Lissabon-Urteil, Quelle, Arbeitsmarktzahlen

Die Karlsruher Richter mussten beim Lissabon-Vertrag zwischen politischen Notwendigkeiten und verfassungsrechtlichen Problemen abwägen. Sie haben eine Entscheidung mit Weitsicht getroffen – und retten sowohl die europäische Einigung, als auch die Demokratie, urteilt die FTD.

Bis hierhin und nicht weiter: So schallt es der Politik aus Karlsruhe entgegen. Deutschland darf sich zwar dem europäischen Vertrag von Lissabon unterwerfen – aber nur unter strengen Bedingungen. Wer mehr will, muss das deutsche Volk direkt befragen, fordert die. FAZ.

Das Karlsruher Urteil ist pragmatisch und doch von Misstrauen geprägt. Europa muss zwar sein, doch die eigentliche Sorge gilt dem deutschen Nationalstaat, meint die taz.

Europas Verfassung ist undemokratisch. Der Rat aus 27 Regierungschefs kann, gegebenenfalls per Mehrheitsbeschluss gegen den Willen einzelner Mitgliedsländer, Regelungen für 500 Millionen Europäer beschließen. Eine Versammlung aus Mitgliedern der Exekutivgewalt geriert sich also als Legislative, urteilt Die Welt.

Der Bundestag jedoch fing sich vom höchsten deutschen Gericht bereits die zweite schallende Ohrfeige binnen Kurzem ein. Schon im Verfahren um den Europäischen Haftbefehl 2005 hatten sich die Abgeordneten vorhalten lassen müssen, nur noch brav abzunicken, was eigentlich Gegenstand einer gründlichen Debatte hätte sein müssen, so die ZEIT.

Die Richter haben sich außerdem selbst eine Kontrollfunktion bei der weiteren europäischen Integration zugesprochen. Brüssel darf die Verfassung nicht verletzen, Karlsruhe kann jederzeit einen Riegel vorschieben. Das Bundesverfassungsgericht hat damit der „Hydra aus Brüssel“ zwar nicht den Kopf abgeschlagen, aber sich für die oft verunsicherten Bürger wieder einmal als Notanker erwiesen, findet das Handelsblatt.

In gewisser Weise unterfüttern sie damit nun rechtlich das Ende des Traums von einem europäischen Bundesstaat, der schon politisch an sein Ende gekommen war. Die zu Beginn dieses Jahrzehnts aus der Taufe gehobene EU-Verfassung kam bei den Bürgern auch als Versuch an, der EU eine Art von Staatlichkeit zu verleihen, die sie nicht hat, bemerkt der Tagesspiegel.

Vor allem aber ist es eine grandiose Entscheidung. Sie billigt nicht nur den Vertrag von Lissabon, sie liefert in der durchweg überzeugenden Begründung zugleich ein Aufbauprogramm für ein demokratisches Europa. Ihre zentrale Botschaft lautet: Europa ist zu wichtig, um es allein den europäischen Institutionen zu überlassen, so die Berliner Zeitung.

Europa bleibt handlungsfähig, ein politisches Desaster ist vermieden worden. Und weil das Desaster allzu groß geworden wäre, konnten die Verfassungsrichter in diesem Punkt gar nicht anders entscheiden, als sie entschieden haben. Sie waren nicht frei. Die Macht des Faktischen setzt auch Verfassungshütern Grenzen, befürchtet die Stuttgarter Zeitung.

„Mischt euch ein” – das ist die Botschaft. Sie sollen Macht und Kompetenzen nicht unreflektiert nach Europa abtreten. Von Ausnahmen abgesehen, dürfen sich fast alle im Hohen Haus angesprochen fühlen. […] Wichtiger als dieser Weckruf-Aspekt ist, dass die Richter eine rote Linie ziehen. Sie definieren, wo die Brüsseler den Vertrag nicht extensiv auf Kosten der Nationalstaaten auslegen dürfen, so die NRZ.

Es ist eine Ironie, dass Bundestag und Bundesrat in Karlsruhe als Antragsgegner aufgetreten sind und hinterher zerknirscht loben, dass der störrige Querkopf Peter Gauweiler mit seiner Klage gegen ihren Willen mehr Rechte für die Abgeordneten erkämpft hat, urteilt der Mannheimer Morgen.

Wie auf der Schulbank erwartete die Politik die Note des Verfassungsgerichtes für die deutsche Anwendung des EU-Reformvertrags von Lissabon. Ihr hörbares Aufatmen nach dem Urteil „bestanden“ lässt ein deutliches Unbehagen zurück über die Qualität des staatlichen Handelns. Geradezu dankbar nahmen Kanzlerin, Vizekanzler und handelnde Parteien hin, dass acht Richter ihrem riesigen Rechtsapparat dennoch eine Rüge erteilten, meint die Thüringer Allgemeine.

Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im Wortlaut

Quelle

Proteste der Belegschaft, stundenlange Sitzungen, dann ein Millionen-Kredit in letzter Minute: Der Überlebenskampf des Versandriesen Quelle zeigt die Auswirkungen des Wahlkampfs auf die Wirtschaft. Unternehmerische Belange rücken in den Hintergrund, befürchtet die Wirtschaftswoche.

Kaum wird es in Wirtschaftsfragen konkret, ist es mit der CSU schwierig. Es gibt, was diesen Koalitionspartner angeht, offenkundig vor allem einen Grundsatz: Erlaubt ist, was gefällt, meint der Tagesspiegel.

Der Massekredit für den insolventen Versandhändler lässt sich rechtfertigen, wenn er für die geordnete Abwicklung des Unternehmens genutzt wird. Doch es ist unredlich, den Quelle-Mitarbeitern neue Hoffnungen zu machen, urteilt die FTD.

Quelle ist nicht gerettet. Das muss man laut ausrufen, um nicht einem Trugschluss zu unterliegen: Der Notkredit eröffnet bestenfalls eine Chance, etwas geordneter aus einer Insolvenz herauszukommen. Das Leiden vor allem der Mitarbeiter mit den Sorgen um deren Zukunft wird nicht gelindert, sondern verlängert, glaubt ebenfalls die FAZ.

Ausgerechnet vor den Bundestagswahlen im September könnte Quelles Finanzklemme den Politikern erneut auf die Füße fallen. Dann nämlich laufen die Bestellungen bei den Lieferanten in Fernost ein, um pünktlich zum Weihnachtsgeschäft ins Rennen gehen zu können. Und schon jetzt darf sich Quelle-Chef Konrad Hilbers darauf gefasst machen, dass ohne Vorkasse keiner der Hersteller die Produktionsbänder anwirft, befürchtet zudem das Handelsblatt.

Arbeitsmarkt

Vor Bundestagswahlen machen sich schlechte Nachrichten vom Arbeitsmarkt besonders schlecht und sämtliche Regierungen versuchen, die amtliche Statistik nach Kräften aufzuhübschen. Derzeit ist zumindest arbeitsmarktpolitisch keine andere Maßnahme so erfolgreich wie die Kurzarbeit. […] Zum Jahresanfang wurde die Arbeitsmarktpolitik wieder einmal reformiert – und einige Arbeitslose werden aus der Statistik herausgerechnet. Das passt eben gut zur Bundestagswahl, gibt die Süddeutsche Zeitung zu bedenken.

Gegen die Verwüstung, welche die Rezession in Deutschland hinterlassen wird, ist die Regierung machtlos. […] Setzt nicht rasch ein kräftiger Aufschwung ein, werden spätestens ab Herbst die Arbeitslosenzahlen in die Höhe schnellen. Doch trotz langsam steigender Frühindikatoren ist ein Aufschwung nicht in Sicht – leider, meint das Handelsblatt.

Angesichts des dann zu erwartenden kräftigen Anstiegs der Erwerbslosenzahlen steht die künftige Bundesregierung vor gewaltigen Herausforderungen. Weil absehbar ist, dass viele Firmen im nächsten Aufschwung Fachkräfte brauchen, zeichnet sich da nämlich ein Mangel ab: Dieselben Unternehmen, die 2010 aus der Not heraus entlassen, könnten 2011 oder später dringend Personal suchen. Da sind Überbrückungs-Instrumente gefragt, finden die Nürnberger Nachrichten.

Leitartikel

Bundestag und Bundesrat werden in EU-Fragen weitaus mehr Befugnisse bekommen. Karlsruhe sei Dank. Vielleicht ist dann auch Schluss mit dem ewigen Gejammer über Brüssel. Frankfurter Rundschau

Die deutsche Entscheidung wird in der EU Nachahmer finden. Europa ist eine gute und notwendige Sache. Selbstbestimmung bleibt aber das höchste Gut. BILD

Das Urteil ist ein wenig amerikanisch; es ist ein „Yes, we can“-Urteil: Ja, wir können Europa bauen. Ja, wir können die europäische Integration fortsetzen. Ja, wir können Europa stark machen. Süddeutsche Zeitung

Von dem Bad-Bank-Gesetz, wie Finanzminister Peer Steinbrück es sich einmal vorgestellt hatte, ist wenig übrig geblieben. Die weichgespülte Version, die sich als Einigung in der Großen Koalition abzeichnet, nimmt quasi auf jeden Rücksicht, der zwischen Mai und Juni mal mit seinen Lobbytruppen in Berlin aufmarschiert ist. FTD

Wir haben es beim französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy also wesenhaft nicht mit jenem hyperaktivem Zappel-Nicolas zu tun, als der er auf der Bühne der internationalen Politik häufig erscheint. Hinter dem „Hyperprésident“, der mit immer neuen Ankündigungen drastischer Reformen zwei Jahre lang seine Landsleute vor sich hergetrieben hat, vermutet der Schriftsteller Michel Houellebecq eine ruhige Seele. Die Welt

Just Do It! For all its flaws, the House energy bill is America’s first comprehensive attempt to mitigate climate change. Now the Senate needs to pass it. New York Times

Pop superstar Michael Jackson, who died unexpectedly on Thursday, also kept a lot of people in high finance very busy. NYT-DealBook