Schleswig-Holstein, BND-Untersuchungsausschuss, Porsche & Obamas Gesundheitsreform

So berechtigt der Vorwurf gegen Ministerpräsident Carstensen sein mag, er habe den Bruch aus taktischen Erwägungen herbeigeführt: Sein Antipode Stegner hat sich am Ende selbst matt gesetzt. In dieser Lage führte weder rechtlich noch politisch ein Weg an der vorgezogenen Wahl vorbei. Matt gesetzt. FAZ

Nun wird also gewählt, weil die Umfragen für eine Mehrheit im Parlament passen. Oder auch, weil die Kontrahenten Carstensen und Stegner nicht miteinander können. Beides sind alles andere als ausreichende Gründe für eine Landtagsauflösung. Mit fragwürdigen Mitteln lässt sich die Kieler Politik auf ein heikles Experiment ein. Und manche haben zu Recht Angst vor der Antwort der Wähler. Nürnberger Nachrichten

Der Wahlkampf in Schleswig-Holstein wird einem Sturm gleichen. Diesem können sich auch Merkel und Steinmeier nicht entziehen. Der Tagesspiegel

Carstensen verliert Vertrauensfrage, unwürdiges Spiel mit der Demokratie. Hamburger Abendblatt

Jamaika im Norden, was im Bund verpönt ist, könnte in Schleswig-Holstein Realität werden: eine schwarz-gelb-grüne Koalition. Handelsblatt

Merkels Ärger mit Harry: Das rüde Vorgehen des Kieler Ministerpräsidenten könnte SPD-Wähler mobilisieren und Schwarz-Gelb auf Bundesebene verhindern. Das wäre ein Desaster für Merkel. taz

Es wäre nur gerecht, wenn das Wahlergebnis wieder eine große Koalition erzwingen würde. Es würde den Carstensens und Stegners der Republik vor Augen führen, dass sie nicht zum persönlichen Vergnügen gewählt werden. Konsequenter und ein Zeichen der Einsicht wäre es, wenn beide Parteien ihre Spitzenleute zurückziehen würden statt noch einmal zu behaupten, sie könnten regieren. Berliner Zeitung

Karlsruhe zum BND-Untersuchungsausschuss

Ohrfeige aus Karlsruhe! Nach dem Rüffel der Verfassungsrichter muss die Aufklärung im BND-Ausschuss weitergehen – und möglicherweise auch die Rolle von Außenminister Steinmeier neu bewertet werden. Süddeutsche Zeitung

Der Untersuchungsausschuss erwies sich oft als recht stumpfe Waffe des Parlaments. Das Verfassungsgericht hat sie gewetzt. Frankfurter Rundschau

Mit ihrem Urteil zum Untersuchungsrecht im BND-Auschuss stärken die Karlsruher Verfassungsrichter wird wieder einmal und in bemerkenswerter Weise das Parlament gegenüber der Regierung. Das ist ein später Sieg der Opposition. FAZ

Das tatsächliche Ausmaß der deutschen Aktivitäten im von den USA geführten Anti-Terror-Kampf mit all ihren hässlichen wie menschlichen Verirrungen sollte weitgehend im Dunkeln bleiben. Solches Gebaren schafft rechtsfreie Räume, die in einer Demokratie keinen Platz haben. NRZ

Erstaunlich, dass selbst ein sozialdemokratischer Kanzlerkandidat dem Staatsbild Fürst Metternichs zuweilen näher steht als dem Grundgesetz. Berliner Zeitung

Porsche

Nachher ist man immer schlauer. Aber die kühnen Pläne des Porsche-Chefs Wendelin Wiedeking hätten klappen können. Doch es kam anders. Die Geschichte seines Scheiterns. FAZ

Im Abgang von der Porsche-Spitze beweist Wendelin Wiedeking Stil. Ein Symbol für Gier ist er nicht. Süddeutsche Zeitung

1992 stand Porsche nicht nur finanziell am Abgrund, der Sportwagenhersteller war eine Automarke ohne Perspektive. Es ist Wiedekings Verdienst, aus dem Traditionsunternehmen eine lebendige Autofirma gemacht zu haben. Die Welt

Die Fusion der beiden Autobauer bietet große wirtschaftliche Chancen. Doch der Zusammenschluss kann nur funktionieren, wenn VW Rücksicht auf die Verletzungen in Stuttgart nimmt und Porsche sanft in den Konzernverbund integriert. Financial Times Deutschland

Mehr als ein Dutzend Jahre lang war Wiedeking der Manager-Superstar. Jetzt ist er ein gescheiterter Mann, dem der Sinn für Proportionen verloren ging Kölner Stadt-Anzeiger

Es ist ein Triumph der Ingenieure gegen die Finanzstrategen: VW-Chef Winterkorn und Piëch kommen nach dem Sieg im Machtkampf um Porsche ihrem großen Traum näher – den Weltmarktführer Toyota abzulösen. Süddeutsche Zeitung

Künftig wackelt der Hund wieder mit dem Schwanz – und nicht umgekehrt, wie der waghalsige Wiedeking es sich erträumt hatte. NRZ

Obamas Krankenversicherungsplan

Gelingt die populäre Reform von historischer Dimension, hätte Obama endlich erreicht, woran etliche andere US-Präsidenten gescheitert waren. Genau deshalb suchen die Republikaner auch mit Blick auf die nächsten Präsidentschaftswahlen die Fundamentalopposition. Handelsblatt

Der graue Obama. Mit seiner Pressekonferenz zur Gesundheitsreform wollte der Präsident Führungsstärke beweisen. Doch das Echo ist enttäuschend – dabei hatte er vor allem auf die Blogger gesetzt. Süddeutsche Zeitung

Obama: Making Health Care Reform About Him. At a press conference, Obama succeeds as the Great Explainer, but he’s no Gipper. Not yet. Mother Jones

Zum ersten Mal seit dem Antritt seines Amtes kommt US-Präsident Barack Obama ins Straucheln. Umfragen zufolge sinkt seine Beliebtheit – die wirtschaftlichen Erfolge bleiben vorerst aus. Jetzt droht auch noch die Gesundheitsreform zu scheitern. Kölnische Rundschau

The initial reaction of the cable talking heads was that Obama blew it because he didn’t couch his argument in terms of personal anecdotes, Reagan-style. New York Times

Obamas Ansatz, die großen Reformvorhaben möglichst überparteilich anzugehen, hat sich inzwischen bereits als naiv entpuppt. Der Präsident als Brückenbauer – im aufgeheizten politischen Klima Washingtons, das nicht allein dem schwülen Sommer geschuldet ist, ist für diese Rolle offenkundig schlicht kein Platz. Generalanzeiger Bonn

one more thing!

The Doctor Is Within, sagt der Dalai Lama New York Times

Leitartikel

Die Causa Wiedeking gibt zumindest Anlass zur Hoffnung, dass Manager lernfähig sind, ihr Verhalten künftig zu überdenken, zu Korrekturen bereit sind und nicht mehr nur auf bestehen, was Ihnen maximal zusteht. Wenn jeder scheidenden Vorstand von seiner Abfindung die häfte wohltätigen Zwecken zuführen würde, wäre das ain Schritt. Süddeutsche Zeitung (Print)

Gesiegt hat die Vernunft. Die Idee, nicht GEGEN, sondern gemeinsam MIT Volkswagen gegen die Krise anzukämpfen. Vielleicht ist die neue Achse Wolfsburg-Zuffenhausen sogar auf Dauer die Garantie, dass Porsche überleben kann. Und weiterhin wunderbare Autos bauen wird. BILD

Sturz im Schritttempo, Wiedeking räumt bei Porsche den Chefsessel. Bis mit VW ein Autokonzern entsteht, ist noch viel Arbeit und Fingerspitzengefühl nötig. Das Projekt birgt aber viele Chancen. Frankfurter Rundschau

Piëch erklimmt den Gipfel. Natürlich gibt es in diesem Machtkampf Gewinner und Verlierer. Anderes zu behaupten wäre naiv, auch wenn man sich in Stuttgart noch Mut macht. FAZ

Porsche hat Wendelin Wiedeking viel zu verdanken! Er ist eine Marke Die Welt

Schnelle Autos, waghalsige Manager und kullernde Männertränen – das Porsche-Drama. AZ München

Erst das Machtspiel – nun die Arbeit. Er ist endlich vorbei – der schmutzige Kampf um Eitelkeiten, Macht und viel Geld. Hamburger Abendblatt

Mehr Mut zum Denken! Bund und Länder sollten bei Opel nicht gegen allen Sachverstand auf den Investor Magna setzen. Selbst eine Insolvenz könnte die bessere Lösung für den Rüsselsheimer Autobauer sein. Financial Times Deutschland

The Health Care Sausage. President Obama took a step closer to health care reform after pulling out all the stops to give wavering senators the spine to take a stand against financing the F-22 fighter jet, a $1.75 billion piece of pork. New York Times

A Rough Guide to the EconoTwitterverse Wall Street Journal

A quiet revolution has begun in the Arab world; it will be complete only when the last failed dictatorship is voted out Economist