Sicherungsverwahrung, SPD, Missbrauchsskandal, Schuldenkrise & EADS

Verdammt in alle Ewigkeit. Die Sicherungsverwahrung ist der deutsche Ersatz für die Todestrafe. Gerade bei Jugendlichen ist sie in der derzeitigen Form eine Bankrotterklärung für den Rechtsstaat. Süddeutsche Zeitung

Wegschließen für immer? Dass sich Rundumsicherheit in einem Rechtsstaat nicht dekretieren lässt, wissen auch die Karlsruher Richter. Für die nachträgliche Sicherungsverwahrung, die der Straßburger Menschenrechtsgerichtshof beanstandet hat, fehlt bei aller medialer Erregung weiterhin ein Gesamtkonzept. FAZ

Auch die Resozialisierung muss Grenzen haben. Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass die nachträgliche Sicherungsverwahrung bei Jugendstrafen zulässig ist. Somit können Jugendliche nun strenger behandelt werden als Erwachsene. Dieses Urteil dient aber nicht als Indiz für eine intoleranter gewordenen Gesellschaft – sondern für mehr Schutz Die Welt

Urteil gegen die Resozialisierung taz

Eine fragwürdige Entscheidung. Die Sicherungsverwahrung ist auch bei Jugendlichen rechtmäßig. Das hat der BGH entschieden. Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen Die Zeit

Jugendlicher Sex-Täter für immer weggesperrt. Bild

Urteil unter Vorbehalt. Sicherungsverwahrung gibt es auch nachträglich. Sagt der BGH. Der Europäische Gerichtshof in Straßburg sieht das anders Frankfurter Rundschau

Der Grundsatz „Nulla poena sine lege“ (keine Strafe ohne Gesetz) gehört zu den grundlegendsten in der Justiz überhaupt. Niemand kann demnach mit einer Strafe belegt werden, die zum Zeitpunkt der Tatbegehung im Gesetz nicht vorgesehen war. Lausitzer Rundschau

Der BGH hat die Straßburger Entscheidung in seinem Urteil über die rückwirkende nachträgliche Sicherungsverwahrung für Jugendliche beiseite geschoben unter Hinweis auf ihre fehlende Rechtskraft und eine andere Rechtslage. Aber der Grundsatz, auf den sich die Straßburger Richter bezogen, gilt zu jeder Zeit und in jeder Rechtslage: Keine Strafe ohne Gesetz. Berliner Zeitung

SPD in Nordrhein-Westfalen

Das nächste Eigentor. Hannelore Kraft hat mit ihrem Hartz-IV-Vorstoß gegen die oberste Regel erfolgreicher Wahlkämpfer verstoßen. Damit hat die SPD-Kandidatin womöglich ihre Wahlchancen verspielt. Süddeutsche Zeitung

Kraft will kein Lob von der FDP. Der Plan der NRW-SPD-Chefin für mehr gemeinnützige Arbeit stößt auf Kritik. Schon heute gibt es für ein Viertel der arbeitslosen Hartz-IV-Empfänger Ein-Euro-Jobs. Die Zeit

Ökonomische Kraft-Meierei. Warum die Hartz-IV-Empfehlungen der SPD-Spitzenpolitikerin Hannelore Kraft völlig überflüssig sind. Wirtschaftswoche

SPD in Berlin

Es sah wie ein Coup für die SPD-Fraktion aus: Sie gewinnt einen neuen Parlamentarier, noch dazu vom Lieblingsfeind, der FDP. Doch es könnte sein, dass der vermeintliche Gewinn sich als Niete entpuppt – weil das Timing allzu sehr nach verzweifeltem Machterhalt aussieht. Berliner Zeitung

Berlins SPD leidet mal wieder an sich selbst. Wie schon in der Debatte um den Parteiausschluss des Ex-Finanzsenators Thilo Sarrazin geht es um die Frage, was ein Sozialdemokrat, ein Mandatsträger zumal, tun und lassen darf. Berliner Morgenpost

Der Mann, der aus der Kälte kommt. Der 49 Jahre alte Berliner Sozialpolitiker Rainer-Michael Lehmann ist kein Irgendwer. Dass er einen »Geist der sozialen Kälte» als Grund für seinen Austritt aus Fraktion und Partei der Berliner FDP angibt, beweist, dass nicht alle liberalen Mandatsträger mit dem provokanten sozialpolitischen Kurs der Parteiführung einverstanden sind. Nürnberger Zeitung

In West-Berlin, hätte es geheißen: Rainer-Michael Lehmann ist ein netter Sozialliberaler. Jetzt ist der 49-jährige Abgeordnete, der seit 2001 im Berliner Parlament sitzt, bundesweit ins Blickfeld geraten – weil er zur SPD wechseln will. Tagesspiegel

Missbrauchsskandal

„Und dann kommen die Machtspiele“ Immer noch kommen neue schreckliche Geschichten von zerbrochenem Vertrauen, von Brutalität und falscher Nähe ans Licht. Nun wird die Phase der Betroffenheit abgelöst durch die Debatte, welche Konsequenzen zu ziehen sind. Doch hier arbeiten Politik und Kirche gegeneinander. Süddeutsche Zeitung

Georg Ratzinger bittet Opfer um Verzeihung. Der frühere Regensburger Domkapellmeister Georg Ratzinger hat eingestanden, in seiner Amtszeit von Misshandlungen in der Internatsvorschule der Domspatzen gewusst zu haben. Er bitte die Opfer um Verzeihung, sagte der Bruder von Papst Benedikt XVI. FAZ

Die Männer mit dem Schlüsselbund. 40 Jahre Schläge: Wie der Direktor der Vorschule der Regensburger Domspatzen Kinder misshandelte – ehemalige Schüler berichten. Süddeutsche Zeitung

Abwehr und Anteilnahme Sexuelle Gewalt an Kindern ist ein schweres Verbrechen. Schmerz, Scham und Schande empfindet jedes Opfer. Institutionen und Erwachsene müssen dafür sorgen oder gezwungen werden, dass Macht und Abhängigkeiten wirksam durchbrochen werden können. Für Wehrpflichtige gibt es dafür eine Instanz. Warum nicht für Kinder? Tagesspiegel

Weitere Fälle – Ruf nach höheren Strafen. Auch in Limburg, Österreich und Holland soll es Missbrauchsfälle an Kindern gegeben haben. Die Deutsche Bischofskonferenz sagte den staatlichen Institutionen inzwischen volle Unterstützung zu, der Vatikan ist für einen Runden Tisch. FAZ

Leutheusser-Schnarrenberger attackiert den Vatikan Gerade erst schloss Justizministerin Leutheusser Frieden mit den deutschen Bischöfen. Nun wirft sie dem Vatikan vor, die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle zu behindern. Die Zeit

Wann dürfen Sex-Straftaten verjähren? Koalition zankt über Strafen und Fristen Bild

Mehr Zeit. Immer neue Fälle sexuellen Missbrauchs werden bekannt, und von Tag zu Tag lauter wird der Ruf nach Aufarbeitung. Was aber können das Strafrecht und die Justiz dazu am Ende beitragen? Hannoversche Allgemeine

Heraus aus der Trutzburg Ist ein Ende absehbar bei all den Missbrauchs-Meldungen? Betroffen sind nicht nur, aber vor allem katholische Einrichtungen. Die reformerische Odenwaldschule scheint bisher eher die Ausnahme zu sein – auch wenn Missbrauch keineswegs nur in kirchlichen Schulen zu finden ist. Nürnberger Nachrichten

Dass der kindliche Wille nicht dazu da ist, gebrochen zu werden, hat sich inzwischen herumgesprochen. Die höhnische Maxime „Kinder mit’m Willen, kriegen eins auf die Brillen“ gehört nicht mehr zum Selbstverständnis der Erziehung. Sie gehörte eigentlich seit Pestalozzis Schriften aus dem 18. Jahrhundert nicht mehr dazu. Eigentlich. Berliner Zeitung

Trost oder Grenzübertretung? Ein konservativer Theologe bescheinigt den Verantwortlichen des Klosters Ettal vorbildliches Verhalten – und heizt den Streit über den Umgang der Kirche mit sexuellem Missbrauch an. Südddeutsche Zeitung

EADS-Tankjet-Ausstieg

Schlechter, aber billiger. Boeing hat im Wettbewerb um den lukrativen US-Auftrag ein schlechteres Flugzeug angeboten als EADS. Trotzdem bezweifeln Experten, dass die Europäer unfair ausmanövriert wurden. Süddeutsche Zeitung

Ganz und gar amerikanisch. Dass Boeing im Bieterwettstreit um neue Tankflugzeuge für die amerikanische Luftflotte am Ende siegt, verdankt der Konzern Barack Obama und den neuen Machtverhältnissen in Washington. Ein Tank-Airbus wäre nicht nur ein europäisch-amerikanisches Flugzeug gewesen, sondern auch ein „republikanisches“. FAZ

Gefangen in der Euro-Falle, der Traum ist geplatzt. Manager Magazin

Scheinheiliger Protest. Die verbalen Attacken um das verpatzte „Jahrhundergeschäft“ mit der US-Luftwaffe sind nur Worthülsen, mit gezeigt werden soll: Hört her, wir kümmern uns. Frankfurter Rundschau

Boeing baut das schlechtere Tankflugzeug. Präsident Obama zeigt den Europäern, wie Rüstungsprojekte in den USA laufen: Die Politik bestimmt, wo es langgeht, egal wie die technische Leistung aussieht. Das ist im Fall des Tankflugzeugauftrags besonders ärgerlich. Financial Times Deutschland

Der Rüstungsmarkt braucht mehr Wettbewerb. Erst sah es so aus, als würde EADS Tankflugzeuge für die US-Luftwaffe bauen. Dann hat die US-Regierung die Ausschreibung im Sinne des heimischen Konzerns Boeing geändert. In Europa läuft das bei solchen Projekten nicht anders. Dabei braucht die Rüstungsindustrie dringend mehr Wettbewerb Die Welt

Politische Flugzeuge. Die Rüstungsindustrie ist weit davon entfernt, ein normales Geschäft zu sein. Das zeigt auch die Vergabe des Auftrags von 179 Tankflugzeugen. Nun aber den Amerikanern zu unterstellen, bei ihnen sei im Umgang mit Regierungsaufträgen alles besonders schlimm, ist scheinheilig. FAZ

Patrioten unter sich. Europa jammert über das entgangene Rüstungsgeschäft von EADS in den USA. Aber Fragen der Qualität spielen eben keine Rolle, auf diesem Markt gilt das Gesetz des Patriotismus Tagesspiegel

EADS – der Doppelverlierer. Dem Flugzeughersteller EADS geht mit dem geplatzten Tankflugzeuge-Deal nicht nur ein gigantisches Geschäft durch die Lappen. Ebenso schwer wiegt, dass die geplante Eroberung des US-Marktes nun weit schwieriger wird. Süddeutsche Zeitung

Verriegelte Märkte. Technisch besser, aber politisch ohne jede Rückendeckung – im Rennen um einen der größten Rüstungsaufträge aller Zeiten zieht Airbus in den USA den Kürzeren. General-Anzeiger Bonn

Verlogen. EADS hat nach den Sternen gegriffen. Gegen die übermächtige amerikanische Rüstungsindustrie in deren eigenem Land einen riesigen Regierungsauftrag zu ergattern – das wäre in der Tat ein historischer Erfolg gewesen. Hannoversche Allgemeine

Kein Gesetz des freien Marktes. In dem Geschäft mit Panzern und Raketen haben nie die Gesetze des freien Marktes regiert. Daher mutet die Aufregung nach dem geplatzten Tankjet-Jahrhundertdeal für Airbus jetzt reichlich künstlich an Kölner Stadt-Anzeiger

Brüderle spricht von Protektionismus. Im Streit um die Bestellung von 179 Flugzeugen durch das US-Militär schalten sich nun auch deutsche Politiker ein. Auch Brüssel zeigt sich „extrem besorgt“ Die Zeit

Schuldenkrise

Bundesbank geißelt Schäuble-Vorhaben. Ein europäischer Währungsfonds zur Rettung klammer Staaten? „Interessant“, sagt die Kanzlerin. Doch die Bundesbank sieht das anders Süddeutsche Zeitung

Bundesbank lehnt Fonds eindeutig ab. Bundesbankpräsident Weber hält die Diskussion über einen Europäischen Währungsfonds für schädlich im Hinblick auf die Sparanstrengungen Griechenlands und anderer Euro-Staaten. Auch die Europäische Zentralbank und Frankreichs Regierung sind skeptisch – aus unterschiedlichen Gründen. FAZ

Bundesbankchef Weber stellt sich gegen Merkel. Eindeutiger konnte die Reaktion kaum sein. Seine Begründung ist einleuchtend. Wirtschaftswoche

Der EWF soll es richten. Der politische Wille ist offenbar vorhanden, das Krisenmanagement innerhalb der Eurozone zu institutionalisieren. Dass dafür Bedarf besteht, macht die griechische Tragödie fast täglich deutlich. Börsenzeitung

Ein rettender Fonds könnte viele Formen haben. Bundesregierung und EU-Kommission lassen bewusst offen, was sie sich genau unter einem europäischen Wirtschaftsfonds vorstellen. Alles scheint möglich – von einer simplen EU-Kreditfazilität für in Not geratene Euro-Länder bis zu einer neuen Riesenbehörde mit Tausenden von Beschäftigten. Handelsblatt

Wenn der Mitbewohner pleite ist Der EU-Währungsfonds ist eine Idee für später. Erst muss Griechenland sich selbst retten Tagesspiegel

Fast 50 Prozent der Griechen lehnt den Sparkurs ab. Die Bemühungen Griechenlands den Staatsbankrott abzuwenden, stößt auf Widerstand. Nicht einmal die Hälfte der Bürger unterstützt die Sparpläne der Regierung Papandreous. Die Gewerkschaften haben für Donnerstag zu einem erneuten Generalstreik aufgerufen. Analysten befürchten eine Beschleunigung der Rezession. Die Welt

CDS-Spekulation: An die Börse bringen und entschärfen. Treiben Spekulanten Griechenland über Derivate noch tiefer in die Schuldenkrise? Oder eher nicht, wie die deutsche Finanzaufsicht BaFin meint? Wirtschaftswoche

Papandreou sieht Obama hinter sich. Im Kampf gegen Spekulanten bekommt das hoch verschuldete Griechenland nach Gesprächen mit den Europäern nun auch von der größten Wirtschaftsmacht der Welt Unterstützung. Nach Beratungen mit US-Präsident Barack Obama sagte der griechische Regierungschef Giorgos Papandreou, Obama unterstütze Schritte der EU, um Spekulationen einzudämmen. Handelsblatt

Die Gefahren des Sparens. Die Regierungen zeigen sich viel zu erschrocken über ihre hohen Haushaltsdefizite. Statt Ausgaben zu kürzen und Steuern zu erhöhen, sollten sie sich entspannen – und die Wirtschaft weiter stützen. Wirtschafts-Nobelpreisträger Joseph Stiglitz in der Financial Times Deutschland

So Greece Has Cleared Some Obstacles, But Will Spain Overcome Its Hurdles? Wall Street Journal

Germany’s eurozone crisis nightmare. The sound money imperative conflicts with the goal of European integration Financial Times

… one more thing!!

Die geistige Konterrevolution um und mit Merkel Der Umverteilungsstaat zehrt seine Substanz auf. Und ausgerechnet eine ostdeutsche Kanzlerin an der Spitze einer schwarz-gelben Koalition ist dabei, Deutschland in neosozialistische Zeiten zu führen Financial Times Deutschland

Leitartikel

Wie das Bürgertum sich selbst beschädigt. Die Missbrauchsskandale an Internaten haben neben der persönlichen Opfertragödie noch eine gesellschaftliche Dimension erreicht. Zu Beginn war es für Kritiker konservativer Einrichtungen die Bestätigung ihrer Vorbehalte. Seit den Fällen an der Odenwaldschule ist auch die aufgeklärte Reformpädagogik beschädigt. Die Welt

Ein Jahrzehnt quälender Experimente.
Auf die Zeit des Aufbruchs in den 68ern fällt ein Schatten. Im Namen der sexuellen Befreiung geschah Missbrauch. Das Urteil über diese Zeit zu ändern, heißt nicht, die Ideale zu diskreditieren. Frankfurter Rundschau

Allzu häufig haben sich die Hoffnungen der Richter auf Erziehung und Resozialisierung der Täter als Trugschluss erwiesen. Leider mit manchmal tödlichen Folgen. Im Namen des Volkes muss der Rechtsstaat auch Härte zeigen Bild

Chancen für Chancenlose. Die Debatte um Hartz IV wird von Politikern in einer beispiellosen Hysterie geführt. Sowohl Guido Westerwelle als auch Hannelore Kraft sparen dabei nicht an populistischen Plattitüden. Dabei ist völlig klar, wer die Hilfe verdient. Kölner Stadt-Anzeiger

Purer Protektionismus. Die Entscheidung ist ärgerlich. Überraschend ist sie nicht AZ München

Ein Euro-Schuldenfonds Der Maastrichter Vertrag verbietet die Haftung eines EU-Landes für die Schulden eines anderen. Nun will die EU-Kommission den fiskalpolitischen Sündenfall aber institutionalisieren. Dazu soll ein Europäischer Währungsfonds eingerichtet werden. Die Kanzlerin hält das auch noch für eine gute Idee. Warum bloß? FAZ

Not that hungry for change. Washington has misread the public. People want problem-solving, not political whiplash USAToday

It’s Up to Iraqis Now. Good Luck. The elections were a good step forward, but now Iraq must prove that it wants a more democratic future. New York Times

Swaps Come Under Fire. U.S. Regulators, European Leaders Seek More Oversight on Trades in Derivatives Wall Street Journal