolitik auswirken, als es sich die Beteiligten im Berliner Regierungsquadratkilometer jetzt vorstellen können. FAZ (Print)

Vereint in Ungleichheit; für soziale Gerechtigkeit brauchen wir den „Soli“ nicht mehr Die Welt

Morgen feiern wir den Tag der Einheit. Ein Dankeschön-Tag. Danke den Bürgern in Leipzig, Dresden, Ost-Berlin, überall. Sie waren furchtlos. BILD

Fatales Signal aus Europa. Die EU-Finanzminister sind bei dem Versuch gescheitert, sich für den Defizitabbau an ein Datum zu binden. Sie drohen damit Inflationserwartungen zu schüren – und die EZB zu einem härteren Kurs zu zwingen. Financial Times Deutschland

Is Afghanistan NATO’s Graveyard? The transatlantic alliance may be doomed. Mother Jones

After the storm. The new economic landscape will be grim unless policymakers act to foster growth Economist